Erfolg und Kündigung:Gestern Chef, heute arbeitslos

Gekündigte Führungskräfte fallen besonders tief. Sie besitzen wenig Talent zur Selbstreflexion - und präsentieren sich bei der Jobsuche deshalb arrogant und überheblich.

Juliane Lutz

Bevor er seinen Job verlor, war Thomas Hartung (Name geändert) Manager in der Automobilindustrie. Die erste Zeit der Arbeitslosigkeit empfand der 38-Jährige als Hölle: Er saß zu Hause herum, vermisste eine Aufgabe, fühlte sich verloren ohne sein Team. Dabei waren es nicht einmal Geldsorgen, die ihn plagten. Führungskräfte wie Hartung, die oft eine komfortable Abfindung erhalten, verkraften eine Entlassung finanziell besser als Sachbearbeiter, denen die Angst vor Hartz IV im Nacken sitzt. Doch bei Ex-Geschäftsführern oder Abteilungsleitern wiegt neben dem Gefühl, vielleicht nicht gut genug gewesen zu sein, der Verlust von persönlicher Bedeutung und Gestaltungsrahmen besonders schwer.

"Zuerst bedeutet eine solche Veränderung immer ein großes Unglück, egal ob man den Job geliebt oder gehasst hat", sagt Philipp Gebhard von der Personalberatung Acclivitas in München. Wer es gewohnt war, das Asien-Geschäft voranzutreiben oder Produkte zu entwickeln, leidet darunter, dass er die Situation nicht wie gewohnt managen kann. "Gestern war man gefragt, heute kräht kein Hahn mehr nach einem - das schmerzt", sagt Riet Grass von der Zürcher Out-/Bestplacement Beratung Grass & Partner AG.

Jahre auf der Überholspur

Gerade erfolgreiche Menschen haben an einer Kündigung zu kauen. Viele sind wie gelähmt und schaffen es nicht, die Erkenntnis, dass man einen neuen Job suchen müsste, in Aktion umzusetzen. Darüber vergeht wertvolle Zeit. Denn in der ersten Phase nach der Entlassung werden die Weichen für die Zukunft gestellt.

Falsch wäre beispielsweise der Versuch, die Arbeitslosigkeit als Sprung in eine nicht näher umrissene Selbständigkeit zu verbrämen. Oder der überstürzte Aufbruch zu einem langen Segeltörn. "Das heißt nichts anderes, als dass jemand nicht weiß, was er mit sich anfangen soll", sagt Eckart Eller von der Münchner Beratung El-Net Consulting. Nach Jahren auf der Überholspur, in denen Privatleben und persönliche Interessen zu kurz kamen, mag es verlockend sein, endlich den Traum von der Weltumsegelung zu verwirklichen. Doch das schade dem Ruf und der weiteren Karriere, meint Eller. Denn wer gefragt sei, nehme nicht plötzlich eine Auszeit. Ellers Rat an Ex-Chefs auf Jobsuche: erst mal den Mund halten, sich neu aufstellen und dann gezielt kommunizieren.

Wenig Talent zur Selbstreflexion

Nach dem ersten Schock über die Entlassung muss eine Neuorientierung stattfinden. "Wer ein klares Eigenbild hat, bei dem dauert diese Phase nicht sehr lange. Schon nach wenigen Wochen wird er auf sein neues Ziel lossteuern", sagt der Münchner Berater Gebhard. Doch viele, egal wie erfolgreich sie vor kurzem noch waren, besäßen erstaunlich wenig Talent zur Selbstreflexion und schätzten sich falsch ein. "Meistens zu positiv", sagt der Schweizer Berater Grass. "Das Gros benötigt eine sogenannte Eigenkapitalbilanz nach dem Motto: Wer bin ich, was kann ich, und wo will ich hin?"

Job verloren, Titel weg und keine konkreten Pläne in Sicht - aus Sicht der Consultants bräuchten die meisten entlassenen Führungskräfte nach einer harten Landung professionelle Unterstützung, allein schon um ihre Chancen realistisch einschätzen zu können. Doch viele glaubten, es alleine zu schaffen und vertrauten auf ihre frühere Bedeutung. Und verkennen dabei, dass sie ohne Job und Macht für andere nicht mehr interessant sind. Oder es reue sie schlicht, Geld für Beratung auszugeben. "Wurde von Seiten des alten Unternehmens keine Unterstützung vertraglich vereinbart, beobachtet man immer wieder, dass entlassene Führungskräfte trotz einer Abfindung in Millionenhöhe nicht bereit sind, zwischen 20.000 und 30.000 Euro für ein Outplacement auszugeben", wundert sich Eller.

Stolz ist fehl am Platz

Das Netzwerk nutzen

Nach der Neupositionierung legen die Berater mit ihrem Klienten fest, wie das Ziel oder der angestrebte neue Job erreicht werden können. Dabei beobachten sie oft: Wer jahrelang das Sagen hatte, dem fällt es schwer, sich plötzlich wieder in eine Bewerbungssituation zu begeben. Doch Stolz ist ebenso fehl am Platz wie die Bereitschaft, sich aus purer Verzweiflung unter Wert zu verkaufen. "Die Position, für die man in Frage kommt, will gut überlegt sein", sagt Eller. Die Aufgabe des Outplacement-Beraters ist es, die in Frage kommenden Zielunternehmen auszusuchen, dort die entsprechenden Positionen für den Kandidaten zu finden und ihn dann für die Gespräche auf diese Stelle hin zu trainieren.

Zusätzlich rät Gebhard Ex-Führungskräften ihr Netzwerk bei der Jobsuche zu nutzen. "Viele sind sich gar nicht darüber bewusst, wie gut sie vernetzt sind." Eller warnt davor, sich zu sehr auf Kontakte zu Personalberatern zu stützen. "Sie arbeiten meist mandatsbezogen, im Auftrag von Firmen, und können daher wenig für eine Person tun, die einen bestimmten Job sucht." Da geteiltes Leid halbes Leid bedeutet, bietet Riet Grass in Zürich Gruppen-Workshops an: "Es ist wichtig, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Wer nur für sich bleibt, findet schwerer eine neue Ausrichtung."

Thomas Hartung suchte Hilfe. Gemeinsam mit einem Outplacement-Berater entwickelte er einen alten Gedanken bis zur Geschäftsreife weiter. In seinem früheren Job hatte er oft mit Aufsichtsräten zu tun und war schon damals auf die Idee gekommen, irgendwann einmal Manager, die neu in ein Kontrollgremium gewählt werden, gegen Geld in ihre rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Aufgaben einzuweisen. Das setzt er jetzt in die Tat um. Obwohl er viel weniger verdient als früher, geht er in der neuen Aufgabe auf. Dem alten Leben als Auto-Manager trauert er jedenfalls nicht nach.

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