Ernährung:Kampf der Currywurst

Buch über Konnopke's Imbiß in Berlin

Weiter das beliebteste Kantinen-Menü: Currywurst mit Pommes. Der Versuch, Arbeitnehmer mit Salaten und Gemüse zu locken, zeigt aber langsam Wirkung.

(Foto: dpa)
  • Deutsche Arbeitnehmer greifen in der Kantine noch immer am liebsten zu Wurst, Pommes, Pizza und Spaghetti.
  • Projekte, die den Angestellten Salat und Gemüse näherbringen sollen, zeigen aber langsam Wirkung.
  • Auch außerhalb der Kantine engagieren sich viele Unternehmen im Sinne der Gesundheit ihrer Angestellten.

Von Helga Einecke

Die Kantine im Industriepark Höchst bei Frankfurt ist brechend voll. Die längste Schlange steht vor dem Schnitzel, die zweitlängste vor dem Rumpsteak indische Art mit Mango, Birne, Karotte. Michael Christmann, Betriebsarzt beim Pharmakonzern Sanofi, freut sich, weil so viele zum Rumpsteak greifen. Denn das gehört zu dem von ihm initiierten Logi-Essen. Logi steht für Low Glycemic and Insulinemic Diet, also eine Ernährung, die Blutzucker- und Insulinwerte senken soll.

Sanofi, Hersteller des weltweit meistverkauften Insulins Lantus, sorgt also dafür, dass die eigenen Mitarbeiter möglichst die eigenen Produkte nicht benötigen. Was paradox klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Die Deutschen greifen in der Kantine gern zu Wurst, Pommes, Pizza und Spaghetti, essen häufig falsch und zu viel. Aber sie lassen sich nicht gern bevormunden, schon gar nicht beim Essen, wie der misslungene Vorschlag der Grünen-Partei zu einem vegetarischen Donnerstag, dem berüchtigten "Veggie Day", zeigte.

Immerhin: Jeder zehnte Kantinengänger im Höchster Industriepark, wo auch Bayer, Clariant und andere produzieren, greift inzwischen zur gesunden Kost, wie Christmann berichtet. Seit einem Jahr werde ein Viertel mehr Salat und Gemüse gegessen. Zwei Sanofi-Beschäftigte seien ihre erhöhten Langzeitzuckerwerte losgeworden, erzählt der Betriebsarzt stolz.

Man sieht dem Mann sein Alter von 50 Jahren nicht an. Er wirkt mit jugendlicher Frisur, modischer Brille und dem farbenfrohen Hemd wie das beste Beispiel für einen gesünderen Lebensstil. Sein Aha-Erlebnis hatte der Mediziner bei einem Mitarbeiter, dessen Zuckerwerte nur ein Jahr lang akzeptabel waren. Dieses Jahr hatte der ansonsten mit zu hohen Werten geschlagene Mann in Indien verbracht, wo er aß, was ihm die Köchin kochte. Seither ist Christmann überzeugt, allein mit Ernährung viel bewegen zu können.

Tatsächlich ändern die Betriebe in Deutschland zunehmend ihr Kantinenessen, machen es hochwertiger und gesünder. Salat, Obst, Wasser gehören längst dazu. Gute Ratschläge erteilen die Krankenkassen, denn auch sie wollen gesündere Beitragszahler. "BFG" lautet das Schlagwort, nämlich betriebliche Gesundheitsförderung. Mehr Bewegung, Anti-Burnout-Maßnahmen und weniger Kalorien werden auch dabei propagiert.

Vor allem große Unternehmen motivieren ihre Mitarbeiter, natürlich weil sie selbst auch davon profitieren. Die Rente mit 67 hält ältere Menschen im Arbeitsprozess, die müssen länger fit bleiben. Gesunde Mitarbeiter leisten mehr, vor allem über einen langen Zeitraum hinweg. Der Gewinn für den Arbeitgeber: Vitalere Mitarbeiter, weniger Fehlzeiten. Dabei können natürlich diejenigen Firmen aus dem Vollen schöpfen, die professionell etwas mit Gesundheit zu tun haben.

