Süddeutsche Zeitung

Erfolgreich Scheitern:Hurra, ich wurde entlassen

Eine Frage der Einstellung: Wer mit beruflichen Misserfolgen richtig umgeht, für den kann selbst die Kündigung zu einer Chance werden.

Maria Holzmüller

Es hätte so schön sein können, war alles perfekt durchgeplant. Abitur, Studium, der erste Job - und dann auch noch gleich bei einer Unternehmensberatung. Jan Luckes Karriere verlief perfekt. Und dann das: mitten in der Wirtschaftskrise die Kündigung. Nach eineinhalb Jahren im Beruf.

Seine gesamte Lebensplanung wird plötzlich über den Haufen geworfen, er fühlt sich wie ein Fisch, der aufs Trockene geworfen wurde. Jan Lucke kämpft mit dem Gefühl, gescheitert zu sein. Der erste große Misserfolg in seinem Leben - mochte er noch so betriebsbedingt sein - stellt alles in Frage. Wohin jetzt?

An einen solchen Scheidepunkt gelangen in Zeiten der Wirtschaftskrise viele Arbeitnehmer. Sparmaßnahmen in Unternehmen ziehen Kündigungen nach sich und Freiberuflern brechen die Aufträge weg. Das große Stigma, von dem noch vor der Wirtschaftskrise jedes berufliche Scheitern behaftet war, ist mittlerweile einer breiten Akzeptanz gewichen. Scheitern ist salonfähig geworden.

Der gesellschaftliche Druck hat damit abgenommen, aber noch immer kämpfen die Betroffenen in ihrer Krise mit sich selbst ebenso wie mit den Erwartungen ihres unmittelbaren Umfelds. Ein Kampf, aus dem sie am Ende gestärkt hervorgehen können. Denn hinter jedem Misserfolg versteckt sich eine Chance - wenn man typische Fehler vermeidet. Weder der Rückzug in ein Schneckenhaus noch blinder Aktionismus helfen weiter.

"Viele Betroffene fallen sofort nach ihrem Jobverlust in eine hektische Betriebsamkeit, schreiben wahllos Bewerbungen. Sie geben sich keine Zeit für eine gewisse Trauerphase, die einfach nötig ist", sagt der Nürnberger Psychologe und Karrierecoach Markus Väth. Erst einmal sacken lassen, tief durchatmen und das Geschehene verarbeiten. "Wer das nicht tut, den holt die Frustration irgendwann ein", sagt er.

Diesen Prozess der Selbstreflektion hält auch Susanne Rausch, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung, für essentiell. Auch wenn er manchmal schmerzt. Bevor sich die Betroffenen in etwas Neues stürzen, sollten sie erkennen, was bislang eigentlich schiefgelaufen ist. Bei der Suche nach Fehlern ist absolute Ehrlichkeit mit sich selbst unabdingbar. Manchmal hilft es auch, den Vorgesetzten im Abschlussgespräch direkt nach Verbesserungsvorschlägen zu fragen.

So wichtig Selbstkritik ist, um nach einem Misserfolg wieder aufzustehen und weiterzumachen - zuviel Selbstgeißelung sollte man vermeiden. "Man darf sich nicht allzusehr auf die eigenen Fehler konzentrieren und sich dem eigenen Unglück hingeben. Anstatt in Antriebslosigkeit zu verfallen, sollte man konstruktiv eine positive Zukunftsvision entwickeln", betont Karriereberaterin Rausch. "Oft hat der Verlust des Arbeitsplatzes überhaupt nichts mit persönlichem Scheitern zu tun."

Um aus dem tiefen Loch der Verzweiflung zu kommen, helfen oft schon kleine Tricks. "Der Betroffene kann ein Positiv-Tagebuch führen, in das er jeden Tag drei Dinge schreibt, die ihm gut gelungen sind", rät Psychologe Väth. Mit einer positiven Einstellung lässt sich dann auch konkretisieren, wie die Zukunft aussehen soll. "Drei wichtige Fragen müssen geklärt werden: Was kann ich aus meinem Scheitern lernen? Wo liegen meine Fähigkeiten? Wohin will ich jetzt beruflich?", sagt der Psychologe.

Es geht nicht um den perfekten Lebenslauf

Erst wer eine klare Vorstellung davon hat, wie er sein Leben künftig gestalten und welche beruflichen Wege er gehen will, kann gezielt seine weitere Laufbahn planen. Und die sieht möglicherweise ganz anders aus als vor dem Rauswurf.

Genau darin liegt die Chance des Scheiterns: Die Zwangspause gibt Zeit zum Nachdenken, Zeit für eine Standortbestimmung, Zeit, das bisherige Lebensmodell in Frage zu stellen und gegebenenfalls eine Veränderung einzuleiten. "Im ersten Moment ist ein Bruch im eigenen Lebenslauf sehr bedrohlich. Aber er bietet auch die Chance, Fehlentwicklungen zu korrigieren", sagt Rausch.

Beim konkreten Wiedereinstieg in die Arbeitswelt sollten sie sich schließlich auf sich selbst und ihre Fähigkeiten konzentrieren. "Es bringt nichts, sich zehn Bewerbungsratgeber aus der Bücherei zu holen und sich daraus einen vermeintlich perfekten Lebenslauf zu basteln", sagt Karriereberaterin Rausch. Vielmehr gehe es darum, seine eigene Persönlichkeit in jede Bewerbung einzubringen.

Nicht um eine Stelle betteln

Wer über ein großes Netzwerk zurück in die Arbeitswelt will, sollte sich erst dann Ansprechpartner suchen, wenn er genau weiß, was er will. "Ein diffuses: `Ich suche einen Job´, bringt einen da nicht weiter", sagt Rausch. "Viel sinnvoller, als direkt mit der Tür ins Haus zu fallen und nach einer Stelle zu fragen, ist es, die Einzelnen als Experten und Sparringspartner zu nutzen." Wer andere um eine Einschätzung bezüglich der eigenen Pläne oder um guten Rat bitte, gebe ihnen nicht gleich das Gefühl, in die Verantwortung genommen zu werden, mobilisiere aber oftmals ihre Hilfsbereitschaft. Nach dem Gespräch überlegten sie oft doch, wo es eine geeignete Stelle geben könnte, sagt Rausch.

Wer diese geeignete Stelle irgendwann hat, kann schließlich gestärkt und mit Leichtigkeit auf den eigenen Misserfolg zurück blicken. Jan Lucke hat diesen Weg noch vor sich. Wie es genau weitergehen soll, weiß er noch nicht, aber zumindest von vorschnellen Bewerbungen hat er inzwischen wieder abgelassen. Und irgendann kann er vielleicht sagen, dass er aus seiner Krise das Beste gemacht hat.

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