Existenzgründer im Gespräch (2):Keine Lust auf Rente

Ortraud Borges war jahrzehntelang angestellt. Mit 63 wagt sie den Schritt in die Selbständigkeit und gründet ein Kulturzentrum in der Nähe von Goslar. Nicht alle sind davon begeistert.

Maria Holzmüller

Ortraud Borges, 63, war als Floristin und Schauwerbegestalterin tätig. 23 Jahre lang war sie in einem Großhandel für Floristen und Wohnkultur angestellt. Nachdem das Unternehmen 2009 Insolvenz anmeldete, entschied sie sich, in einem in Familienbesitz befindlichen, historischen Zechenhaus in Lautenthal im Harz ein Kulturzentrum zu gründen. Die Vorbereitungen laufen noch, die tatsächliche Unternehmensgründung wird im Laufe des Jahres erfolgen.

Borges Kulturzentrum Lautenthal

Ortrud Borges wagt mit 63 Jahren den Schritt in die Selbständigkeit.

(Foto: Kurt Wiemann)

sueddeutsche.de: Was hat Sie dazu bewogen, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen?

Ortraud Borges: Für mich war die Insolvenz meiner bisherigen Wirkungsstätte die persönliche Chance, noch einmal neu durchzustarten. Die Idee, ein Kulturzentrum zu gründen, hatte ich immer im Hinterkopf.

sueddeutsche.de: Mit 63 Jahren ein Unternehmen zu gründen, ist durchaus ein Risiko. Wie beurteilen die Menschen in Ihrem Umfeld Ihre Pläne?

Borges: Sehr unterschiedlich. Mit Skepsis, mit wohlmeinenden Ratschlägen aber auch mit ehrlicher Bewunderung. Ich denke, unternehmerisch tätig zu sein ist immer mit Risiko verbunden, Alter spielt da keine Rolle für mich.

sueddeutsche.de: Wieso sind Sie so sicher, dass Ihr Unternehmen ein Erfolg wird?

Borges: Wenn ich von meinem Projekt nicht überzeugt wäre, hätte ich gar nicht erst begonnen, ein konkretes Konzept zu entwickeln und ein stetig wachsendes Netzwerk aufzubauen und Fortbildungen für ein erfolgreiches Management zu absolvieren. Kompetente Bürger aus Lautenthal sind von meinem Projekt begeistert und werden mitarbeiten. Der Ortsbürgermeisterin und der Ortsvorstand haben mir Hilfe zugesagt.

sueddeutsche.de: Haben Sie sich auf Ihr Dasein als Unternehmerin vorbereitet?

Borges: Ganz unbedarft bin ich in diesem Thema nicht. In den achtziger Jahren war ich schon selbständig. Ich hatte eine kleine "Floralboutique", in der ich Objekte aus Trocken- und Kunstblumen in Kombination mit Tierpräparaten verarbeitete. Jetzt habe ich nochmals Seminare für Existenzgründer besucht und in nächster Zeit werde ich einen Coach der Akademie "Roots&Wings" zur Seite haben. Die nötige Hilfe wird durch Experten, zum Beispiel in Steuer- und Rechtsfragen, abgedeckt werden.

sueddeutsche.de: Wie viel Eigenkapital haben Sie mitgebracht?

Borges: Ich habe kein Eigenkapital. Die Gründung wird Schritt für Schritt vorangehen. Mein Kapital sind meine Ideen, mein persönlicher Einsatz und meine Wegbegleiter. Dazu gehören: eine Steuerberaterin, eine Architektin, ein Gestalter für visuelles Marketing, der Designer meiner Webseite und eine Bildhauerin.

Sponsoren gesucht

sueddeutsche.de: Wie finanzieren Sie sich?

Borges Kulturzentrum Lautenthal

In diesem historischen Zechenhaus bei Goslar soll es einmal sein, das Kulturzentrum Lautenthal.

(Foto: Kurt Wiemann)

Borges: Bis Ende August 2011 werde ich den Existenzgründer-Zuschuss von der Agentur für Arbeit erhalten. Ich bin zudem noch auf der Suche nach Sponsoren und freue mich über echtes Interesse. Meine wichtigste Position, für die ich eine finanzielle Unterstützung brauche, ist die Sanierung der sanitären Einrichtungen und der Heizung. Bieten kann ich eine gute Image-Werbung.

sueddeutsche.de: Was waren die größten Schwierigkeiten in Ihrem bisherigen Gründerleben?

Borges: Es sind zahlreiche Auflagen des Bauamtes zu erfüllen und das kann dauern. Es muss genau festgelegt werden, was ich an und im Gebäude ändern darf und was nicht. Die Suche nach Sponsoren ist nicht einfach. Ich biete Interessenten den Besuch auf meiner Webseite an, um einen Einblick von meinem Projekt zu bekommen.

sueddeutsche.de: Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Borges: Ich werde das Kulturzentrum in kleinen Schritten zum Laufen bringen. Es soll eine Bereicherung für die Tourismusförderung und die Infrastruktur werden. Es wird ein Shop-in-Shop-System geben, verschiedene Anbieter mit Kunsthandwerk, Honig, Blumen, Schmuck und Büchern stehen bereit.

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