Fachkräfte aus dem Ausland:Zuwanderer dringend gesucht

Die Debatte um ausländische Arbeitskräfte ist in vollem Gange - dabei kommen sie längst. Doch nicht einmal die EU-Osterweiterung kann den deutschen Fachkräftemangel lindern.

Roland Preuß

Kaum ist die schwerste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren vorüber, reden die Unternehmen schon wieder über einen Mangel an Fachkräften. Bei einer DIHK-Umfrage unter 1600 Unternehmen beklagten im Sommer gut zwei Drittel der Betriebe, nicht die nötigen Fachkräfte zu finden. Dem Drängen der Wirtschaft, mehr qualifizierte Inder, Chinesen oder Pakistaner ins Land zu holen, will Horst Seehofer jedoch nicht nachgeben. "Den Fachkräftemangel beheben wir nicht durch Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen", sagte er jüngst in einem Interview. Vom kommenden Mai an könnten ohnehin Arbeitnehmer aus den neuen EU-Staaten im Osten in Deutschland arbeiten, sagt der CSU-Chef, eine weitere Öffnung sei da nicht nötig.

Grafik Zuwanderung

Trotz Zuwanderung fehlt es Deutschland an Fachkräften.

(Foto: SZ Grafik)

Fachleute halten wenig von diesem Argument - aus einem einfachen Grund: Der Arbeitsmarkt für Akademiker aus Polen, Tschechien und den osteuropäischen EU-Ländern ist längst offen. "Das Argument Seehofers ist Augenwischerei, weil Hochqualifizierte schon seit Anfang 2009 die volle Freizügigkeit genießen", so die Vorsitzende des unabhängigen Sachverständigenrats Migration und Integration, Gunilla Fincke, zur Süddeutschen Zeitung. Dies hatte noch die große Koalition so entschieden.

Demnach kann jeder EU-Bürger aus dem Osten mit einem Hochschulabschluss ohne bürokratische Prüfungen eine Stelle in Deutschland annehmen. Einzige Bedingung: Er muss in seinem Fachgebiet arbeiten - also nicht als Fernfahrer - und darf nicht zu Dumpinglöhnen schuften. "Auch nach der Öffnung im Mai 2011 ist deshalb nicht mit mehr Akademikern aus dem Osten zu rechnen", sagt Fincke. "Dies reicht bei weitem nicht, den Fachkräftemangel zu beheben."

Erwartet werden dagegen mehr Menschen ohne akademischen Abschluss. Eine aktuelle Untersuchung für die Friedrich-Ebert-Stiftung schätzt, dass nach der Öffnung zunächst zwischen 51.000 und 134000 neue EU-Bürger jährlich zuwandern werden, in späteren Jahren dann weniger. Diejenigen, die zusätzlich kommen, werden nach Einschätzung Finckes in der Regel keine Akademiker sein.

Bei der Anwerbung von Fachkräften hat Deutschland nach wie vor eine schlechte Bilanz zu verzeichnen, wie aus Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hervorgeht. Demnach haben in den vergangenen Jahren sogar mehr und mehr Qualifizierte wieder das Land verlassen (siehe Grafik). Insbesondere Fachkräfte mit einem mittleren bis hohen Einkommen wie Wissenschaftler und mittlere Führungskräfte ziehen wieder fort. Auch Hochqualifizierte verlassen häufiger das Land. Klare Ursachen können die Forscher des Bundesamtes nicht benennen. Der Rückgang im vergangenen Jahr dürfte mit der Wirtschaftskrise und Entlassungen zusammenhängen. Allerdings verzeichnete die Behörde bereits im Boomjahr 2008 eine höhere Abwanderung. Zugleich zieht es weniger Fachkräfte mittleren Einkommens nach Deutschland.

Die Bundesregierung kündigte am Mittwoch an, es werde eine Arbeitsgruppe zum Thema "Fachkräfte der Zukunft" eingerichtet, um das Problem in den Griff zu bekommen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) drängt seit Monaten auf einen leichteren Zuzug für Fachkräfte. Dies, sagte ein Regierungssprecher, sei aber nach wie vor nicht geplant.

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