Erfolg im Beruf:"Der Nette ist der Depp"

Wie müssen Erfolgsmenschen beschaffen sein? Die Organisationspsychologin Claudia Eilles-Matthiessen über den Zusammenhang von Macht, Erfolg und Teamgeist.

Julia Bönisch

sueddeutsche.de: Überstunden, Stress, nicht abschalten können: Erfolg fordert oft einen hohen Preis. Was motiviert uns, trotzdem Karriere zu machen?

Claudia Eilles-Matthiessen

Claudia Eilles-Matthiessen: "Eine Firma muss deutlich machen, dass Fairness und ein respektvoller Umgang eben doch zu etwas gut sind."

(Foto: Foto: oH)

Claudia Eilles-Matthiessen: Wir alle werden dabei in der Regel von drei Motiven angetrieben. Erstens vom Wunsch, dazuzugehören. Wenn wir uns engagieren, erzeugt das eine Bindung an Kollegen und das Unternehmen. Zweites ist da das Leistungsmotiv - für viele ist es wichtig, eine herausragende Qualität abzugeben. Und drittens spielt die Macht eine Rolle: Wir wollen selbständig Entscheidungen treffen, andere beeinflussen und einer Sache unseren Stempel aufdrücken. Dieses Motiv ist bei einigen natürlich stärker ausgeprägt.

sueddeutsche.de: Kollegen und Chefs, bei denen das Machtmotiv stärker ausgeprägt ist, können ganz schön unangenehm sein.

Eilles-Matthiessen: Natürlich. Das schlägt dann schnell um in Machtmissbrauch und mangelnde Selbstreflexion.

sueddeutsche.de: Muss man so sein, wenn man nach oben kommen will?

Eilles-Matthiessen: Um erfolgreich zu sein, braucht man auf jeden Fall den Willen zur Macht. Aber er sollte sich natürlich nicht in dieser Weise und derart negativ zeigen. Dennoch: Wer Karriere machen will, muss ein stabiles Selbstwertgefühl und ein positives Selbstbild haben. Sich permanent selbst zu hinterfragen und sehr schnell irritiert zu sein, ist hinderlich. Ein Erfolgsmensch muss prinzipiell von sich überzeugt sein.

sueddeutsche.de: Wie verhindert man, dass der Machtwille in Machtmissbrauch umschlägt?

Eilles-Matthiessen: Chefs und erfolgreiche Manager sollten sich auch mal selbstkritisch sehen, einen humoristischen Abstand zu sich selbst gewinnen, um so die eigene Bedeutung wieder ins rechte Licht zu rücken. Viele bewegen sich immer nur in einer künstlichen Welt aus Meetings, Konferenzen und Geschäftsessen. Wenn man nicht bewusst aus diesem engen Radius ausbricht, besteht natürlich die Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren. Aber die Verantwortung dafür liegt nicht nur beim Menschen allein, sondern auch bei der Organisation.

sueddeutsche.de: Was kann denn ein Unternehmen tun, damit die Angestellten auf dem Teppich bleiben?

"Der Nette ist der Depp"

Eilles-Matthiessen: Grundsätzlich werden negative Persönlichkeitsveränderungen aufgrund von Macht immer auch durch die Organisationskultur gefördert. Wenn der Nette der Depp ist, stimmt etwas nicht: Sobald Mitarbeiter merken, dass sie mit Fairness und Teamgeist keine Karriere machen, suchen sie sich entweder einen neuen Job, oder sie gewöhnen sich diese Eigenschaften ab. Eine Firma muss in ihren eigenen, unausgesprochenen Regeln deutlich machen, dass Fairness und ein respektvoller Umgang eben doch zu etwas gut sind.

sueddeutsche.de: Wenn sich Mitarbeiter keinen neuen Job suchen, sondern an die Verhältnisse anpassen - wie schnell geht das?

Eilles-Matthiessen: Dieser Prozess dauert nicht lange. Jeder passt sich zügig an, das passiert innerhalb eines Jahres. Alles andere ergibt auch keinen Sinn - ein Mitarbeiter muss schließlich ökonomisch funktionieren und so arbeiten, wie es die Organisation verlangt. Je länger man in einem Unternehmen arbeitet, desto weniger nimmt man die Vorgänge als Besonderheit dieser einen Firma wahr. Organisationsspezifisches gilt dann als normal - bis man sich vielleicht so sehr identifiziert, dass man seine Rolle im Unternehmen auch außerhalb ausfüllt.

sueddeutsche.de: Man spielt sich im Privatleben als Chef auf?

Eilles-Matthiessen: Zum Beispiel. Oder man legt Verhaltensmuster zu Grunde, die vielleicht im Job angemessen sind, aber nicht im Privaten. Wunderbar überzeichnet dargestellt ist so etwas zum Beispiel in Loriots Film "Pappa ante portas": Der Ruheständler Heinrich Lohse wirtschaftet zu Hause genauso wie bei seinem Arbeitgeber. Deshalb hat seine Gattin plötzlich 150 Gläser Senf auf einmal in der Küche.

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