Feedback an Vorgesetzte:Wie kritisiert man seinen Chef?

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Den Chef zu kritisieren, ist ein Drahtseilakt: Mitarbeiter können tief fallen, aber auch eine hervorragende Performance hinlegen, die sie für höhere Aufgaben empfiehlt.

(Foto: imago/Photocase; Bearbeitung SZ)

Viele Angestellte stören sich am Verhalten ihrer Führungskräfte, würden sie aber nie darauf ansprechen. Dabei steckt in dem Feedback mehr als eine Chance - wenn man es richtig angeht.

Von Larissa Holzki

Chefs machen Fehler. Chefinnen irren sich. Manchmal gefährden sie damit das gesamte Unternehmen. Manchmal nehmen sie Mitarbeitern so die Freude an der Arbeit. Trotzdem weisen nur wenige Angestellte sie darauf hin. Den inneren Konflikt - soll ich etwas sagen oder lass ich's lieber sein - kennen aber wohl die meisten.

Es gibt viele Gründe, den Mund zu halten. Sorgen, sich unbeliebt zu machen, sich Karrierechancen zu verbauen oder gar den Job zu verlieren, gehören zu den wichtigsten. Oft wissen Mitarbeiter aber auch schlicht nicht, ob sie in der Position dazu sind, etwas besser zu wissen. Und wenn ja: Wie wäre das der Führungskraft am schonendsten beizubringen?

Kritik auszusprechen ist schon unabhängig von Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnissen unangenehm. "Wer kritisiert wird, fühlt sich schlecht - den Mechanismus kennen wir alle", sagt Peter Fischer. Der Psychologe erforscht an der Universität Regensburg, wie Menschen Informationen verarbeiten. Alles, was die eigene Meinung und Entscheidungen infrage stelle, würde als Quatsch abgetan oder einfach verdrängt, sagt er: "Im Mittelalter hat man die Überbringer schlechter Nachrichten noch geköpft - die Angst davor steckt noch tief in uns drin."

Bis heute hat der Mensch nicht gelernt, Botschaft und Sender zuverlässig voneinander zu trennen. Mitarbeiter, die etwas am Verhalten ihrer Führungskraft stört, überlegen sich deshalb gut, wie wichtig ihnen die Sache ist und was sie zu verlieren haben. "Wenn ich den Chef jetzt kritisiere, dann würde sich das Führungsverhalten verbessern, die Stimmung im Team wäre besser, aber ich werde bestimmt nicht mehr befördert", rechnet Peter Fischer vor. Am Ende sei den meisten Arbeitnehmern die eigene Karriere wichtiger. Aber stimmt die Rechnung auch? Gefährdet die Kritik am Chef die Aufstiegschancen eines Mitarbeiters?

Wer kritisiert, entwickelt ein Profil

Die Psychologin Bettina Tausendfreund glaubt, das Gegenteil sei der Fall: Den Chef zu kritisieren, könne sogar förderlich für die Laufbahn sein, sagt sie: "Man bekommt nicht sofort Anerkennung für diesen mutigen Schritt, aber langfristig erarbeitet man sich auf diese Weise ein Profil. Die meisten Führungskräfte schätzen Mitarbeiter, die Position beziehen." Diese Beobachtung hat Tausendfreund als Personalentwicklerin, Organisationsberaterin und Führungskräfte-Coach gemacht.

Für diese These spricht auch, dass ein kritischer Mitarbeiter mitdenkt. Wer die Führungskräfte anregt, eine Entscheidung noch mal zu überdenken oder sich seinem Team gegenüber anders zu verhalten, dem geht es in der Regel um mehr als um Dienst nach Vorschrift. Behutsam, da sind sich die beiden Psychologen einig, müssten Mitarbeiter dennoch vorgehen, wenn sie das Vorgesetztenverhalten korrigieren wollen.

