Erfurt:Bundesarbeitsgericht stärkt Rechte von HIV-Infizierten

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Als der Arbeitgeber von der HIV-Infektion eines Mitarbeiters erfährt, reagiert er prompt - mit der Kündigung. Jetzt äußert sich das Bundesarbeitsgericht zu dem Fall.

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat die Kündigung von HIV-Infizierten erschwert. Diese dürften nicht allein wegen ihrer Krankheit entlassen werden, entschied der Sechste Senat (6 AZR 190/12).

Eine HIV-Infektion sei nach den Gleichbehandlungsgrundsätzen einer Behinderung gleichzusetzen. Damit stünden die Betroffenen unter besonderem Diskriminierungsschutz. Dies gelte auch für die Probezeit. Ein Rauswurf wegen einer HIV-Infektion stelle somit eine unmittelbare Benachteiligung dar und sei daher unwirksam.

Über die Klage eines chemisch-technischen Assistenten entschieden die obersten Arbeitsrichter jedoch nicht. Sie verwiesen den Fall zurück an das Landesarbeitsgericht in Berlin. Das muss jetzt klären, ob die Kündigung gerechtfertigt war und dem Mann eine Entschädigung zusteht.

Verletzungsgefahr als Kündigungsgrund

Der Kläger war im Jahr 2010 von einem Arzneimittelhersteller für die Arbeit im Reinraum eingestellt worden. Als der Arbeitgeber jedoch von der HIV-Infektion des Mitarbeiters erfuhr, kündigte er ihm noch während der Probezeit. Das Unternehmen befürchtete, dass sich der Mann unbemerkt verletzen könne, da seine Arbeit auch den Umgang mit Glas und Aluminiumdeckeln erfordere. Der Betrieb stellt Krebsmedikamente her, die intravenös verabreicht werden.

Arbeitgeber müssten zwar kein Infektionsrisiko tragen, befanden die obersten Arbeitsrichter. Jedoch hätten sie angemessene Vorkehrungen für die Beschäftigung von HIV-Infizierten zu treffen, etwa durch die Bereitstellung von Sicherheitshandschuhen und ähnlichem. Ob dadurch dem Kläger die Arbeit im Reinraum hätte ermöglicht werden können, muss jetzt noch einmal überprüft werden.

Diskriminierungsschutzstellen begrüßten das Erfurter Urteil als wegweisend. "Auf diese Entscheidung haben die mit HIV infizierten Menschen in Deutschland lange gewartet", sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. Die Geschäftsführerin des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung in Berlin, Vera Egenberger, sieht eine Grauzone beseitigt und damit auch den Diskriminierungsschutz chronisch Kranker gestärkt.

Aus der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenkonvention hieß es, das Gericht habe klargestellt, dass eine Diskriminierung wegen einer HIV-Infektion ebenso wenig zulässig sei wie die Ungleichbehandlung aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe.

Das Humane Immunschwächevirus (HIV) ist der Erreger der Krankheit Aids. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts waren Ende 2012 etwa 78.000 Menschen in Deutschland infiziert. Bundesweit gab es im vergangenen Jahr mehr als 3400 Neuinfektionen.

© SZ.de/dpa/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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