Ethik an der Universität:Wo Moral gepredigt wird

Banker gelten als gierig, gewissenlos und geltungsbedürftig. Haben sie keine Moral gelernt? Ein Besuch an einer Elite-Hochschule für Finanzmanager.

Grit Beecken

Als Hartmut Kliemt durch die Tür des Hörsaals geht, ist seine Fliege etwas verrutscht. Der Philosophieprofessor stellt den gelben Plastikkasten mit den Seminarunterlagen energisch auf einen Tisch, nimmt seinen Rucksack ab und wendet sich seinen Zuhörern zu. In den kommenden vier Stunden wird er versuchen, etwa dreißig Studenten die ersten Bausteine der Wirtschaftsethik schmackhaft zu machen.

Ethik an der Universität: Büffeln für die Ethik: An der Frankfurter School of Finance and Management gehören Philosophie-Vorlesungen zum Pflichtprogramm.

Büffeln für die Ethik: An der Frankfurter School of Finance and Management gehören Philosophie-Vorlesungen zum Pflichtprogramm.

(Foto: Foto: Frankfurt School of Finance and Management)

Der Raum ist weiß getüncht, die Tische sind grau und die meisten Studenten in Frankfurt langweilen sich. Wenige Wochen nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, dem Crash an den Aktienmärkten und der öffentlichen Diskussion über gierige Banker spielen sie auf ihren Laptops Spiele, verschicken Emails oder unterhalten sich miteinander.

Nicht länger nur Taxifahrer ausbilden

Für ethische Fragen scheinen sie sich trotz des Kollapses der entfesselten Finanzmärkte nicht zu interessieren. Und dies, obwohl ein Professor vor ihnen steht, der mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger James Buchanan gemeinsam gelehrt hat und sich in der Gesundheitsethik ebenfalls einen Namen gemacht hat. Eben keiner, der mit der Pfeife im Mund Kant zitiert, sondern einer, der ein liberaler Ökonom und studierter Diplomkaufmann ist. Und der jetzt gute Manager ausbilden möchte.

Dafür hat Kliemt seine Professur an der Universität Duisburg aufgegeben und an der Frankfurt School of Finance and Management den Bachelorstudiengang Management, Philosophy and Economics gegründet. "Ich wollte nicht länger Taxifahrer ausbilden, sondern Studenten, die eine Arbeitsmarktperspektive haben", erklärt Kliemt. "Und für bestimmte Bereiche kann ich hier die besseren Manager ausbilden."

Wie in der Mucki-Bude

Doch nun steht er nicht den Bachelorstudenten gegenüber, sondern Masterstudenten, die neben dem Studium in einer Bank arbeiten. Wie die meisten Betriebs- und Volkswirte stehen sie als Praktiker der Wirtschaftsethik skeptisch gegenüber. Es bringe nichts, Moral zu predigen, sagen viele. Kliemt ist der gleichen Ansicht: Die Menschen seien so, wie sie sind. Und Strafen seien nun mal wirksamer als auf den guten Willen und ehrbare Absichten zu hoffen. Er will sich nicht als Moralist verstanden wissen.

"Die Philosophie ähnelt einer Mucki-Bude", sagt der Professor mit den runden Brillengläsern. "Die Leute können ihren Denkmuskel für komplexe Fragestellungen trainieren." Beispielsweise, wie man Bonuszahlungen an Banker so gestalten kann, dass sie keinen Anreiz zu unmoralischem Handeln bieten. Oder wie eine Börsenaufsicht ethische Standards durchsetzen kann. Doch in der Vorlesung muss Kliemt mehr als einmal um Ruhe bitten. Er verstehe die Skepsis; aber erreichen wolle er die Studenten dennoch. Schließlich sei ihm daran gelegen, sie zum Nachdenken über wirtschaftsethische Fragen zu bringen.

Auf der nächsten Seite: Warum Ethik-Unterricht die Wirtschaftswelt verbessern könnte.

Wo Moral gepredigt wird

Eine zweite Gedankenschleife

Genau deshalb gehört eine Einführung in die Philosophie an der Frankfurt School zum Pflichtprogramm. Und zwar schon lange, bevor die Finanzkrise losbrach und die Moral von gierigen Managern in der Öffentlichkeit hinterfragt wurde. "Die Beschäftigung mit ethischen Fragestellungen ist heute verpflichtend, da Führungskräfte Komplexität verantwortlich managen müssen", sagt Hochschulpräsident Udo Steffens. Zudem sei es mittlerweile internationaler Standard, die Studenten auch Wirtschaftsethik hören zu lassen.

Aber glaubt Steffens wirklich, so die Wirtschaftswelt verbessern zu können? "Manche sitzen sicherlich nur das Pflichtcurriculum ab", sagt er. "Aber wenn sich Leute mit diesen Frage auseinandersetzen, dann fahren sie später bei ihren Entscheidungen zumindest eine Gedankenschleife mehr" sagt er. Und das sei doch immer schon etwas: diese zweite Gedankenschleife.

"Es war nicht alles richtig."

Kliemt lässt seine Studenten an Fallstudien üben, wie sie zu wohlüberlegten Urteilen kommen. Zum Beispiel sollen sie Regeln dafür finden, wie man die angemessene Höhe von Managerbezügen festlegen kann. Der Ethik-Professor glaubt, dass die Fähigkeiten, die seine Studenten hierbei entwickeln, langfristig dem Erfolg eines Unternehmens dienen.

Die Frankfurt School gibt Kliemt zudem den notwendigen Freiraum zur Forschung. Schließlich hat sie sich gerade einer Initiative der Vereinten Nationen angeschlossen, die Prinzipien für verantwortungsbewusste Management-Ausbildung festlegt. Und das, obwohl Steffen und Kliemt wissen, dass sie aus dem Großteil der Studenten keine Philosophen machen werden - zumindest nicht außerhalb des Bachelorstudiengangs.

Wo Moral gepredigt wird

Dennoch, eine Sache bleibt seltsam. Viele der New Yorker Starbanker haben ihren Master an einer Eliteuni gemacht. Sie haben dort Ethikvorlesungen gehört und waren somit fähig, die zweite Gedankenschleife zu fahren. So zeigt sich Steffens nachdenklich: "Wir werden ja auch gefragt, ob wir eigentlich das Richtige gelehrt haben: 25 Prozent Eigenkapitalrendite, freie Märkte und so weiter. Dazu müssen wir jetzt Position beziehen und sagen: Es war nicht alles richtig."

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