Fast sieben Monate hatten Unternehmen Zeit, sich vorzubereiten. Von diesem Donnerstag an müssen sie Mitarbeitern erklären, warum sie ein bestimmtes Gehalt bekommen und was ihre Kollegen verdienen. Grund dafür ist das Entgelttransparenzgesetz. Es soll Betriebe entlarven, die Frauen systematisch schlechter bezahlen. Trotzdem kann es auch Männern helfen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was muss der Arbeitgeber preisgeben?
Unternehmen müssen einem Angestellten auf Anfrage mitteilen, nach welchen Kriterien es dessen Gehalt festgelegt hat. Außerdem muss offengelegt werden, wie viel einer Gruppe von Mitarbeitern mit ähnlichen Tätigkeiten im Mittel gezahlt wird. Frauen werden dabei mit Männern verglichen und Männer mit Frauen. Auch für die Vergleichsgruppe muss erklärt werden, wie sich unterschiedliche Gehälter begründen lassen, zum Beispiel durch die jeweilige Ausbildung und Berufserfahrung.
Wer sollte diese Auskunft verlangen?
Auf jeden Fall Frauen - und möglicherweise auch Männer - die den Verdacht haben, aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert zu werden. Fällt das Vergleichseinkommen höher aus, ist das ein Indiz für Ungleichbehandlung. Aber auch für alle anderen können die Informationen interessant sein. Sie sind eine gute Vorbereitung auf die nächste Gehaltsverhandlung.
Gilt der Auskunftsanspruch ausnahmslos für jeden Angestellten?
Nein, auskunftspflichtig sind nur Betriebe mit mindestens 200 Beschäftigten. Unter Umständen müssen auch diese Unternehmen kein Vergleichsentgelt nennen. Das ist der Fall, wenn weniger als sechs Kollegen des anderen Geschlechts mit den gleichen oder vergleichbaren Aufgaben betraut sind. So soll sichergestellt werden, dass niemand herausfinden kann, was ein bestimmter anderer Mitarbeiter verdient.
Wie fordere ich mein Recht ein?
Dazu reicht ein formloses Schreiben per Brief oder E-Mail. Wenn es einen Betriebsrat gibt, ist das der Adressat. Ansonsten wendet man sich an den Arbeitgeber.
Müssen sich Arbeitnehmer auf bestimmte Vorschriften berufen, um ihren Anspruch geltend zu machen?
Verweise auf Paragrafen sind nicht nötig. Ein Formulierungsvorschlag wäre: Ich bitte gemäß dem Entgelttransparenzgesetz um Auskunft über Kriterien und Verfahren meiner Entgeltfindung und das Vergleichsentgelt - zum Beispiel vergleichbarer Mitarbeiter in der Buchhaltung, wenn das die eigene Abteilung ist. Neben dem Monatsgehalt können bis zu zwei Entgeltbestandteile genannt werden, die bei dem Vergleich berücksichtigt werden.
Welche Gehaltsbestandteile sollten Angestellte wählen?
Boni und die private Nutzung eines Dienstwagens sind die größten Posten. Welche Vorteile einzelnen Mitarbeitern gewährt werden, ist aber vom Betrieb abhängig.
Was passiert, wenn der Anspruch geltend gemacht wurde?
Das Unternehmen hat drei Monate Zeit, die Vergleichsgruppe zu definieren, das Vergleichsentgelt zu berechnen und die Auskunft zu erteilen. Unabhängig vom Ergebnis ist es dem Mitarbeiter selbst überlassen, ob er darauf reagiert.
Was geschieht, wenn die Vergleichsgruppe zu klein ist? Wird die Auskunft dadurch nutzlos?
In diesen Fällen muss der Arbeitgeber nur die Kriterien der Entgeltfindung nennen. Darüberhinaus ist in diesem Fall keine Auskunft auch eine Auskunft: Wenn ausreichend Kollegen den gleichen Titel tragen oder im Organigramm gleichberechtigt dargestellt sind, kann man erst mal davon ausgehen, dass diese auch vergleichbar sind. Wenn das nicht so ist, muss der Arbeitgeber das erklären. Ein Anwalt kann helfen, diese Auskunft einzufordern.
Als Vergleichsentgelt wird der Median des monatlichen Bruttoentgelts der Kollegen genannt. Was heißt das genau?
Für jeden Mitarbeiter in der Gruppe werden das monatliche Grundgehalt und die Entgeltbestandteile addiert, dann werden sie in eine Rangliste gebracht. Die Höhe des Einkommens, das in der Mitte liegt, wird als Vergleichsentgelt mitgeteilt. So verzerren einzelne Spitzengehälter nicht das Bild der allgemeinen Bezahlung.
Ist ein hohes Vergleichsentgelt ein Beweis für Diskriminierung?
Es gibt viele Gründe, einige Mitarbeiter besser zu bezahlen als andere, mehr Expertise in dem konkreten Arbeitsfeld zum Beispiel. Trotzdem können Betroffene direkt aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auf Schadenersatz oder Entschädigung, also unabhängig vom möglichen finanziellen Schaden, klagen. Dass er nicht diskriminiert, muss dann der Arbeitgeber beweisen.
Welche Fristen gibt es zu beachten?
Wenn die Auskunft vorliegt, hat der Arbeitnehmer drei Monate Zeit, zu klagen. Macht er seine Ansprüche innerhalb von acht Wochen schriftlich geltend, verlängert sich die Frist ab diesem Zeitpunkt um weitere drei Monate.
Wie groß sind die Chancen, vor Gericht Erfolg zu haben?
Das ist schwer zu sagen. Es wird Jahre dauern, bis Gerichte die Lücken des Gesetzes ausgedeutet haben.
Welche Risiken gibt es?
Wenn sich der Betriebsrat um die Auskunft kümmert, bleibt der Mitarbeiter erst mal anonym. Der Arbeitgeber kann das Verfahren aber an sich ziehen. Möglicherweise interpretiert er eine Gehaltsanfrage dann als Misstrauen. Zwar darf er niemanden benachteiligen, nur weil er seine Ansprüche geltend macht. Aber eine Garantie gibt es nicht. Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, trägt bei einer Klage das Risiko der Anwalts- und Gerichtskosten.