Süddeutsche Zeitung

Equal-Care-Day:Ein Schalttag für die Care-Arbeit

  • Zum ersten Mal wird am 29. Februar mit dem "Equal-Care-Day" darauf hingewiesen, dass 80 Prozent der Fürsorgetätigkeiten von Frauen erbracht werden.
  • Den Initiatoren geht es darum, im privaten und professionellen Bereich die Wertschätzung für Tätigkeiten in den Bereichen Kinderbetreuung, Pflege und Haushalt zu erhöhen.

Von Sarah Schmidt

Einmal im Jahr wird mit dem Equal-Pay-Day auf die Lohnungleichheit hingewiesen, die zwischen Frauen und Männern herrscht. Dieses Jahr fällt der Tag auf den 19. März. So lange müssen Frauen im Schnitt länger arbeiten, um auf das Jahresgehalt des Durchschnittsmannes kommen.

2016 bekommt auch ein anderer, mindestens ebenso drängender Missstand seinen eigenen Tag - an diesem Montag wird erstmals der Equal-Care-Day begangen. Ins Leben gerufen haben das Projekt die beiden Autoren und Blogger Almut Schnerring und Sascha Verlan. Der 29. Februar wurde mit Bedacht zum "Feiertag" auserkoren - den Schalttag gibt es nur alle vier Jahre.

Und vier Jahre, das sei ziemlich genau die Zeitspanne, die Männer brauchen, um so viel Fürsorgetätigkeiten zu erbringen wie Frauen in einem Jahr. Haushalt, Kinderbetreuung, Altenpflege: 80 Prozent der Kümmeraufgaben im Privaten wie auch im professionellen Bereich würden in Deutschland vom weiblichen Teil der Bevölkerung übernommen, sagen die Initiatoren unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.

Das Thema ist größer als die Frage "Wer macht wie viel im Haushalt?"

Die Idee, den 29. Februar zum Equal-Care-Day zu machen, kam Schnerring und Verlan erst vor Kurzem, als sie zu einer Vortragsreihe über ihr Buch "Die Rosa-Hellblau-Falle - für eine Kindheit ohne Rollenklischees" unterwegs waren. Einmal mehr fiel ihnen auf: "Fürsorgearbeit wird in unserer Gesellschaft nicht wertgeschätzt, schlecht bezahlt und vor allem von Frauen gemacht."

Ganz bewusst soll der Equal-Care-Day sowohl die private als auch die professionelle Fürsorgearbeit umschließen. Es soll mehr als ein "Heute-putzt-mal-der-Mann-Gedenktag" sein, wie Schnerring und Verlan auf ihrem Blog klarstellen. Zwar erreiche man über die "Wer macht wie viel im Haushalt?"-Debatte erst einmal viele Leute. "Doch es wäre schade, wenn die Diskussion da hängen bleibt", so Verlan. Schließlich sei die Dimension des Themas viel größer als nur die Frage danach, wer Schulbrote schmiert und das Bad putzt.

Wer in der Kinderbetreuung oder im Pflegebereich arbeitet, riskiert Altersarmut. Zunehmend wird Fürsorge-Arbeit weiter professionalisiert und nach außen gegeben - und oft von prekär bezahlten ausländischen Arbeitskräften übernommen, zumeist von Frauen aus Osteuropa. Doch was in Deutschland notdürftig eine Versorgungslücke stopft, reißt in den Heimatländern der Care-Arbeiterinnen neue auf. Letztlich laufe alles auf die Frage hinaus, was uns in Deutschland "Kümmerarbeit" wert ist, sind Schnerring und Verlan überzeugt. Und das sei ein Thema, das nicht nur Frauen etwas angehe, sondern die Gesellschaft als Ganzes.

"Es geht darum, wie wir zusammenleben wollen"

Über das große Interesse und die breite Medienresonanz zum ersten Equal-Care-Day freuen sich die beiden Initiatoren. Auch einige Politikerinnen gehören zu den Unterzeichnern einer Unterstützerliste. Elke Ferner, Staatssekretärin des Familienministeriums, steuert ein Grußwort bei. Seitens der Wirtschaft ist die Resonanz jedoch verhalten. Keines der angesprochenen Unternehmen habe mitmachen wollen. "Da heißt es dann, Care-Arbeit ist eine Privatentscheidung des einzelnen."

Das sehen Almut Schnerring und Sascha Verlan ganz anders: "Care-Arbeit ist nicht das Private, es ist das, was unsere Gesellschaft zusammen hält. Es geht darum, wie wir zusammenleben wollen, wie wir älter werden wollen und in welche Welt wir unsere Kinder schicken wollen."

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