Finanzbranche in London:"Macho-Kultur in der City"

Laut einer Studie verdienen Bankerinnen und Brokerinnen bis zu 55 Prozent weniger als ihre männlichen Berufskollegen. Das heizt nun auch die Debatte um die Reform der Bonuszahlungen in Großbritannien an.

Andreas Oldag

Nicola Horlick gilt als die bekannteste britische Fondsmanagerin. Im Laufe ihrer Karriere hat die 47-Jährige ein Vermögen von geschätzt 30 Millionen Euro angehäuft. Doch Horlick ist eine Ausnahme. Die meisten ihrer Berufskolleginnen müssen sich mit wesentlich weniger Geld zufriedengeben. Nun kommt heraus: Sie schneiden beim Einkommen deutlich schlechter ab als die Männer in Londons Finanzbranche.

Brokerin, dpa

Frauen stellen fast die Hälfte der Beschäftigten in der britischen Finanzbranche, dennoch werden sie bei der Entlohnung diskriminiert.

(Foto: Foto: dpa)

Laut einer Studie der unabhängigen Gleichstellungskommission (Equality and Human Rights Commission - EHRC) verdienen Bankerinnen und Brokerinnen bis zu 55 Prozent weniger als ihre männlichen Berufskollegen. Es sei erschreckend, wie Frauen gerade in der Finanzbranche zur Seite gedrängt werden, kritisierte die Frauenministerin und stellvertretende Labour-Parteivorsitzende Harriet Harman.

Diskrepanz bei Boni liegt bei bis zu 79 Prozent

Immerhin stellen Frauen fast die Hälfte der Beschäftigten in der britischen Finanzbranche. Doch die Diskriminierung bei der Entlohnung sei erschreckend, so der harsche Befund von EHRC-Direktor Trevor Phillips. Während testosterongesteuerte Bankmanager ihre relativ moderaten Grundgehälter üblicherweise durch sechs- oder gar siebenstellige Bonuszahlungen aufbessern, müssen sich Frauen mit erheblich bescheideneren Prämien begnügen.

Die Diskrepanz bei den Boni liegt bei bis zu 79 Prozent, stellte die Kommission fest. Und dies hat keineswegs etwas mit einer minderen Leistung zu tun, sondern vor allem mit der Tatsache, dass sich das von Männern dominierte Management die Sonderzahlungen untereinander zuschiebt.

"Der Report zeigt, dass die City völlig versagt hat, ihre Macho-Kultur zu ändern", klagte der Chef des britischen Gewerkschaftsverbandes TUC, Brendan Barber. Gewerkschaften, aber auch führend Labour-Politiker, führen seit Monaten eine Kampagne gegen die überzogene "Bonuskultur" in der Bankenbranche und fordern eine Deckelung der Prämienauszahlungen. Nach Meinung von vielen Experten haben die Prämien Banker und Broker zu waghalsigen Spekulationsgeschäften angetrieben und damit die Finanzkrise wesentlich mitverursacht.

Die Zahlungen sind jetzt allerdings infolge der Milliardenverluste bereits bei vielen Banken und Investmentfirmen deutlich geschrumpft. Die Beratungsgesellschaft Centre for Economics and Business Research (CFEBR) schätzt, dass sich die Gesamtsumme der Prämien an Europas größtem Finanzplatz London für 2008 auf 3,6 Milliarden Pfund (etwa vier Milliarden Euro) belaufen wird.

Bankmanager erhalten üblicherweise in den ersten Monaten eines neuen Jahres ihre Boni für das abgelaufene Jahr. Für 2007 beliefen sich die Prämien auf 8,5 Milliarden Pfund. Erstmals seit Jahren fallen die durchschnittlichen Boni für Londoner Banker damit geringer aus als bei ihren Konkurrenten an der New Yorker Wall Street.

Die Diskriminierung von Frauen in der Finanzindustrie könnte zu einem zentralen Aspekt in der Debatte um die Reform der Bonuszahlungen werden. Bislang schreckt die britische Regierung davor zurück, verbindliche Obergrenzen für die Prämien festzulegen. Die britische Finanzmarktaufsicht FSA setzt im stärkeren Maß auf allgemeine Kriterien für Prämien, die sich an langfristigen Unternehmenszielen orientieren sollen.

Für eine Reform, die auch mehr Gleichberechtigung bringen soll, reiche dies jedoch nicht aus, heißt es bei der EHRC. Es müsse verbindliche Regeln dafür geben, dass Frauen nicht weniger erhalten als Männer. Ministerin Harman will die Ergebnisse der Studie auch einsetzen, um für ein neues Gleichstellungsgesetz zu werben, das Labour in den nächsten Wochen ins Unterhaus einbringen will.

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