Dieser schlimme Job war erst einmal so toll, dass ich es kaum glauben konnte: alle Folgen von "Miami Vice" anzuschauen und dafür auch noch bezahlt zu werden. Es ging darum, die Fernsehserie kindgerecht zu schneiden, damit ein Privatsender sie nicht erst um 22 Uhr, sondern schon am Nachmittag ausstrahlen konnte.
In den Achtzigerjahren, als "Miami Vice" zum ersten Mal lief, lag ich immer schon im Bett. Es war das Jahrzehnt, als in Deutschland noch graue Ermittler wie "Derrick" und "Der Alte" den Höhepunkt an Krimi-Spannung darstellten. Und dann plötzlich das: Elektrotrommeln und flüchtende Flamingos, Karibik, Gitarrenriffs und Sportwagen, Bikinifrauen, Surfer und pastellfarbene Sakkos, Goldkettchen, Don Johnson und Philip Michael Thomas!
Also Jalousien dicht, Videogerät ab und Timecodes für die Cutter mitgeschrieben: jeden direkt gezeigten Einschuss und Messerstich, jede verbale Gewaltandrohung, jeden Fausthieb, jeden Fluch, jede übererregende Kamerafahrt und bedrohliche Geräuschkulisse, jeden Drogenspritzeneinstich, jeden Befehl zu töten, jeden Sex, jede Erniedrigung - acht Stunden und sechs Folgen pro Tag im abgedunkelten Büro und danach im finsteren Schnittraum. Fünf Staffeln und 111 Episoden später sah ich sogar im Schlaf Flamingos, das Gehirn wie mit Pastellfarben zugekleistert - und ansonsten nur noch Übelkeit wegen der ganzen Gewalt. "Miami Vice" war dabei ganz schön geschrumpft.
Jochen Temsch
Illustration: Jessy Asmus