Expats:Arbeiten unter Kontrolle

Expats: Einkaufszentrum in Dschidda: Ungefähr ein Drittel der jungen Saudis ist arbeitslos - freiwillig.

Einkaufszentrum in Dschidda: Ungefähr ein Drittel der jungen Saudis ist arbeitslos - freiwillig.

(Foto: Hassan Ammar/AFP)

Nordkorea und Saudi-Arabien sind abgeschottet vom Rest der Welt. Auch Deutsche, die dort eine Stelle antreten, werden streng überwacht. Wie fühlt sich das an?

Von Juliane von Wedemeyer

Selten leben Menschen so abgeschottet vom Rest der Welt wie in Nordkorea oder Saudi-Arabien. In dem einen Land herrscht ein kommunistischer Diktator, in dem anderen ein Königshaus und die Scharia. Der deutsche Hotelfachmann Toni Riethmaier und die Entwicklungshelferin Regina Feindt haben dort gearbeitet.

"Ein Headhunter hatte mich nach Dschidda geholt. Ich sollte als Teil des Management-Teams ein italienisches Restaurant mit 500 Sitzplätzen, einem Feinkostladen samt Eisdiele und Bäckerei aufbauen. Meine Kollegen kamen aus der ganzen Welt: von den Philippinen, aus Indien, Bangladesch, Tunesien, Syrien, Ägypten, Libanon. Ein Schweizer als Geschäftsführer und drei italienische Köche waren auch dabei. Unter den 100 Mitarbeitern gab es nur zehn Saudis. Berufe im Service sind dort nämlich nicht besonders beliebt.

Dafür haben in unserem Laden sogar drei saudische Frauen gearbeitet. Die Inhaberfamilie war da regelrecht revolutionär. In Saudi-Arabien herrscht immerhin Geschlechtertrennung. Selbst in Restaurants speisen allein stehende Männer getrennt von Frauen und Familien. Natürlich waren unsere Mitarbeiterinnen verschleiert und trugen Abayas: eine Art Überkleid, bei uns in Olivgrün mit dem Logo des Restaurants.

Wir haben die italienischen Speisen ohne Schweinefleisch und Alkohol zubereitet. Die Arbeit an sich hat sich von der in anderen Küchen weltweit aber nicht unterschieden. Unsere Arbeitssprache war Englisch. Doch das sprechen in der Regel nur die Saudis, die im Ausland studiert haben wie unser Manager für Human Resources. Das hatten die meisten unserer saudischen Kollegen nicht. Um mit ihnen zu kommunizieren, war ich anfangs auf den Human-Resources-Manager angewiesen, der dann übersetzt hat. Mit der Zeit habe ich aber Arabisch gelernt. Schließlich habe ich zehn Jahre dort gelebt. Ich habe mit meinen saudischen Kollegen auch mal über Privates gesprochen, doch Kontakt über die Arbeit hinaus hatten wir so gut wie nie. Das lag sicher auch daran, dass ich ihr Vorgesetzter war.

Die Gespräche mit Einheimischen blieben oft oberflächlich: Es ging um Urlaub, Sport oder welche Anschaffung man als Nächstes plant. Die Saudis wahren anfangs eher Abstand. Gerade zu den Expats. Viele Ausländer wohnen in speziellen Anlagen, den sogenannten Compounds. Das waren große Areale hinter hohen Mauern, Stacheldraht und Wachpersonal. Ich hätte mich da nicht wohlgefühlt. Stattdessen habe ich in einem Wohnhaus mitten in der Stadt gelebt. In den Compounds war ich nur, um Bekannte zu besuchen.

Expats: Bevor er 2006 als Koch nach Saudi-Arabien zog, hatte Toni Riethmaier schon in Singapur, auf den Malediven, in China und Dubai gelebt. Mittlerweile ist der 39-Jährige wieder in Deutschland und hat ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben.

Bevor er 2006 als Koch nach Saudi-Arabien zog, hatte Toni Riethmaier schon in Singapur, auf den Malediven, in China und Dubai gelebt. Mittlerweile ist der 39-Jährige wieder in Deutschland und hat ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben.

