Europäischer Gerichtshof:Berliner Beamtenrecht benachteiligt Mütter in Elternzeit

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Das Berliner Beamtenrecht benachteiligt Mütter in Elternzeit, findet der EuGH.

(Foto: dpa)
  • Nach Schwangerschaft und Elternzeit durfte eine Berliner Beamtin eine zuvor zugesagte Beförderung nicht antreten.
  • Sie habe die Probezeit nicht bestanden, berief sich das zuständige Verwaltungsamt auf das Berliner Beamtenrecht.
  • Dieses ist aber nicht mit EU-Richtlinien vereinbar, urteilt nun der Europäische Gerichtshof.

Von Matthias Kohlmaier

Der Fall

Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen ist nicht immer einfach. Einer Berliner Beamtin schien es dennoch gelungen zu sein. Die Frau war nicht nur schwanger, ihr wurde auch eine Beförderung auf eine Stelle in leitender Funktion zugesprochen. Wichtig zu erwähnen: Die Ernennungsurkunde für den neuen Posten erhielt die Frau, als sie bereits aufgrund ihrer Schwangerschaft krankgeschrieben war.

Nun wäre zu vermuten, dass die Frau nach ihrer Rückkehr den neuen Job auch tatsächlich antreten durfte. Aber so ist es nicht gekommen, weshalb sich nun der Europäische Gerichtshof mit der Sache befasst. Nach ihrer schwangerschaftsbedingten Krankschreibung war die Frau zuerst in Mutterschutz und danach im Erholungsurlaub. Daraufhin bewilligte ihr der Arbeitgeber Elternzeit, die auf Antrag der Frau mehrfach verlängert wurde. Kurzum: Die Beamtin war von Krankschreibung bis Ende der Elternzeit etwa drei Jahre und zehn Monate nicht im Dienst.

Als sie schließlich zurückkam, war die ihr zugesagte Stelle anderweitig vergeben und sie sollte plötzlich wieder in ihrem alten, schlechter bezahlten Job arbeiten. Denn das Verwaltungsrecht besagt: Als Beamtin auf Probe hätte sie eine zweijährige Probezeit bestehen müssen, um sich für den versprochenen Posten zu qualifizieren. Da sie während der beiden Jahre aber gar nicht gearbeitet hatte, wertete die Berliner Senatsverwaltung die Probezeit als nicht bestanden. Dagegen klagte die Frau vor dem Verwaltungsgericht Berlin.

Die Streitfrage

Das Berliner Gericht wollte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, ob es unionsrechtlich zulässig ist, dass eine Probezeit während des Elternurlaubs nicht ausgesetzt wird. Letztlich geht es darum: Ist das Verwaltungsrecht in dem Fall diskriminierend gegenüber (werdenden) Müttern und muss es daher geändert werden?

So argumentieren Kläger und Beklagte

Die Klägerin empfindet das deutsche Recht in diesem Punkt alles andere als gerecht. So würden Frauen in Elternzeit diskriminiert. Dem Bescheid, wonach sie doch nicht die versprochene Beförderung bekommen sollte, hatte sie widersprochen. Das zuständige Landesverwaltungsamt Berlin argumentiert dagegen, dass für die Übertragung eines Amtes mit leitender Funktion im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit der erfolgreiche Abschluss einer Probezeit unerlässlich sei. Und deren Dauer sei nun mal auf zwei Jahre ohne Verlängerungsmöglichkeit festgelegt.

Fast schon lächerlich wird die Begründung des Verwaltungsamtes, wenn es erklärt, dass die Nichtberücksichtigung schwangerschaftsbedingter Dienstunfähigkeit bei der Berechnung der Dauer der Probezeit zwar überwiegend Frauen betreffe, das aber trotzdem keine Diskriminierung bedeute. Es ist eher unwahrscheinlich, dass einem Mann schon einmal aufgrund "schwangerschaftsbedingter Dienstunfähigkeit" eine Beförderung im Berliner Beamtenapparat entgangen ist.

Ähnlich bewertet es Paolo Mengozzi, Generalanwalt am EuGH, in seinen Schlussanträgen. Durch die angewandte Rechtsprechung würden Beamte auf Probe gezwungen, "zwischen ihrem beruflichen Leben, hier der Entwicklung ihrer Laufbahn, und ihrem Familienleben zu wählen". Das in Berlin gültige Recht, so seine Quintessenz, ist nicht mit EU-Recht vereinbar.

Das Urteil

Der EuGH urteilt, dass gültiges Unionsrecht tatsächlich den Regelungen im Land Berlin entgegensteht. Demnach war es nicht zulässig, dass die Probezeit während der Elternzeit weiterlief und die Frau so auch nach ihrer Rückkehr keine Chance hatte, ihre Eignung für den neuen Job nachzuweisen.

Der EuGH urteilt allerdings auch, dass nun das Berliner Verwaltungsgericht entscheiden muss, wie es mit dem Fall weiterverfährt. Das Verwaltungsgericht soll demnach herausfinden, ob das Land Berlin als Arbeitgeber der Frau eventuell keine Möglichkeit hatte, ihr nach ihrer Elternzeit den zugewiesenen oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu überlassen. Immerhin, aus Sicht der Beamtin, bekommt das Verwaltungsgericht aber noch den Auftrag, darauf zu achten, dass der Frau nun eine angemessene Stelle zugewiesen wird und sie dort ihre Probezeit absolvieren kann.

Das sagt der Arbeitsrechtexperte:

Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Daniel Hautumm beurteilt den Fall so: "Das Urteil überrascht mich nicht, hier lag in meinen Augen eine klare Diskriminierung von Frauen vor. Durch eine Schwangerschaft oder einen Elternurlaub darf niemandem ein beruflicher Nachteil entstehen. Der EuGH hat also festgestellt, dass die Richtlinien für Berliner Beamten nicht mit den europäischen vereinbar sind. Nun müsste der deutsche Gesetzgeber eigentlich tätig werden und die Gesetzgebung entsprechend anpassen."

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