Gesundheitscheck auf Kosten des Arbeitgebers

Am Empfang der Fresenius-Zentrale ist kein Durchkommen. Die Schlange der Mitarbeiter versperrt die Sicht auf die Theke mit frisch gemixten Smoothies. Mango Queen, Coco Baby oder Hot Energy werden angeboten. Die Lust an frischen Säften hat Tradition. Die reichte schon Gründer Fresenius den Kurgästen in Bad Homburg, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. Gestärkt können die Mitarbeiter nach ihrem Smoothie über die Gesundheitsmeile im Foyer schlendern. Hier einen Ultraschall für die Schilddrüse, dort einen an der Halsschlagader und am Herz. Auf der anderen Seite winken Muskeltest, Ernährungsberatung, Schröpfmassage oder der Kurs "aktiv sitzen". So lässt sich das Personal einmal jährlich am Gesundheitstag auf Herz und Nieren prüfen, freiwillig und auf Kosten des Arbeitgebers.

Der Betriebsarzt persönlich pikst in den Zeigefinger, prüft den Blutzucker. "Wenn Sie noch nichts gegessen haben, zu hoch, sonst okay", lautet die Diagnose. Schnell noch ein Pflaster auf die Einstichstelle. Da lässt man doch den angebotenen Cholesterin-Test links liegen und fragt nach dem Allgemeinbefinden der Fresenius-Belegschaft. Fehlanzeige, Arztgeheimnis. Nur so viel: Mit zu viel Stress sei nicht zu spaßen. Burnout gibt es also auch in Unternehmen, die Gesundheitsprofis sind.

Christmann konnte bei Sanofi das Logi-Essen nicht so einfach durchsetzen. Der Name ist geschützt, das Essen kostet einen Euro mehr als das normale Gericht. Sanofi ist nur eine von mehreren Firmen im Industriepark. Aber der Betriebsarzt blieb hartnäckig. Seither stehen dort auch Erdnusshähnchen oder Feta-Quiche auf dem Speiseplan, mehr Gemüse, weniger Kohlenhydrate.

Currywurst vorne

Was kommt auf die Kantinen-Teller der Deutschen? Es gibt eindeutige - und nicht wirklich gesunde - Vorlieben. Der Caterer Apetito hat nachgefragt. Seit 20 Jahren hält sich ein Klassiker auf dem ersten Platz: Currywurst mit Pommes. Das sind die Top 5 der beliebtesten Kantinen-Gerichte:

Platz 1: Currywurst mit Pommes

Platz 2: Spaghetti Bolognese

Platz 3: Pizza

Platz 4: Chicken Nuggets mit Pommes

Platz 5: Alaska-Seelachs mit Kartoffeln

So weit wie Unternehmen in der Schweiz, die ihren Mitarbeitern für Pommes mehr und für Salat weniger berechnen, ist man hierzulande noch nicht. Aber Christmann glaubt schon, dass die Ernährungsindustrie die Kohlehydrate bewusst unterstützt und Kindernahrung unverantwortlich bewirbt. Die Umkehr beim Nikotin zeige doch, dass politisch viel zu bewegen sei, agitiert er beim Mittagessen noch ein bisschen.

Fresenius betreibt die meisten privaten Krankenhäuser in Europa und ist eine ziemlich große Nummer im Gesundheitswesen. Schon deshalb kann man sich nicht lumpen lassen, wenn es um gesunde Anreize für die eigenen Leute geht. Das reicht von Sonderkonditionen für Fitness-Studios, verbilligtem Rückentraining bis zum Rabatt für die konzerneigenen Vamed-Thermen in Österreich. Die deutschen Mitarbeiter werden in den hauseigenen Kliniken wie Privatpatienten behandelt. Gemeinsam mit der Kurstadt Bad Homburg gibt es einmal jährlich eine Gesundheitswoche mit Tipps, Tests und Informationen rund Vorsorge und Gesundheit.

Statt essen zu gehen, können die Mitarbeiter in der Konzernzentrale unter dem Motto "aktive Mittagspause" Muskulatur und Wirbelsäule stärken, sich entspannen, sich zu günstigen Konditionen massieren lassen. In der Broschüre "Ergonomie am Arbeitsplatz" stellen Azubis zusammen, was der Körper am Arbeitsplatz, am Bürostuhl zum Sitzen braucht. Dem Burnout wollen die Manager in Bad Homburg mit flexiblen Arbeitszeiten, Langzeitkonten und mehrmonatigen, bezahlten Auszeiten beikommen, etwa wenn es um die Pflege von Angehörigen geht. Pflichten gibt es für die Mitarbeiter auch, nämlich regelmäßige Erste-Hilfe-Kurse.

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