(Foto: Privat)

Mein Freundeskreis bestand vor allem aus anderen Ausländern. In den Compounds haben wir auch Partys gefeiert und selbstgemachten Wein getrunken. Das war natürlich illegal. Manchmal waren auch Saudis zu Gast, aber viele Expats hielten sich ihnen gegenüber ebenfalls bedeckt. Denn der Geheimdienst war vermutlich überall. Dieser Umstand hat es erschwert, Freundschaften zu schließen.

"Partys wie in Dschidda habe ich nie wieder erlebt"

Trotzdem zähle ich heute auch Saudis zu meinen Freunden. Auf ihren eigenen Partys herrschte oft mehr Normalität als bei den Feiern der Ausländer. Auch, was den Umgang zwischen Männern und Frauen betrifft. Alle waren westlich gekleidet, es gab selbstgemachte Cocktails. Die DJs haben Hip-Hop, Techno, Rock und Pop und Hits aus den aktuellen Charts gespielt. Partys wie in Dschidda habe ich bisher nie wieder erlebt, bei einer gab es sogar eine Pyrotechnik-Show am Pool.

Vor den Feiern sind wir allerdings stets einmal um den Block gefahren, um zu prüfen, ob die Lage sicher ist. Obwohl das bestimmt nie der Fall war, haben wir die Gefahr einfach ausgeblendet. Ein Bekannter bekam nach einer solchen Party allerdings tatsächlich Probleme mit den Behörden und wurde ausgewiesen.

Bis auf Essengehen, Ausstellungsbesuche, Ausflüge in die Wüste und gelegentlichen Wassersport hatten wir jedoch kaum andere Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Und die Strände waren ebenfalls abgeschlossene Resorts. Es existierte noch nicht einmal ein Kino. Wir Ausländer haben uns darum oft gegenseitig zu den Veranstaltungen der Konsulate mitgenommen: zum französischen Filmfestival beispielsweise, zum Schweizer Raclette-Essen oder zum amerikanischen Barbecue mit Schweinerippchen, die heimlich im Diplomatengepäck ins Land gebracht worden waren."

"Wir haben uns ständig selbst kontrolliert"

Expats: Bushaltestelle in Pjöngjang: Zwischen Einheimischen und Ausländern, die aus beruflichen Gründen ins Land kommen, gibt es kaum Berührungspunkte.

Bushaltestelle in Pjöngjang: Zwischen Einheimischen und Ausländern, die aus beruflichen Gründen ins Land kommen, gibt es kaum Berührungspunkte.

(Foto: Ed Jones/AFP)

"Ich glaube, mein erster Gedanke nach meiner Landung in Pjöngjang war: Es ist nicht von dieser Welt. Bevor ich mich entschieden hatte, dorthin zu ziehen, bin ich einmal hingeflogen, um es mir anzusehen. Ich habe damals in Myanmar gearbeitet - es war also keine weite Reise. Darum wusste ich ungefähr, was auf mich zukommt. Trotzdem war es für mich ein Kulturschock. Vor allem die permanente Überwachung. Mein Vorgänger hatte mich schon darauf vorbereitet, dass alles abgehört wird: das Büro, die Wohnung. Und auch die Tristesse war ziemlich erschlagend. Pjöngjang besteht ja zum großen Teil aus diesen sozialistischen Plattenbauten. Und obwohl es auch wirklich schöne Ecken hat, fehlt es an Farben und auch an Leichtigkeit und Fröhlichkeit.

Meine Wohnung war eigentlich sehr gut. Sie gehörte zu einem Wohnblock, der in einem diplomatischen Viertel lag. Die Regierung hatte sie uns quasi zugewiesen. Der Eingang des Compounds wurde stets von Polizisten bewacht. Die haben vor allem darauf aufgepasst, dass kein Nordkoreaner ohne Genehmigung hineingelangt. In unserem Büro, das sich in einem anderen Compound befand, hatten wir vier nordkoreanische Mitarbeiter für die Projektadministration und zwei pro Projekt. Von denen wurde uns einer vom jeweiligen Fachministerium zugewiesen, meist vom Landwirtschaftsministerium, und einer vom Außenministerium. Manche sprachen Englisch, manche aber auch gar keine Fremdsprache. Dann brauchten wir einen Übersetzer.

