Etikette:"Manieren sind Ausdruck einer inneren Haltung"

Äußerlich elegant und doch völlig daneben? Was Benimm wirklich bedeutet. Ein Interview mit dem Autor des Bestsellers "Manieren".

Jutta Göricke

Als Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers in Addis Abeba geboren, lebt und arbeitet Asfa-Wossen Asserate heute als Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten in Frankfurt. Der promovierte Jurist und Historiker ist Autor des Bestsellers "Manieren". Am kommenden Donnerstag spricht er im Münchner Künstlerhaus über "Manieren im Wirtschaftsleben". SZ: Sie sind ein äthiopischer Prinz. Wie spreche ich Sie korrekt an?

Etikette: Asfa-Wossen Asserate könnte manchmal am Verhalten seiner Mitmenschen verzweifeln.

Asfa-Wossen Asserate könnte manchmal am Verhalten seiner Mitmenschen verzweifeln.

(Foto: Foto: oh)

Asserate: Mit "Herr Asserate" oder "Herr Dr. Asserate", wenn Sie wollen. Wir leben schließlich in einer Republik. Auch in meinem Heimatland sind seit der Revolution alle Titel abgeschafft. Bis dahin wäre die Anrede "Kaiserliche Hoheit" korrekt gewesen.

SZ: Also: Herr Asserate, Sie kennen sich mit Manieren aus. Wodurch zeichnet sich eine Person aus, die Manieren hat?

Asserate: Dadurch, wie sie sich ihrem Nächsten gegenüber verhält. Am besten kann man das im Restaurant sehen, nämlich daran, wie ein Gast den Kellner behandelt. Da gibt es genug Rowdies, die ihre Freundin beeindrucken wollen und den Wein völlig grundlos zurückgehen lassen, einfach nur als Machtdemonstration. An solchen Mätzchen merkt man, ob ein Mensch Anstand hat. Wenn er Anstand hätte, würde er den Kellner nicht wie einen Dienstboten sondern wie seinesgleichen behandeln.

SZ: In welchem Verhältnis stehen Manieren zu Anstand?

Asserate: Manieren sind nichts anderes als der ästhetische Ausdruck der Moral. Sie wurden erfunden, damit die Menschen sich nicht als Tiere, sondern wie zivilisierte Wesen begegnen. In der europäischen Gesellschaft leiten sich Manieren aus dem christlichen Satz ab: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst. Man könnte also sagen: Manieren sind die Enkelkinder der Religion und die Kinder der Moral.

SZ: Welche Werte und Tugenden hat das 21. Jahrhundert, zumal im Wirtschaftsleben, zu bieten?

Asserate: Da steht der Einzelne einer schizophrenen Struktur gegenüber. Tagsüber, im Job, muss ein Wirtschaftsboss mit der globalisierten Welt fertig werden. Abends, im privaten Rahmen, schaltet er im besten Fall um. Selbst ich darf in meiner Funktion als Unternehmensberater einem Klienten nicht empfehlen, dem Mitbewerber doch bitte den Vortritt zu lassen. Das wäre unrealistisch. Dennoch kann man auch im Wirtschaftsleben darauf achten, fair und anständig zu sein. Leider muss ich oft beobachten, mit welch äußerlicher Eleganz abgefeimtes Mobbing in Unternehmen betrieben wird. Da möchte man verzweifeln.

SZ: Höflichkeit ist also keine äußerliche Zier, sondern kommt von innen.

Asserate: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Benehmen und Manieren. Wer Benimmregeln einfach nur auswendig lernt, läuft Gefahr, artifiziell und manieriert zu wirken. Denn er versteht nicht, dass Manieren Ausdruck einer inneren Haltung, eben des Anstands, sind. Wer über Herzensbildung verfügt, wird sich dagegen kaum völlig daneben benehmen. Wobei ich persönlich keinen Unterschied zwischen Form und Inhalt mache. Anstand und Manieren bilden eine Symbiose.

SZ: Sie kommen viel herum in der Welt - welche Werte finden Sie in allen Gesellschaften gleichermaßen vor?

Asserate: Tatsächlich sind Anstand, Respekt und Höflichkeit universal. Das heißt nicht, dass andere Länder nicht andere Sitten hätten. In China etwa sollten Sie auf keinen Fall Ihren Teller leer essen, wie es in Deutschland als höflich gilt. Man wird Ihnen solange nachlegen, bis Sie einen Rest liegen lassen. Erst dann wird man annehmen, dass Sie gesättigt sind.

SZ: Was raten Sie kulturgeschockten Handlungsreisenden?

Asserate: Offen zu sein, erkennen zu lassen, dass man lernen will. Dann wird einem fast jeder Fauxpas verziehen. Wer seinen Gastgebern auf Augenhöhe begegnet und nicht etwa auf sie herabsieht, wird jede Unterstützung bekommen. Auch für fremde Kulturen gilt: Benimmregeln sind nicht alles. Borniertheit und Vorurteile dagegen sind nicht zu entschuldigen und zeugen am Ende nur von mangelnder Souveränität des Gastes.

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