Familie und Beruf:Karriere mit Kind

Mütter mit natur- und ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung sind erfolgreicher als ihre Kolleginnen ohne Nachwuchs.

Wiebke Rögener

Kinder müssen keine Karrierekiller sein. Akademikerinnen mit Nachwuchs klimmen die Leiter des beruflichen Erfolgs sogar oft höher hinauf als ihre kinderlosen Kolleginnen. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt die Soziologin Yvonne Haffner von der Technischen Universität Darmstadt, die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums die Chancen von Männern und Frauen in Naturwissenschaft und Technik untersucht hat. Ihr Team befragte 9000 Mitglieder ingenieur- und naturwissenschaftlicher Fachgesellschaften, davon gut die Hälfte Frauen, zu ihrer beruflichen Situation. Je nach Fach arbeiteten 50 bis 75 Prozent von ihnen in der freien Wirtschaft.

Spielende Kinder

Vorteil Kind: "Mütter haben Kompetenzen, die auch für Unternehmen wichtig sind".

(Foto: Foto: photodisc)

Viele andere unerfreuliche Erwartungen bestätigten sich dabei allerdings: Frauen haben zwar die besseren Abiturnoten, studieren schneller und gehen häufiger für einen Studienaufenthalt ins Ausland. Trotz dieser weiblichen Vorzüge besetzen Männer aber weit mehr Führungspositionen. So sind nach Kriterien wie Einkommenshöhe und Personalverantwortung 28 Prozent der Männer beruflich "sehr erfolgreich", aber nur 13 Prozent der Frauen. In der niedrigsten Kategorie "wenig erfolgreich" ist es umgekehrt. Insgesamt haben von den Befragten weniger Frauen als Männer Kinder: Bis zum 31. Lebensjahr sind es bei beiden Geschlechtern zwar noch jeweils zehn Prozent; unter den über 50-jährigen Frauen haben aber nur 70 Prozent Kinder, während es bei den Männern in diesem Alter über 80 Prozent sind. Bei Informatikern und Ingenieuren zwischen 41 und 50 Jahren beträgt der Unterschied zwischen den Geschlechtern sogar über 20 Prozentpunkte.

Nach wie vor steht hinter einem aufstrebenden Wissenschaftler oft eine Ehefrau, die ihm den Rücken freihält und auf die eigene Karriere verzichtet oder zurücksteckt: Ein Drittel der Männer hat eine nicht erwerbstätige Partnerin, bei 75 Prozent blieb die Frau mindestens ein Jahr für die Kinderbetreuung zu Hause. Dagegen konnten nur sechs Prozent der Frauen auf einen Partner zählen, der sich zumindest ein Jahr ums Baby kümmerte.

Vorurteile der Chefs

Mit Hilfe von Tagesmüttern, Krippen und Kindergärten schaffen sie es offenbar dennoch, Erfolg und Erziehung zu vereinbaren: Von den Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen mit Kindern sind fast 40 Prozent im Beruf "erfolgreich" oder "sehr erfolgreich", unter ihren kinderlosen Kolleginnen sind es weniger als 30 Prozent. Der Verzicht auf Kinder erhöht die Karrierechancen nicht, folgern die Autorinnen der Studie. Allerdings gelte dies nur, wenn ausschließlich Frauen betrachtet werden, die ihren Beruf tatsächlich ausüben. All jene, die ihn der Familie wegen an den Nagel gehängt haben, bleiben dabei außer Acht.

Karriere mit Kind

"Frauen, die mit Kindern beruflich am Ball bleiben, haben Kompetenzen, die auch für Unternehmen wichtig sind", sagt die Soziologin Susanne Ihsen, die an der Technischen Universität München zu Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften arbeitet. "Belastbarkeit, Organisationstalent und Fähigkeiten im Krisenmanagement bewähren sich nicht nur, wenn plötzlich drei Schulstunden ausfallen, sondern sind auch im Beruf wichtige Talente." Etliche Firmen würden dies inzwischen erkennen.

Es sei ohnehin ein Mythos, dass die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit das einzige Hindernis für Akademikerinnen darstellt, sagt Inken Lind vom Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung in Bonn. "Wissenschaftlerinnen mit Kindern publizieren nicht weniger als kinderlose." Dennoch befänden sie sich in einer schwierigen Situation - auch wegen der Vorurteile und Widerstände von Vorgesetzten und Kollegen, die Müttern weniger Leistung zutrauen.

Ähnliches erfahren inzwischen auch Männer. Während die Kinderlosigkeit unter jungen Wissenschaftlerinnen fast unverändert bei knapp 80 Prozent liegt, steigt sie bei männlichen Kollegen stark an, wie im vergangen Jahr eine Untersuchung im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung zeigte. Eine Studie des hochschuldidaktischen Zentrums der Universität Dortmund bestätigte kürzlich diesen Trend: An den Universitäten Nordrhein-Westfalens ging der Anteil der kinderlosen Nachwuchswissenschaftlerinnen von 1994 bis 2004 von fast 79 auf 78 Prozent leicht zurück, bei ihren männlichen Kollegen stieg er von 68 auf 71 Prozent.

Offenbar sind Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen aber besser dran als Frauen in anderen Berufen. Denn insgesamt sind Frauen mit Kindern immer noch im Nachteil, stellte das Statistische Bundesamt im vergangenen Jahr fest: Nur zehn Prozent der Frauen, die verheiratet sind und Kinder haben, bekleiden Führungspositionen, unter den kinderlosen Single-Frauen sind es 17 Prozent. Susanne Ihsen nennt einen Grund, warum Wissenschaftlerinnen besser abschneiden: "Viele Mütter arbeiten auf Teilzeitstellen und sind damit bei Beförderungen benachteiligt. In den akademischen Berufsfeldern arbeiten dagegen auch Frauen mit Kindern meist Vollzeit." Schwierig zu organisieren, aber für die Karriere von Vorteil.

Besonders erfolgreich sind Frauen, wenn sie sich nicht mit starren Arbeitszeiten oder traditionellen Erwartungen ihrer Chefs und Kollegen herumschlagen müssen: Selbstständige Frauen haben weit mehr Erfolg als angestellte, ergab die Studie im Auftrag des Forschungsministeriums. So ist unter den sehr erfolgreichen Ingenieurinnen mit Kindern jede zweite selbstständig, fast alle weniger erfolgreichen Kolleginnen sind abhängig beschäftigt.

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