Fachkräftemangel:Studierte Techniker gesucht

Die Lücke bei Fachkräften mit technischem Studium ist so groß wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr, obwohl von den Hochschulen mehr Absolventen kommen. Aber wie viele Stellen sind tatsächlich frei und wer sind die Bewerber?

Thomas Öchsner

Der deutschen Wirtschaft fehlten im Februar 117.000 Akademiker in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT). Dies geht aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. "Wir haben hier einen nahezu leergefegten Arbeitsmarkt", sagt IW-Geschäftsführer Hans-Peter Klös. Allein im Februar habe sich die Lücke um 21.000 Personen vergrößert. Sie ist nun so groß wie seit dem Boomjahr 2000 nicht mehr - Kehrseite des neuen Aufschwungs, der Deutschland überraschend heftig erfasst hat. Damals fehlten den Arbeitgebern mehr als 180.000 dieser Fachkräfte. Immerhin: Die Versuche der Wirtschaft, mehr Menschen für ein technisch-naturwissenschaftliches ausgerichtetes Studium zu bewegen, zeigen erste Erfolge.

Elektromaschinenhersteller VEM Sachsen

Ein Ingenieur und seine Maschine: Eine Ständerfertigung eines großen Generators im im VEM Sachsenwerk GmbH in Dresden. Die Anlage gehört zu den modernsten ihrer Art in Deutschland.

(Foto: dpa)

Der Bedarf

Viele MINT-Akademiker gehen in den Ruhestand. Allein deswegen werden in den nächsten Jahren jährlich gut 50.000 entsprechende Hochschulabsolventen benötigt. Zusätzlich braucht die Wirtschaft noch mal mehr als 60.000 dieser Akademiker. Der Gesamtbedarf liegt damit deutlich höher als 100.000 - und wird weiter auf 120.000 steigen.

Die Hochschulabsolventen

Ihre Zahl hat sich kräftig erhöht. Im Jahr 2000 waren es noch 58.000 Erstabsolventen, 2009 bereits 95.000 - aber immer noch weniger als der Gesamtbedarf. Der positive Trend hängt vor allem damit zusammen, dass mehr Abiturienten ein Hochschulstudium abschließen. Der Anteil der MINT-Kräfte hat im selben Zeitraum nur leicht zugenommen.

Die Abbrecher

Viele Studenten mit einem technisch oder naturwissenschaftlichen Fach wechseln wieder: 40 Prozent der MINT-Anfänger an Universitäten und 20 Prozent an Fachhochschulen erreichen keinen Abschluss. "Hier ist eine Menge Luft für Verbesserungen", sagt deshalb Barbara Dorn, Abteilungsleiterin Bildung in der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Dorn denkt dabei auch an die Hochschullehrer: "Es ist kein Beweis von Qualität, wenn bei Maschinenbau-Prüfungen 80 Prozent durchfallen. Professoren, die sich damit rühmen, haben ihren Beruf verfehlt." Die BDA-Vertreterin fordert auch, den Zugang zur Universität zu erleichtern. Wer eine berufliche Ausbildung habe, sollte auch studieren können.

Vorbild Kanada

Die Arbeitslosen

Vorbild Kanada

Die Zahl der arbeitslosen Techniker und Naturwissenschaftler ist von 200.000 im Jahr 2004 bis auf 87.000 zurückgegangen - immer noch eine erstaunliche Größe angesichts des Fachkräftemangels. Nach Angaben von IW-Geschäftsführer Klös liegt dies vor allem daran, dass die Qualifikationen von Langzeitarbeitslosen veraltet seien. Hinzu kommt das regionale Ungleichgewicht: In Baden-Württemberg und Bayern suchen die Metall- und Elektroindustrie vor allem Ingenieure, etwa für den Fahrzeugbau - in den neuen Bundesländern sind aber Architekten oder Bauingenieure ohne Job.

Die Frauen

Der weibliche Anteil an den Hochschulabsolventen nahm im vergangenen Jahrzehnt stetig zu. Trotzdem sind nur knapp ein Drittel der MINT-Absolventen Frauen. "Es sollten aber mindestens 40 Prozent sein", sagt BDA-Expertin Barbara Dorn. Um Frauen in den Betrieben zu halten, seien noch mehr familienfreundlichere Arbeitszeiten nötig. In den Unternehmen sei dabei schon viel geschehen. "Hier müssen wir aber noch ein bisschen nachlegen, räumt Gabriele Sons, Hauptgeschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall ein.

Die Ausländer und Einwanderer

Die Wirtschaftsverbände verlangen effizientere Regeln, um ausländische Fachkräfte leichter anwerben und halten zu können. Hoch qualifizierte Ausländer, die nicht aus der EU kommen und auf Dauer in Deutschland bleiben dürfen, müssen bisher zumindest 66.000 Euro im Jahr verdienen. Die Wirtschaft verlangt, diese Grenze um ein Drittel zu verringern. Nötig sei außerdem ein Punktesystem wie in Kanada, das den Zuzug von Fachkräften steuert; darauf hat sich die Koalition nicht einigen können. Erste Fortschritte bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse soll ein Gesetzesentwurf bringen, den das Kabinett an diesem Mittwoch verabschieden will.

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