Familienunternehmen:Wo man schnell Karriere machen kann

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Knausrig bei der Vergütung, wenig international und irgendwo in der Provinz gelegen - mit diesen Vorurteilen werden Familienunternehmen oft konfrontiert. Zu Unrecht. Daher gehen viele von ihnen jetzt neue Wege, um für sich als Arbeitgeber zu werben.

Stefan Weber

Florian Funck, 40, weiß noch gut, wie es war zu Beginn seiner Zeit beim Familienunternehmen Haniel: "Da hat man stillgestanden, wenn das Telefon klingelte und im Display die Nummer des Vorstandschefs aufleuchtete." Andererseits hat es ihm sehr gefallen, dass man sich auch in der obersten Führungsetage dafür interessierte, wie er als junger Betriebswirt mit der Arbeit vorankam. Funck hat rasch Karriere gemacht bei Haniel. Seit Juli ist er Finanzchef des mehr als 255 Jahre alten Duisburger Konzerns. Und wenn Funck gefragt wird, warum es für Hochschulabsolventen reizvoll sein kann, ihre Karriere in einem Familienunternehmen zu starten und nicht bei einer Publikumsgesellschaft, betont er vor allem eins: "Die Hierarchien sind flach, und die Karrierepfade können schnell nach oben führen." Dafür ist Funcks Werdegang der beste Beweis.

Auf dem Leistungsprüfstand beim Autozulieferer Bosch: Einer Studie zufolge ist das Unternehmen der attraktivste Arbeitgeber in Familienbesitz. (Foto: picture alliance / dpa)

Im Wettstreit um die sogenannten High Potentials, also Nachwuchskräfte, denen besonders gute Karrierechancen eingeräumt werden, erkennen Familienunternehmen, dass sie ihre lange Zeit geübte Zurückhaltung aufgeben müssen. Junge Talente sind nicht zuletzt aus demografischen Gründen knapp. Und Absolventen, die sich auf dem Arbeitsmarkt umschauen, liebäugeln zu allererst mit einer Karriere bei einer großen bekannten Publikumsgesellschaft. "Familienunternehmen stehen dagegen in der Wahrnehmung vieler Bewerber oft nur in der zweiten Reihe. Sie gelten als vergleichsweise unattraktive Arbeitgeber", heißt es in einer Studie der Stiftung Familienunternehmen. Eine Ausnahme sind allenfalls große Familienunternehmen wie der Bosch-Konzern. Der ist nach einer Befragung der Unternehmensberatung Kienbaum unter Wirtschaftsstudenten der attraktivste Arbeitgeber in Familienbesitz. Auf den Plätzen folgen Henkel und Bertelsmann.

Nach Beobachtung von Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung, haben junge Akademiker oft falsche Vorstellungen, wie es in Familienunternehmen zugeht. Die häufigsten Vorurteile lauteten: Geringe Reputation, wenig international orientiert, knausrig bei der Vergütung und ein Standort irgendwo in der Provinz. Dass solche Meinungen kursieren, ist für Heidbreder auch Schuld der Firmen. Sie seien zu verschlossen und zeigten sich zu wenig auf dem Arbeitsmarkt. Richtig dagegen sei, dass gerade große Familiengesellschaften sehr stark auf den Weltmärkten vertreten seien. Und niedrigere Gehälter zahlten die Familienfirmen allenfalls Berufseinsteigern. Später glichen sich die Bezüge an.

Um mit jungen Akademikern besser ins Gespräch zu kommen und für sich als Arbeitgeber zu werben, gehen viele Familienunternehmen neue Wege. Sie machen mit bei Recruiting-Veranstaltungen, die nicht auf Größe oder Masse abzielen, sondern, bei denen es darum geht, im persönlichen Gespräch mit Bewerbern Kontakte zu knüpfen. Etwa beim "Heiratsmarkt" der Universität Witten Herdecke. Der gleicht weniger einer Jobmesse als einem Kaminabend, bei dem sich Nachwuchskräfte und Unternehmen näher kommen können. Oder beim "Karrieretag Familienunternehmen", den die Stiftung zusammen mit dem Entrepreneurs-Club München sowie führenden Familienunternehmen vor fünf Jahren gegründet hat. Zweimal im Jahr laden zwei Dutzend Firmen etwa 400 hoch qualifizierte Nachwuchskräfte ein, um sich vorzustellen. Darunter sind hidden Champions wie die ACO-Gruppe, Weltmarktführer in der Entwässerungstechnik, aber auch bekannte Namen wie Sixt, und Hilti. Oder eben Haniel, in deren Räumlichkeiten der Karrieretag gerade stattgefunden hat.

Ausgerechnet Haniel, wo es zuletzt wenig familiär und harmonisch zuging. Stattdessen beherrschten Führungsstreitigkeiten und Personalwechsel die Schlagzeilen. Dies zeigt, dass es - anders als viele Bewerber vermuten - in Familienunternehmen nicht kuscheliger zugeht als anderswo. Schreckt solches Getöse die Bewerber ab? Finanzchef Funck räumt ein, dass dies bei Nachwuchsmanagern "zu Fragen führt". Wenn dies nicht so wäre, "würde mich das auch an den Bewerbern zweifeln lassen", meint er. Da helfe nur, die Sachen offen und ehrlich anzusprechen. Dass die jüngsten Querelen das Renommee von Haniel auf lange Sicht ankratzen, kann sich auch Heidbreder nicht vorstellen: "Für viele Familienunternehmen ist Haniel ein Vorbild."

© SZ vom 06.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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