Erfolgreiche Frauen:Die Arroganz des weiblichen Begehrens

Sie sind reicher, gesünder, besser ausgebildet als früher und sexuell befreit: Frauen werden immer erfolgreicher - und immer unglücklicher.

P. Steinberger

Nun können sich all jene, die den Einzug der Frauen in die männlichen Berufe und Domänen immer schon für fatal hielten, die Hände reiben und sich zuflüstern: "Manntje, Manntje, timpe te, Buttje, Buttje in der See...". Weil man nun endlich belegen könne, dass das verwerfliche Streben nach "mehr von allem" letztlich nur ins Unglück geführt habe.

Erfolgreiche Frauen: Reicher, gesünder, freier, besser ausgebildet und sexuell befreit: Trotzdem werden Frauen offenbar immer unglücklicher.

Reicher, gesünder, freier, besser ausgebildet und sexuell befreit: Trotzdem werden Frauen offenbar immer unglücklicher.

(Foto: Foto: ap)

Reicher, gesünder, freier

Das zumindest ist der erste Eindruck, den eine neue Studie von Betsey Stevenson und Justin Wolvers von der Universität von Pennsylvania vermittelt. "The Paradox of Declining Female Happiness", die diverse Glücksstudien seit 1970 einbezieht, kommt zu dem Schluss, dass "Frauen zunehmend unglücklicher geworden sind, sowohl absolut als auch im Verhältnis zu Männern. Frauen haben traditionell stets einen höheren Grad an Zufriedenheit angegeben als Männer, jetzt jedoch geben sie Werte an, die ähnlich oder gar niedriger sind als die der Männer".

Und das, obwohl Frauen, wie des Fischers Frau in Grimms Märchen, immer mehr erreichen: Frauen, zumindest die amerikanischen und europäischen (der Rest, nun ja, traurige Geschichte), sind reicher, gesünder, freier und besser ausgebildet als früher. Sie sind sexuell befreit und können selbst darüber entscheiden, ob und wie viele Kinder sie haben wollen. In manchen Studienfächern überholen sie bereits ihre männlichen Kommilitonen in Anzahl und Noten, in Professionen wie Medizin und Recht rücken sie ihnen immer mehr auf die Pelle.

Auftritt mit Geschrei

Und doch, und doch. Tief fallen sie auf dem Gradmesser des Glücks. Dies sei, meinen die Autoren, der neue Gender Gap, die neue Kluft zwischen den Geschlechtern. Auftritt der zwei Streitparteien mit Geschrei. Das Unglück, sagen die einen, rühre daher, dass Frauen immer noch viel zu wenig erreicht hätten, dass sie immer noch an die berühmte Glasdecke stoßen, immer noch zu wenig verdienen, immer noch nicht wirklich gleichberechtigt seien.

Ach was, meinen die anderen, die feministische Revolution habe zu einer Vermessenheit weiblichen Begehrens nach Anerkennung und Selbstbestimmtheit geführt; habe die Frauen in eine Rolle gedrängt, die wider ihr natürliches Empfinden stünde, ihre Sorge um den Nachwuchs, ums Wohl der Familie. Zurück in die Fischerhütte, Ilsebill!

Die Studie gibt weder dem einen noch dem anderen Lager recht, ja sie findet eigentlich selbst keinen hinreichenden Grund für das schrumpfende Glück der Frauen. Der Zerfall der Familie und die Zunahme der alleinerziehenden Mütter mag zwar zu mehr statistischem Unglücklichsein führen, allein daran kann es aber nicht liegen, sind doch etwa in den USA hispanische Frauen, die relativ gesehen viel öfter alleinerziehend sind, ebenso glücklich oder unglücklich wie reiche weiße Ostküstenbewohnerinnen in funktionierenden Beziehungen.

Auf der nächsten Seite: Männer helfen heute mehr im Haushalt als je zuvor - warum kann dies das Glück der Frauen auch nicht steigern?

Nach Büroschluss auf zur Hausarbeit

Zurück in die Fischerhütte

Die zunehmende Brutalität des turbokapitalistischen Arbeitslebens kann es ebenso wenig allein sein, denn zwischen amerikanischen und europäischen Frauen, deren soziales Netz sicherer geknüpft ist, gibt es kaum Unterschiede. Es mag an der Doppelbelastung liegen, die Frauen zu meistern haben, indem sie nach Büroschluss auch noch die Mehrzahl der Hausarbeit bewältigen müssen.

Aber das allein kann es auch nicht sein, denn die Männer helfen heute mehr mit als je zuvor (wenn sie auch längst nicht die Hälfte der Hausarbeit übernehmen) - was doch zu einer sanften, aber doch leichten Zunahme des weiblichen Glücks führen müsste. Schließlich weisen die Autoren noch auf die Möglichkeit hin, dass sich Frauen heute deshalb als unglücklicher einstufen, weil sie viel höhere Ansprüche haben als früher - an sich und an die Welt.

Aber vielleicht die Auflösung des Paradoxes in einer anderen Fragestellung: Warum eigentlich sind all die Männer, die doch zunehmend von den Frauen überholt werden, immer glücklicher? Sind sie es gar, die in die Fischerhütte zurückwollen?

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