Der Übersetzer war zugleich ein Aufpasser

Meine NGO setzt sich ja seit der Hungerkrise in den Neunzigerjahren dort für eine stabile Nahrungsmittelversorgung ein. Unter anderem haben wir mit den Nordkoreanern spezielle Gewächshäuser entwickelt, die für die harten Winter und sehr heißen, feuchten Sommer geeignet sind. Und wir haben eine Technologie zur Herstellung von Kartoffelsaatgut eingeführt, Baumschulen zur Wiederaufforstung gegen die Erosion angelegt oder Biogasanlagen gebaut.

Expats: Viereinhalb Monate war Regina Feindt im Jahr 2014 für eine humanitäre Nichtregierungsorganisation (NGO) in Pjöngjang, dann wurde sie ohne Angaben von Gründen des Landes verwiesen. Heute arbeitet die 52-Jährige in Simbabwe.

Viereinhalb Monate war Regina Feindt im Jahr 2014 für eine humanitäre Nichtregierungsorganisation (NGO) in Pjöngjang, dann wurde sie ohne Angaben von Gründen des Landes verwiesen. Heute arbeitet die 52-Jährige in Simbabwe.

(Foto: Welthungerhilfe)

Ungefähr alle 14 Tagen durften wir in unsere Projektregionen aufs Land fahren. Dort hatten wir natürlich auch mit Landarbeitern, Technikern und Ingenieuren Kontakt. Koreaner sind sehr gastfreundlich. Sie hätten sich bestimmt gern mit uns unterhalten. Aber meist stand eben die Sprachbarriere zwischen uns. Ganz selten bin ich mal jemandem mit DDR-Erfahrung und Deutschkenntnissen begegnet. Und mein Koreanisch ist leider sehr rudimentär. Also waren wir fast immer auf einen Übersetzer angewiesen, der gleichzeitig auch als eine Art Aufpasser fungierte. Dadurch fehlte auf beiden Seiten die Lockerheit. Sowohl die Koreaner als auch wir haben uns ständig selbst kontrolliert, um nichts Falsches zu sagen.

Kaum Berürhungspunkte mit den Einheimischen

Während dieser Reisen aufs Land haben wir in Hotels geschlafen. Da sind wir abends mit den koreanischen Kollegen auch etwas essen gegangen oder haben in der Hotelbar noch etwas gemeinsam getrunken. Aber es war jetzt nicht so, dass wir alle zusammen in die Disco gegangen wären. Ich weiß aber von deutschen Kollegen, die länger dort waren, dass sie auch koreanische Freunde hatten.

In der Regel gab es zwischen Einheimischen und Ausländern kaum Berührungspunkte. Wir hatten sogar eigene Supermärkte, in denen lediglich die koreanische Oberschicht auch einkaufte. In den einheimischen Märkten hätten wir tatsächlich wenig gefunden, mit dem wir etwas hätten anfangen können. Die koreanische Küche - ich mag sie sehr - unterscheidet sich ziemlich von unserer. Allerdings haben wir am Wochenende oft als Fahrgemeinschaft einen Ausflug zu einem großen Markt gemacht. Da gab es alles: frisches Obst und Gemüse, Fleisch, Stoffe. Dort haben wir auch viele Koreaner getroffen. Und in den Schwimmbädern. Davon gibt es in Pjöngjang mehrere. Ich habe sie oft genutzt. Fast alle haben eine Sauna und einen Fitnessbereich.

Langeweile hatte ich jedenfalls nicht. Ich weiß noch, dass ich erst darüber nachdachte, mir ein neues Hobby zuzulegen, weil ich mit vielen einsamen Abenden gerechnet hatte. In Wirklichkeit hatte ich selten ein so stressiges Sozialleben wie dort. Die ausländische Community ist sehr aktiv. Man trifft sich in Restaurants zum Essen, privat in Buchklubs oder einfach nur so zum Quatschen."

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