Fernweh der Spitzenkräfte:Grüezi Karriere!

Deutsche Führungskräfte zieht es ins Ausland - vor allem in die Schweiz. Die Eidgenossen sehen die Entwicklung kritisch, obwohl sie auf Arbeitskräfte angewiesen sind.

Johann Osel

Als Gastronom nach Costa Rica, als Alleinunterhalter in Andalusien oder als Truckerfahrer quer durch Kanada - die Auswanderer-Serien im Privatfernsehen liefern täglich bunte Bilder vom Karrieretraum im Ausland.

Eiger und Moench - Schweizer Alpen, ddp

Schweizer Alpen: Attraktive Gehälter und gute Karrierechancen ziehen Spitzenkräfte aus Deutschland in die Schweiz.

(Foto: Foto: ddp)

Tatsächlich zieht es abwanderungswillige Deutsche aber gar nicht so weit weg, erst recht die Führungskräfte und Spitzenverdiener. Wie eine Studie des Online-Karrieredienstes Experteer unter 13.000 Mitgliedern ergab, ist die Schweiz das begehrteste Ziel zum Arbeiten im Ausland.

Fast ein Viertel der Personen, die eine Stelle im Ausland angenommen haben und mindestens ein Jahresgehalt von 60.000 Euro vorweisen können, wählte die Schweiz. Auf den Plätzen zwei und drei folgen - allerdings mit deutlichem Abstand - Großbritannien und Österreich.

Hohe Wegzugs-Quoten

Die Studie zeigt zudem, dass Deutschlands Wirtschaft im Kampf um die besten Köpfe immer mehr das Nachsehen hat. Insgesamt 13 Prozent der ausgewerteten Führungskräfte hat den Schritt ins Ausland bereits vollzogen.

Der Trend bei den Führungskräften passt auch zum gesamten Arbeitsmarkt. Nach Zahlen der EU-Kommission sind aus Deutschland zuletzt mehr Arbeitskräfte ab- als zugewandert. 194000 Arbeitnehmer verließen im Jahr 2006 den deutschen Arbeitsmarkt, um anderswo eine Beschäftigung aufzunehmen.

Zugleich fanden nur 157.000 EU-Bürger aus anderen Ländern in Deutschland eine Stelle. Gemessen an der Zahl der Abgewanderten lag Deutschland damit EU-weit an zweiter Stelle - knapp hinter Polen. Auch zahlreiche andere osteuropäische Länder müssen hohe Wegzugs-Quoten verkraften.

Auswandern als Karrieresprungbrett

Besonders schmerzhaft für die deutsche Wirtschaft dürfte das Fernweh der Spitzenkräfte sein: Vor allem im Banken- und Finanzsektor, im Consulting und in der IT-Branche verzeichnet die Experteer-Studie die größten Wanderungsbewegungen. "Die besten Köpfe Deutschlands sind mobiler als noch vor ein paar Jahren und eher bereit für den nächsten Karriereschritt ins Ausland zu ziehen", sagt Christian Göttsch, Geschäftsführer des Karrieredienstes.

Und diese Entscheidung lohne sich kurz- wie auch langfristig - das glauben Headhunter wie Klaus Steinmann, der bei der Personalberatung Lachner Aden Beyer häufig Deutsche ins Ausland vermittelt: Einerseits sei ein Auslandsaufenthalt ein Pluspunkt im Lebenslauf, andererseits gut für die persönliche Weiterentwicklung.

Der "cultural fit", also die interkulturelle Kompetenz, werde wichtiger und könne gerade bei weltweit agierenden Konzernen ein Sprungbrett sein. Allerdings warnt Steinmann vor zu langen Aufenthalten: "Zwei bis maximal fünf Jahre sind ideal. Wer länger bleibt, setzt sich der Gefahr aus, dass eine Rückkehr immer schwerer wird."

Auf der nächsten Seite: Warum ausgerechnet die Schweiz so beliebt ist - und was die Eidgenossen von den Deutschen halten.

Grüezi Karriere!

"Wie viele Deutsche verträgt die Schweiz?"

Warum ist ausgerechnet die Schweiz so gefragt? Experteer-Chef Göttsch meint: "Für die berufliche Weiterentwicklung trauen sich deutsche Führungskräfte nicht weit in die Ferne, sondern gehen in ein Land, dessen Sprache sie sprechen und deren Kultur sie nahe sind." Zudem sind die Gehälter für Spitzenkräfte in der Schweiz ähnlich attraktiv wie in Deutschland. Und: Die Schweiz benötigt den Zuzug von Arbeitskräften, quer durch die Berufsgruppen. Die Arbeitslosenquote lag im Oktober bei 2,4 Prozent.

Unbehagen in der Schweizer Bevölkerung gibt es dennoch. Bestes Beispiel: "Wie viele Deutsche verträgt die Schweiz?", eine Artikelserie einer großen Schweizer Boulevardzeitung. 36 Prozent der Bürger, so eine Umfrage des Blattes, glaubt, dass die Deutschen den Schweizern den Job wegnehmen. Offiziell sieht man die Sache freilich anders.

Das Eidgenössische Wirtschaftsministerium zieht seit der Einführung der Personenfreizügigkeit im Jahr 2002 eine positive Bilanz. Demnach seien weder eine Verdrängung von Schweizer Arbeitnehmern noch negative Auswirkungen auf das Lohnniveau feststellbar. Vielmehr habe die Zuwanderung den wirtschaftlichen Aufschwung begünstigt.

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