Ergebnisse der Pisa-Studie 2009:Luft nach oben

Mädchen mit einem Schuljahr Vorsprung: Zwar sind die Leistungen der deutschen Schüler beim Lesen besser geworden - doch vor allem Jungen haben Defizite. Das könnte auch am Stadtviertel liegen, in dem ihre Schule steht.

Tanjev Schultz

Die Verbesserungen deutscher Schüler in den Pisa-Tests geben den Kultusministern Aufwind. Den positiven Trend wolle man durch eine noch intensivere Förderung von Migranten und schwächeren Schülern fortsetzen, erklärte die Kultusministerkonferenz. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, die Pisa-Studien hätten dem Schulsystem gut getan. Das sei aber "kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen". Die Bundesregierung will die Freude an Büchern künftig schon vor der Schule stärken und fördert ein entsprechendes Programm der Stiftung Lesen mit 26 Millionen Euro. Wichtige Ergebnisse der Pisa-Studie im Überblick:

POpisa Grafik

15-jährige Mädchen können im Schnitt zwar besser lesen als gleichaltrige Buben, haben aber dafür größere Schwierigkeiten im Fach Rechnen.

(Foto: Grafik: SZ Grafik; sueddeutsche.,Grafik: SZ Grafik; sueddeutsche.de, S.Kaiser)

Nur Mittelmaß im Lesen - aber etwas weniger Leistungsschwache

Die deutschen 15-Jährigen, die bei den Pisa-Studien getestet werden, erreichen im Schnitt nur mäßige Leseleistungen. Seit dem Jahr 2000 gibt es aber durchaus Fortschritte. So hat sich der Anteil der sehr schwachen Leser von 22,6 auf 18,5 Prozent reduziert. Dies sei "besonders erfreulich", sagte der Sprecher des deutschen Pisa-Teams, der Frankfurter Bildungsforscher Eckhard Klieme. Der Leistungsunterschied zwischen guten und schlechten Lesern habe sich so stark verringert wie in keinem anderen Industriestaat. Außerdem sei auch die Lesefreude insgesamt gestiegen. Den Schülern waren zusätzlich zum Test auch Fragen zu ihrem Leseverhalten gestellt worden.

Großes Leistungsgefälle zwischen Jungen und Mädchen

In allen Staaten, die an Pisa teilgenommen haben, erbringen Mädchen im Schnitt bessere Leseleistungen als Jungen. Ihr Vorsprung entspricht dem Lernfortschritt eines ganzen Schuljahres; so ist es auch in Deutschland. In Finnland sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern noch deutlich größer. Die Mädchen in Deutschland haben sich zwischen der ersten und der neuen Pisa-Studie außerdem klar verbessert. Bei den Jungen ist der Trend dagegen weniger deutlich. Der Anteil herausragend guter Leser hat sich bei ihnen sogar leicht reduziert. Der Leiter des Berliner OECD-Büros, Heino von Meyer, sagte am Dienstag bei der Präsentation der Daten, Deutschland habe bei der Bildung "möglicherweise ein größeres Jungen- als ein Migrantenproblem". Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, richtet weltweit die Pisa-Studien aus. Mädchen sind indes im Rechnen bei den Tests nicht ganz so gut wie die Jungen.

"Sozial ungünstiges Schulumfeld"

Kinder von Migranten werden besser

Noch immer schneiden Schüler, deren Eltern als Einwanderer nach Deutschland kamen, viel schlechter ab als ihre Mitschüler, jedenfalls wenn man durchschnittliche Werte betrachtet. Der Abstand entspricht dem Lernfortschritt von fast anderthalb Schuljahren. Er hat sich aber seit dem Jahr 2000 bereits beträchtlich reduziert - von 84 auf 56 Testpunkte. Vergleicht man nur Kinder mit ähnlichem sozialen und ökonomischen Status der Eltern, so beträgt der Abstand von Migranten nur noch 27 Testpunkte. Das entspricht allerdings immer noch mehr als einem halben Schuljahr.

Das soziale Umfeld der Schule hat starken Einfluss auf den Bildungserfolg

In keinem anderen Land hat laut OECD ein "sozial ungünstiges Schulumfeld" einen so großen Einfluss auf die Leistungen von Schülern wie in Deutschland. Kinder, deren Schule in einem Viertel mit sehr schwacher Sozialstruktur liegt, schneiden sehr viel schlechter ab als Kinder aus ähnlichen familiären Verhältnissen, die eine Schule in besserer Lage besuchen. Der Abstand beträgt mehr als 100 Testpunkte im Lesen - das entspricht dem Lernfortschritt von gut zweieinhalb Schuljahren.

Nachholbedarf auch an Gymnasien

Die Verbesserungen Deutschlands bei Pisa beruhen darauf, dass die Schwachen stärker geworden sind. An der Leistungsspitze gibt es dagegen keine Bewegung, obwohl - wie die Pisa-Sieger in Asien oder Finnland zeigen - noch Luft nach oben wäre. Die deutschen Pisa-Forscher sehen deshalb "Nachholbedarf" an den deutschen Gymnasien. Dort fehle es oft an individueller Förderung.

Besondere Schwächen im "Reflektieren und Bewerten"

Bei der Lesekompetenz (Texte verstehen) unterscheiden die Pisa-Forscher verschiedene Dimensionen, eine davon nennen sie "Reflektieren und Bewerten". Ausgerechnet bei dieser wichtigen Dimension, die über bloßes Wissen, Auffinden und Erschließen von Informationen hinausgeht, schneiden deutsche Schüler vergleichsweise schlecht ab.

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