Süddeutsche Zeitung

EU-Parlament will Mutterschutz verlängern:Zeit zum Durchatmen

Die vom EU-Parlament geforderte Verlängerung des Mutterschutzes ist richtig.Wer über Fachkräftemangel klagt, muss auch etwas dafür tun, dass künftige Fachkräfte geboren werden.

Alexandra Borchardt

Wer nur auf die Statistik schaut, müsste Frauen davon abraten, in Deutschland ein Baby zu bekommen. Ist der Mutterschutz vor und nach der Geburt doch hierzulande so kurz wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union, von Malta abgesehen. Insgesamt 14 Wochen dürfen Frauen in Deutschland derzeit rund um die Niederkunft bei vollem Gehalt zu Hause bleiben. Die EU will der Bundesregierung nun 20 Wochen Mindestfrist vorschreiben.

Doch was nach einem Drama klingt, ist gar keins. Denn bezieht man die insgesamt 14 Monate mit ein, in der Mütter und Väter einen großen Teil ihres Gehalts in Form von Elterngeld ersetzt bekommen können, ist die deutsche Regelung im internationalen Vergleich großzügig.

98 Prozent der Mütter und Väter nutzen diese Möglichkeit und kümmern sich länger in Vollzeit um ihr Baby, als der reine Mutterschutz dies vorsieht. Insofern wird die Verlängerung für viele Eltern nicht viel bringen - außer einer kleinen Geldspritze. Viele kleine Geldspritzen allerdings summieren sich, und das lässt Regierung und Wirtschaftsverbände jetzt aufstöhnen. Und deshalb gibt es sogar Frauen, die um die Karrierechancen ihresgleichen fürchten, sollte nun Mutterschutz XL verordnet werden.

Der Schritt der EU ist nicht zwingend erforderlich - aber trotzdem gut. Denn erstens sind einheitliche Standards in der gesamten EU wichtig, was Deutschland an anderer Stelle oft reklamiert. Und zweitens ist die Verlängerung ein Signal: Sie betont den Wert von Kindern und nimmt Frauen den Druck, allzu bald nach der Geburt wieder zu arbeiten. Wer über Fachkräftemangel klagt, muss auch etwas dafür tun, dass künftige Fachkräfte geboren werden.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2010
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