Europäischer Gerichtshof:Fettleibigkeit kann Behinderung sein

  • Starkes Übergewicht kann nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als Behinderung im Beruf gelten.
  • Im Falle einer Behinderung greift der im EU-Recht verankerte Schutz vor Diskriminierung.
  • Im konkreten Fall geht es um einen stark übergewichtigen Tagesvater aus Dänemark, dem nach 15 Jahren gekündigt worden war.

Fettleibigkeit kann Behinderung sein

Stark übergewichtige Arbeitnehmer könnten bald besser vor Kündigung geschützt sein. Krankhafte Fettleibigkeit kann als Behinderung gelten, wenn sie zu deutlichen Einschränkungen bei der Teilhabe am Arbeitsleben führt, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg jetzt entschieden hat (Az.: C-354/13).

Die Richter hatten zu prüfen, ob sich aus dem EU-Recht ein Verbot von Diskriminierungen wegen Fettleibigkeit ableiten lässt und ob die medizinisch als Adipositas bezeichnete Krankheit als Behinderung eingestuft werden kann.

Die Vorgeschichte

Hintergrund des EuGH-Urteils ist der Fall eines dänischen Tagesvaters, der gegen seine Entlassung geklagt hatte. Er war bei der Gemeinde Billund in Dänemark beschäftigt und beauftragt, kleine Kinder bei sich zu Hause zu betreuen. Nach 15 Jahren kündigte die Gemeinde 2010 das Arbeitsverhältnis. Offizielle Begründung: Die Kinderzahlen seien rückläufig.

Der Tagesvater, der etwa 160 Kilogramm wiegt, sieht sich jedoch wegen seines Gewichts diskriminiert und vermutet dahinter den wahren Grund für die Entlassung. So sei nicht erklärt worden, warum es ausgerechnet ihn treffe. Mit Unterstützung klagte der Mann vor einem dänischen Gericht. Dieses bat den EuGH um Rechtsklärung.

Die Begründung der EuGH-Richter

Der EuGH wies nun darauf hin, dass das EU-Recht eine Diskriminierung wegen Fettleibigkeit nicht direkt verbietet. Adipositas könne aber eine Behinderung sein, wenn sie so gravierend ist, dass sie zum Hindernis für die volle, "mit anderen Arbeitnehmern gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben" werde. Dies komme bei einer besonders schweren und krankhaften Adipositas von langer Dauer in Betracht.

Abgeschlossen ist der Fall des Tagesvaters damit nicht: Nun muss das dänische Gericht prüfen, ob die Fettleibigkeit des Klägers unter die Definition "Behinderung" fällt.

Auswirkungen auf andere EU-Länder

Das Urteil hat auch Bedeutung für den deutschen Arbeitsmarkt. Nach den bislang hier maßgeblichen Regelungen kann eine Adipositas für sich genommen nicht zur Anerkennung einer Schwerbehinderung führen. Berücksichtigt werden nur Folge- und Begleitschäden, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder orthopädische Leiden.

Adipositas liegt gemäß der gängigen medizinischen Definition vor, wenn der Body-Mass-Index über 30 liegt. Der Body-Mass-Index berechnet sich, indem das Gewicht in Kilogramm geteilt wird durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat. Ein Mann von 1,80 Metern Körpergröße zum Beispiel gilt bei einem Gewicht von mehr als 97 Kilo als fettleibig.

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