Diese Worte sind tabu im Feedbackgespräch

"Kritisiere nie einen Hierarchen öffentlich", ist dann auch eine der wichtigsten Feedback-Regeln, die Karrierecoach Cornelia Topf ihren Klienten mitgibt. Denn dabei werde nicht nur das Ansehen der Person, sondern auch deren Status beschädigt. Wie ernst Angestellte das nehmen sollten, zeigt ein Urteil, das das Bundesverfassungsgericht kürzlich gesprochen hat. Sofern Beschäftigte mit ihrer Kritik massiv den Betriebsfrieden stören, kann ihnen die Kündigung drohen, entschieden die Richter. Im konkreten Fall hatte ein Mann in einem Schreiben an die Belegschaft seinen namentlich genannten Vorgesetzten angeprangert: Beschäftigte würden "wie Zitronen ausgepresst", Alte, Kranke, "Verschlissene" und Leiharbeitnehmer würden gegen die Stammbelegschaft ausgespielt, schrieb er. Das sei für den Arbeitgeber nicht zumutbar, urteilten die Verfassungsrichter - da müsse auch die Meinungsäußerungsfreiheit im Betrieb zurücktreten.

Wer also an einer Fortsetzung der Zusammenarbeit interessiert ist, sollte sein Anliegen besonnener vortragen und aufpassen, dass er auch den richtigen Moment erwischt. Hat die Chefin Zeit? Ist sie emotional in der Verfassung, die Kritik auch anzunehmen? "Am besten sagen Sie der Führungskraft, dass Sie etwas beschäftigt, und fragen, wann sie ein Zeitfenster von etwa 15 Minuten hätte, um das ungestört zu besprechen", rät die Psychologin Bettina Tausendfreund. Ein kurzes Was-ich-dir-noch-sagen-wollte zwischen Fahrstuhl und Bürotür führt schnell zu Missverständnissen und verletzten Gefühlen.

Aber auch im verabredeten Vier-Augen-Gespräch sollten Mitarbeiter nicht alles sagen, was sie ärgert. "Es sollte nach Möglichkeit um ein bestimmtes Verhalten und nicht um Persönlichkeitsfacetten gehen, die man nicht so ohne Weiteres ändern kann", sagt Bettina Tausendfreund. Sehr heikel seien auch Themen, die der andere als sein Spezialgebiet bezeichnen würde. Jemand, der sich für einen guten Moderator hält, wird beispielsweise besonders daran zu knapsen haben, wenn die Art und Weise seiner Gesprächsleitung kritisiert wird.

Anstatt zu bewerten, sollten Mitarbeiter außerdem besser ihre Beobachtungen schildern, sagt die Psychologin. "Fragen Sie sich, welches Verhalten der Führungskraft sie konkret demotiviert oder einschüchtert", rät sie. Zu erklären, was das bei einem auslöst, ist ein weiterer Kniff, um zu zeigen, dass es nicht um Schuld, sondern um Lösungen gehen soll. Aus "Du bist so chaotisch" wird dann "Auf deiner Ablage liegen 25 Mappen, es fällt mir schwer, mich da zurechtzufinden", aus "Sie sind in Besprechungen zu schnell" wird "Mir würde es helfen, wenn Sie mir einen Augenblick länger Zeit ließen, um nachzudenken."

Kluge Taktik: die Sandwich-Strategie

Peter Fischer empfiehlt außerdem die Sandwich-Strategie: Eine Scheibe Kritik wird zwischen zwei Scheiben Lob eingepackt. "Wenn Sie dem Vorgesetzten auch sagen, was er alles gut macht, dann ist er offener für Kritik", sagt der Psychologe. Aber Achtung: "Nur als Taktik funktioniert das nicht, man muss es auch ernst meinen." Schließlich gibt es sogar einzelne Worte, die beim Kritisieren dringend vermieden werden sollten. Formulierungen wie "Sie müssen unbedingt ..." oder "Sie dürfen auf keinen Fall ..." seien tabu, sagt Fischer: "Alles, was dem anderen das Gefühl gibt, er habe keine Wahl, würde ich auslassen." Behelfen können sich die Feedbackgeber stattdessen mit "man könnte" oder "Haben Sie schon mal darüber nachgedacht?"

Doch bei allen Schonungsmaßnahmen und Streichelstrategien gibt es keine Garantie, dass der Chef oder die Chefin die Kritik wohlwollend annimmt. "Ich würde in jedem Fall kleindosiert anfangen", sagt Bettina Tausendfreund. "Wenn ich merke, jemand hält das gut aus und nimmt mir meine Äußerungen auch langfristig nicht übel, kann ich beim nächsten Mal deutlicher und umfangreicher Kritik üben."

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