Junge Frauen und Männer gehen heute selbstverständlich davon aus, dass sie in Beruf und Partnerschaft gleiche Chancen und Rechte haben, und sie wollen sich die Arbeit teilen. Aber die, denen das gelingt, werden oft unglücklich: Denn Frauen, die nicht arbeiten, sind zufriedener mit ihrem Leben als erwerbstätige Frauen. Und Eltern, die beide gleichermaßen arbeiten und sich um Kind und Haushalt kümmern, sind unzufriedener als solche, die traditionellen Rollenmustern mit einem männlichen Hauptverdiener folgen. Das geht aus einer Studie des Roman-Herzog-Instituts hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt und sich der Frage widmet: "Wie viel Familie verträgt die moderne Gesellschaft?" Das Institut wird von den bayerischen Arbeitgeberverbänden getragen.
Die Familienökonomin Susanne Seyda vom Institut für Wirtschaft in Köln, die an der Studie mitgewirkt hat, sagt: "Die Unzufriedenheit erwerbstätiger Frauen hat mich auch sehr überrascht." Denn bei Männern ist es genau andersherum. Männer in egalitären Partnerschaften kreuzten auf die Frage "Wie zufrieden sind Sie, gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben?" auf einer Skala von eins bis zehn niedrigere Werte an als Väter im Alleinverdiener-Modell. Dabei befürworten in Umfragen eigentlich viele Paare eine gleichberechtigte Aufteilung, und etwa jede fünfte Mutter mit unter fünf Jahre alten Kindern wünscht sich, dass beide Vollzeit arbeiten. Auch von der Politik wurde die gleichberechtigte Elternschaft als gewollt gesehen und erleichtert. So können seit den neunziger Jahren auch Väter drei Jahre Elternzeit nehmen; im Jahr 2007 kam das Elterngeld hinzu.
Volkswirtin Seyda und ihre Mitautoren liefern mehrere Thesen, was die gleichberechtigte und vor allem die Doppel-Verdiener-Familie unzufrieden macht. So sei es nach wie vor einfacher, traditionellen Rollenmustern zu folgen. "Es ist zwar mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert für Frauen, Karriere zu machen. Aber als Mann lange Elternzeit zu nehmen oder Teilzeit zu nehmen, wird noch nicht so sehr akzeptiert." Das gilt vor allem in der Wirtschaft: Eine Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem Titel "Väter zwischen Karriere und Familie" hält zum Beispiel fest, dass zwar immer mehr Firmen auf Familienfreundlichkeit setzen, sich aber viele auf die Bedürfnisse von Frauen konzentrieren, und nicht Väterfreundlichkeit im Sinn haben.
Seyda führt daneben auch die Doppelbelastung von Beruf und Haushalt an. Der "Organisationsstress", Kinderbetreuung, die Arbeitszeit beider Elternteile und die Familienzeit zu koordinieren, trifft Frauen nach wie vor stärker als Männer. Drei Viertel aller Mütter bewältigen den größeren Teil von Erziehung und Hausarbeit, auch bei den Vollzeitberufstätigen ist es mehr als die Hälfte. Unzufrieden seien viele erwerbstätige Frauen womöglich auch deshalb, weil sie sich bei Bildung und Einkommen nicht mehr nur mit Frauen, sondern mit Männern und deren oft höheren Einkommen vergleichen. Schließlich seien viele Familien finanziell darauf angewiesen, dass beide Elternteile arbeiten - obwohl sie sich ein anderes Modell wünschen.
Einiges deutet darauf hin, dass gerade die Finanzlage, die für die Lebenszufriedenheit von großer Bedeutung ist, die Ambitionen von Vätern begrenzt, Teilzeit zu arbeiten. So zeigt eine Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zur Entlohnung von Teilzeitkräften von 2010, dass "insbesondere hochqualifizierte" Männer "durch die Abweichung vom Normalarbeitsverhältnis finanzielle Einbußen hinnehmen" müssten, prozentual seien bei ihnen die Einkommenseinschnitte höher als bei Frauen. Auch die Studie des Roman-Herzog-Instituts zeigt: Teilzeitbeschäftigte Männer sind unzufriedener als vollzeitbeschäftigte; bei Frauen findet sich hier kein Zusammenhang.
Die Autoren haben zudem Vorschläge gemacht, wie die Wirtschaft dieser Unzufriedenheit begegnen könne. Schließlich sind Arbeitgeber wegen Fachkräftemangels und demographischen Wandels darauf erpicht, Mütter früher wieder in den Beruf zurückzuholen, aber Väter möglichst in Vollzeit dort zu halten. Die Vorschläge lauten daher: Kinderbetreuung ausbauen und Regelungen in Steuer- und Sozialsystem abbauen, die Alleinverdiener-Modelle begünstigen. Ziel müsse sein, dass sich Paare für das Lebensmodell ihrer Wahl entscheiden können - ohne in eine Ecke gedrängt zu werden.
Bemerkenswert ist, dass auch das arbeitgebernahe Institut anklingen lässt, es seien "bislang nur" 16,2 Prozent der Unternehmen, die Väter zur Elternzeit ermutigen. Und "auch wenn es aus ökonomischer Sicht geboten ist, das Erwerbspersonenpotential möglichst vollständig auszuschöpfen, kann das Ziel nicht sein, nun schwerpunktmäßig und einseitig das Doppelverdiener-Modell zu fördern". Auf die Eingangsfrage, wie viel Familie die moderne Gesellschaft derzeit verträgt, antworten die Autoren nur indirekt: noch nicht genug.
Abgesehen von der Frage des Erwerbsmodells gibt es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Alle ziehen größere Zufriedenheit aus steigendem Einkommen, mehr Freizeit und Gesundheit, während sich Kinder weder positiv noch negativ auf die Lebenszufriedenheit auswirken. Zur Analyse der Zufriedenheit haben die Wissenschaftler Daten des Sozio-oekonomischen Panels ausgewertet - Ergebnisse einer Wiederholungsbefragung, die im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin seit 25 Jahren läuft. Seitdem ist die Lebenszufriedenheit - für Ostdeutschland gibt es nur Daten für die Zeit seit der Wende - kontinuierlich gesunken. Westdeutsche Männer und Frauen sind mit ihrem Leben zufriedener als Menschen in Ostdeutschland.