Arbeitszeit:Warum eine niederländische Firma die Feiertage abschafft

Arbeitszeit: Warum sollte man an einem Feiertag den Computer zuklappen und die Füße hochlegen müssen, wenn man lieber an einem anderen Tag frei hätte?

Warum sollte man an einem Feiertag den Computer zuklappen und die Füße hochlegen müssen, wenn man lieber an einem anderen Tag frei hätte?

(Foto: Shridhar Gupta/Unsplash)

"Alle waren dafür": Die Mitarbeiter dürfen jetzt auch an Pfingsten oder Weihnachten ins Büro kommen. An einem Tag arbeite aber garantiert niemand, erklärt Geschäftsführer Djordy Seelmann.

Interview von Jutta Pilgram

Mitarbeiter der Mietplattform HousingAnywhere können ab sofort selbst entscheiden, ob sie an gesetzlichen Feiertagen zu Hause bleiben oder stattdessen an einem anderen Tag freinehmen - sei es aus religiösen, kulturellen oder privaten Gründen. Geschäftsführer Djordy Seelmann erklärt, wie die Internetfirma aus Rotterdam damit der kulturellen Vielfalt der Belegschaft Rechnung tragen will.

SZ: Wie kamen Sie auf die Idee, die Feiertage abzuschaffen?

Djordy Seelmann: Wir haben festgestellt, dass manche Feiertage für unsere Mitarbeiter gar keine Bedeutung haben. Der Pfingstmontag zum Beispiel, kaum einer hat dazu eine emotionale Beziehung. In vielen anderen Ländern ist das auch kein Feiertag. Irgendwann kam die Frage auf, warum wir unseren Leuten eigentlich vorschreiben, wann sie feiern sollen.

Wie sieht Ihre Belegschaft aus?

Wir haben 90 Mitarbeiter aus 28 Nationen, im Schnitt 29 Jahre alt. Was die Konfession angeht, haben wir natürlich keine offiziellen Daten. Ich weiß aber, dass es Anhänger mehrerer christlicher Kirchen gibt, einige Mitarbeiter sind Muslime, andere haben einen buddhistischen Hintergrund, wieder andere sind gar nicht religiös. Es ist also ziemlich divers hier.

Gab es einen Auslöser für den Schritt?

Ein Kollege aus der Personalabteilung schrieb kürzlich eine Rundmail: Leute, vergesst nicht, nächste Woche ist Christi Himmelfahrt! Da habe ich auf Slack eine Diskussion mit einigen Managern eröffnet und gefragt: Warum genau haben wir diesen Feiertag? Ich habe recherchiert, dass es in den Niederlanden keine Vorschrift gibt, genau diese Feiertage zu begehen. Und mich gefragt: Warum addieren wir nicht einfach die sieben gesetzlichen Feiertage zum bezahlten Urlaub und lassen jeden selber entscheiden? Diese Idee haben wir der gesamten Belegschaft zur Abstimmung vorgestellt. Alle waren dafür, ohne Gegenstimme.

Wie organisieren Sie Ihre Arbeit, wenn zum Beispiel an Weihnachten drei oder vier Leute unbedingt arbeiten wollen?

Nun ja, wir sind eine Mietplattform. Wir haben Kunden auf der ganzen Welt und vermitteln Unterkünfte in 57 Ländern, ähnlich wie Airbnb. Menschen ziehen ja nicht nur in Europa um, sondern auch anderswo. Und unsere Kunden kommen auch an Weihnachten auf unsere Website. In anderen Branchen kann es natürlich aus geschäftlichen Gründen sinnvoll sein, dass alle in der Weihnachtswoche freinehmen müssen, weil dann der ganze Betrieb stillsteht. Für uns gilt das nicht.

In Deutschland darf man - abgesehen von Ausnahmen - an gesetzlichen Feiertagen nicht arbeiten. Welche Urlaubsregeln gelten in den Niederlanden?

Jeder hat Anspruch auf mindestens 20 Tage Urlaub im Jahr. In Branchen mit Tarifverträgen gibt es weitere Arbeitszeitregelungen. Wir haben jedoch keinen Tarifvertrag, dadurch sind wir flexibler. Ich kann mir aber vorstellen, dass unser Beispiel andere Branchen inspiriert und es in Zukunft Tarifverträge geben wird, die ähnlich flexible Regelungen enthalten.

Arbeitszeit: Djordy Seelmann, Geschäftsführer von HousingAnywhere.

Djordy Seelmann, Geschäftsführer von HousingAnywhere.

(Foto: privat)

Kennen Sie denn schon Firmen, die es Ihnen nachmachen?

Bisher nicht. Was ich häufiger sehe, sind Firmen mit einer sogenannten "unlimited vacation policy". Das heißt: Mitarbeiter können ihre Arbeitszeit komplett frei einteilen und so viel Urlaub nehmen, wie sie wollen. Das hört sich toll an. In der Praxis zeigt sich aber, dass sie eigentlich keinen Gebrauch davon machen. Da finde ich unsere Regelung viel klarer.

Gibt es bei Ihnen Feiertagszuschläge?

Nein, die gibt es nur in tarifgebundenen Unternehmen. Wir arbeiten anders. Früher hatten die Leute bei uns 23 Tage Urlaub, jetzt sind es 30 Tage. Wir sind also ohnehin schon zehn Tage über dem Soll.

Glauben Sie nicht, dass gemeinsame Feiertage den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken?

Doch, bestimmt tun sie das. In den Niederlanden ist beispielsweise der Königstag am 27. April so ein Tag. Da würde in unserer Firma niemand zur Arbeit erscheinen, da bin ich mir sicher. Aber ich finde, das wissen die Mitarbeiter am besten. Sie sollen selbst entscheiden.

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