Europäischer MBA-Titel:Der Aufsteiger

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Europäische Business-Schools holen im Vergleich zu den angesehenen US-amerikanischen auf.

Chris Löwer

Der an einer europäischen Managementschule erworbene Master of Business Administration (MBA) galt manchem in der Vergangenheit als reine Zeitverschwendung. Rekrutierer schauten sich, wenn überhaupt, nach Absolventen großer US-Business-Schools um. Dort wurden die Standards definiert. Doch Europa hat aufgeholt und teilweise sogar neue Standards gesetzt, was das Image hiesiger Schulen drastisch verbessert hat. Birgit Giesen vom Kölner Staufenbiel Institut für Studien- und Berufsplanung geht sogar noch einen Schritt weiter: "Qualität und Anspruch der Ausbildung an europäischen Schulen sind so gut geworden, dass sie mit den USA durchaus vergleichbar sind."

Absolventen der Mannheim Business School. (Foto: Foto: ddp)

Dass das Angebot in Europa inzwischen ernst genommen wird, zeigt sich auch an anderer Stelle: "Viele US-Schulen wollen in den europäischen Markt eintreten, da er als attraktiv gilt. Außerdem hat hier die Internationalität einen hohen Stellenwert, was wiederum viele Studierende, etwa aus Asien, anlockt", sagt Daisuke Motoki von der Bonner Akkreditierungsagentur Fibaa. "Fest steht: Der europäische MBA kommt."

Das sieht man auch an den Rankings. Etwa dem der Financial Times. Für die aktuelle Bewertung hat das Wirtschaftsblatt weltweit 112 Vollzeit-Programme unter die Lupe genommen. Befragt wurden nicht nur die Schulen, sondern auch 8300 Absolventen, die ihren Abschluss vor drei Jahren gemacht haben. Kriterien, die dabei eine Rolle spielten: Karriereentwicklung und Gehaltsniveau der Absolventen, Vielseitigkeit der Schule und ihrer Ausbildung sowie Forschungskapazitäten der Institutionen.

Ergebnis: Zu den führenden 100 Business-Schulen gehören 57 US-amerikanische, 27 europäische und sieben kanadische. Im Vergleich zum Vorjahr sind vor allem europäische Schulen aufgestiegen, darunter die HEC in Paris und die spanische Esade Business School.

Kurzum: Ein Mauerblümchendasein fristen europäische MBA-Programme nicht mehr. Das liegt auch daran, dass sie eigene Profile entwickelt haben, die sie von den amerikanischen Vorbildern unterscheiden. In Europa hat sich ein heterogener und sehr vielfältiger Markt herausgebildet, was Ausrichtung, Altersstruktur, Inhalte, Dauer und Praxisbezug anbelangt. Insofern emanzipieren sich die Europäer von den Amerikanern.

"Ich würde die Entscheidung, ein MBA-Studium in den USA oder in Europa zu absolvieren von kulturellen Vorlieben und der beruflichen Orientierung abhängig machen", rät Giesen. Dabei spielt auch die Unternehmenskultur eine Rolle: Während in den USA eher ein Managementstil verfolgt wird, der auf schnelle, kurzfristige Entscheidungen setzt, sei in Europa langfristiges Denken und Planen gefragt. "An europäischen Business Schools ist die Managementausbildung praxisnah ausgelegt und in den USA als Erstausbildung eher akademisch", sagt Giesen.

Wird mit Fallstudien gearbeitet, dann sind diese - in der Problemstellung, Bearbeitung und Lösung - europäisch ausgerichtet. "Europäische MBAs bieten für jene, die auch hier arbeiten wollen, den Vorteil, dass sie stärker auf den hiesigen Markt zugeschnitten sind und auf entsprechende Führungsstile, Unternehmenskulturen und ManagementMethoden vorbereiten."

Letztlich spielt auch die räumliche Nähe eine Rolle: In Europa entstehen Multicenter-MBAs, wenn beispielsweise Schulen aus England, Frankreich und Spanien kooperieren. Schöner Nebeneffekt: So erschließen sich Absolventen durch die Kontakte der Business Schools gleich mehrere europäische Arbeitsmärkte. Hinzu kommt: "Ein in Europa abgelegter MBA kann durchaus das Ticket für eine Führungsposition sein und ein Ausgleich für einen fehlenden Auslandsaufenthalt", sagt Giesen.

Die besten Anbieter

Die Top-Schulen des Kontinents sind nach wie vor im britischen Markt zu finden, wo es bereits seit den siebziger Jahren derartige Angebote gibt. Hier kommen überwiegend Studierende und Dozenten aus aller Welt zusammen, so dass die Programme in Sachen Internationalität unschlagbar sind.

Eine Klasse für sich ist unverändert die London Business School, die mit der französischen Insead als eine der besten europäischen Schule gilt. Beide sind neben den üblichen Verdächtigen aus den USA stets unter den internationalen Top Ten wiederzufinden.

Aus Italien, Spanien, Skandinavien, den Niederlanden und der Schweiz schaffen es meist nur ein bis zwei Programme in die Rankings.

Aus Deutschland hat es eine Business School mit ihren MBA-Programmen unter die zehn besten europäischen Karriereschmieden geschafft. Aber: Der Nachzügler Deutschland holt langsam auf.

© SZ vom 7.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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