Fachkräfte in Rente:Kann man Erfahrung outsourcen?

Unternehmen mit vorwiegend jungen Mitarbeitern mangelt es oft an Know-How. Das Netzwerk "Erfahrung Deutschland" holt Mitarbeiter aus der Rente zurück in die Arbeitswelt.

Alexandra Straush

Mit erfahrenen Mitarbeitern geht auch das Wissen in Rente. Immer mehr Unternehmen haben Probleme, diese Know-how-Lücke mit geeignetem Nachwuchs zu füllen. Stefan Haas, Geschäftsführer des Netzwerks "Erfahrung Deutschland", verspricht schnelle Hilfe: Er vermittelt Problemlöser, die längst im Ruhestand sind.

Rentner; AP

In Rente, aber nicht überflüssig: Wegen ihres Know-Hows kehren erfahrene Mitarbeiter nun in die Betriebe zurück.

(Foto: Foto: AP)

SZ: In gerade mal 48 Stunden finden Sie Arbeitskräfte, nach denen Personaler sonst monatelang suchen müssen. Wie machen Sie das?

Stefan Haas: Wenn Sie ein Problem haben, gibt es in einer Umgebung von zehn Kilometern sicher zehn Leute, die es lösen können. Sie müssen nur die Adressen kennen. Wir haben zweieinhalb Jahre gebraucht, um eine Datenbank mit 6500 Kontakten aufzubauen. Dabei handelt es sich um Spezialisten, die mindestens 54 Jahre alt sind und Spaß daran haben, auch im Alter zu arbeiten. Wenn Firmen anfragen, geben wir Experten-Profile in anonymisierter Form weiter und bringen so die Parteien zusammen.

SZ: Warum arbeiten sie gerade mit Ruheständlern?

Haas: Unser Rentenalter stammt aus der Zeit von Otto von Bismarck. In manchen Firmen müssen sie mit 60 Jahren gehen, selbst wenn Sie noch Mehrwert bringen. Wenn jemand im Ruhestand ist, heißt das also noch lange nicht, dass er ein schlechter Performer ist. Manche Leute sind mit 60 wesentlich besser als mit 30. Außerdem haben Ruhständler zeitliche Freiräume und sind bei Anfragen schnell verfügbar.

SZ: Klingt nach einer Zeitarbeitsfirma für Rentner.

Haas: Auf keinen Fall. Unsere Experten sind finanziell unabhängig, der Einsatz bei uns ist für sie die Kür. Wir sehen uns eher als einen Marktplatz für Erfahrungswissen oder eine Art Technologietransfer - von alt zu jung.

SZ: Können die Betriebe dieses Problem nicht selber lösen?

Haas: Schlaue Firmen kümmern sich selber darum, den Kontakt zu ihren Ehemaligen zu halten. Aber das tun eben nicht alle. Wenn sie dann Nachwuchs suchen, ist so schnell keiner zu finden. Das gilt vor allem für Mittelständler oder Branchen mit speziellen Anforderungen. Techniker, die das Monitoring für ein Kraftwerk in China übernehmen, sind zum Beispiel so selten wie Rohdiamanten. Oder finden Sie mal jemanden, der die Erfahrung mitbringt, eine Papierfabrik in Madagaskar aufzubauen und ans Laufen zu bringen. Unter Ruheständlern ist das einfacher. Selbst wenn sie mal im Ausland gelebt haben, gehen sie schließlich in Deutschland in Rente und sind so wieder verfügbar.

SZ: Können sich die Externen denn so einfach in fremde Betriebe einfügen?

Haas: Das funktioniert recht gut. Unsere Leute müssen sich nicht profilieren oder am Stuhl anderer sägen. Sie bleiben so lange, bis ein Problem gelöst oder ein junger Kollege eingearbeitet ist, und gehen dann wieder. Deshalb ist ihre Akzeptanz im Unternehmen sehr hoch.

SZ: Bauen Sie nicht auch eine Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt auf?

Haas: Wir vermitteln keine künftigen Firmenleiter. Die Senior-Experten haben kein Interesse an einer Linienposition. Stattdessen übernehmen sie auch Aufgaben, an denen ein junger Kollege kein Interesse hätte, etwa die auf ein Jahr befristete Überwachung einer Großbaustelle. Gerade junge Ingenieure, die sich die Arbeitgeber aussuchen können, suchen eher eine Beschäftigung auf Dauer. Dasselbe Denken herrscht in den Personalabteilungen: In den meisten Branchen ist die herkömmliche Festanstellung immer noch die Regel. Unsere Freelancer sind nur eine Übergangslösung.

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