Familienfreundliche Arbeitszeiten:"Werden Sie kreativ"

Arbeitszeiten in Deutschland sollen flexibler und familienfreundlicher werden. Dafür setzen sich Kanzlerin Merkel und Familienministerin Schröder persönlich ein.

Die Frauenquote lehnt sie ab, das heißt jedoch nicht, dass sich nichts ändern muss: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft scharf kritisiert. Es sei ein "ziemlicher Skandal", dass in den 200 größten deutschen Unternehmen nur drei bis vier Prozent dieser Funktionen mit Frauen besetzt seien, sagte sie auf einer Tagung zu familienfreundlichen Arbeitszeiten in Berlin.

Spitzengespraech Initiative 'Familienbewusste Arbeitszeiten'

Angela Merkel will bis 2013 für familienfreundlichere Arbeitszeiten in deutschen Unternehmen sorgen.

(Foto: dapd)

Trotz der vor zehn Jahren vereinbarten Selbstverpflichtung sei wenig passiert. Die Bundesregierung wolle den Unternehmen "noch eine Chance" geben, an der Situation etwas zu verbessern. "Seien Sie kreativ, sonst werden wir kreativ sein", rief Merkel den anwesenden Spitzenvertretern der Wirtschaftsverbände mit Blick auf die Debatte um eine Quote für Frauen in Firmenvorständen und Aufsichtsräten zu. Die von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geforderte schnelle Einführung einer solchen Quote hatte die Kanzlerin jedoch abgelehnt.

Dringenden Handlungsbedarf gibt es nach Ansicht Merkels bei der Schaffung von familienfreundlichen Arbeitszeiten in der Wirtschaft. Darauf legten auch immer mehr junge Väter Wert. "Der Wunsch nach mehr Zeit für Familie steht bei berufstätigen Eltern ganz oben auf der Prioritätenliste", erklärte Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Zugleich müssten sich die Unternehmen wegen Fachkräftemangels als "attraktive Arbeitgeber" in Position bringen.

In einer von Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern unterzeichneten Charta wird dazu aufgerufen, die Chancen familienbewusster Arbeitszeiten aktiver zu nutzen. "Mit dieser Erklärung rufen wir alle Akteure dazu auf, die Chance familienbewusster Arbeitszeiten und innovativer Arbeitszeitmodelle im Interesse des Wirtschaftsstandortes Deutschland aktiv zu nutzen", heißt es in der Erklärung. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, Fortschritte hierbei seien auch ein Schlüssel, um mehr Frauen in Führungspositionen der Unternehmen zu bringen.

"Die Unterschrift unter die Charta ist für mich ein hoffnungsvolles, ein gutes Zeichen, ein wichtiger Schritt", würdigte die Kanzlerin die Erklärung von Politik, Verbänden und Gewerkschaften. Angesichts der demografischen Probleme und des wachsenden Fachkräftemangels seien familienfreundliche Arbeitszeiten zwingend und nicht nur Frauen-, sondern auch Männersache. "Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine Zukunftsfrage", unterstrich die CDU-Chefin.

Nach der Charta sollen unter anderem bis 2013 die Bedingungen geschaffen sein, dass Familien "bedarfsgerecht dauerhafte und verlässliche Betreuungsmöglichkeiten" für ihre Kinder haben.

Familienministerin Schröder forderte auch ein Umdenken in den Unternehmen. Es bedürfe einer Kultur des Respekts vor familiärer Verantwortung. Beim Thema Arbeitszeit könne mit einer Vielzahl von flexiblen Modellen zwischen Teilzeit und Vollzeit die Chance verbessert werden, dass Frauen und Männer Beruf und Familie besser vereinbaren können. Die Präsenzkultur, die festsitzende Überzeugung, dass der beste Mitarbeiter derjenige sei, der lange am Schreibtisch sitze, müsse abgelegt werden. "Vielleicht ist derjenige auch der Ineffizienteste", gab Schröder zu bedenken. Wer weniger Zeit zur Verfügung habe, arbeite wesentlich zielgerichteter und häufig besonders strukturiert.

Eine wesentliche Voraussetzung sei auch, dass Eltern auf mehr Betreuungsgmöglichkeiten zurückgreifen könnten; hier komme es insbesondere auf den Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Pflege für unter Dreijährige an. Wer seinen Führungskräften jedoch kein geeignetes Modell zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf anbiete, werde sie ganz verlieren. Das zeige eine Studie unter Fachkräften: Auf die Frage, was wichtiger sei bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers - familienfreundliche Angebote oder das Gehalt - hätten 70 Prozent die Familienfreundlichkeit als ebenso wichtig oder wichtiger als bezeichnet. Über zwei Drittel der Befragten könnten sich vorstellen, für eine bessere Vereinbarkeit der Arbeitgeber zu wechseln, mehr als jeder Vierte habe das bereits getan. .

Im Frühjahr 2013 soll eine Bilanz gezogen werden. Die Opposition kritisierte den Vorstoß als vage Versprechung. Selbstverpflichtungen reichten nicht aus, erklärte die SPD-Familienpolitikerin Caren Marks.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: