England:Wo man vom guten Ruf lebt

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Oxford und Cambridge haben an Glanz verloren.

Imke Henkel

Der Streit ist erbittert. Ein Gesetzentwurf, den Bildungsminister Charles Clarke am Donnerstag vorlegte, erlaubt es den britischen Universitäten, ab 2006 nach eigenem Gutdünken pro Jahr bis zu 4300 Euro Studiengebühren zu kassieren. Bislang gilt ein gleicher Satz von umgerechnet rund 1700 Euro jährlich für alle Hochschulen. An die hundert Abgeordnete der regierenden Labour-Partei drohen, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Umgekehrt hat Premierminister Tony Blair seine politische Zukunft an die flexible Gebührenregelung geknüpft. Der Streit tobt um soziale Gerechtigkeit einerseits, Qualitätssicherung andererseits.

Geradewegs in die City

Um die Bitterkeit zu verstehen, mit der die Auseinandersetzung geführt wird, muss man wissen, dass die englischen Universitäten ein Teil des immer noch rigiden Klassensystems der Insel sind. Bis ins 19. Jahrhundert gab es in England nur zwei Universitäten: Oxford und Cambridge. Dort zu studieren bedeutete für die wenigen Privilegierten zugleich den Eintritt in die bestbezahlten und bestangesehenen Berufe des Landes: vor allem im Finanzzentrum der Londoner City, aber auch in den Medien. Umgekehrt ebnete Geld auch den Eintritt in diese Eliteunis: Teure Privatschulen bereiten auf die Aufnahmeprüfungen wesentlich erfolgreicher vor als die gebührenfreien Staatsschulen.

Die Rangfolge britischer Unis folgt traditionell ihrem Alter. So gelten die im 19. Jahrhundert gegründeten "Red-Brick"-Unis wie Manchester, so genannt nach den roten Ziegelsteinen, aus denen sie erbaut wurden, als die zweite Liga hinter "Oxbridge". Ganz unten stehen die vor gut zehn Jahren zu Universitäten umbenannten Fachhochschulen, die immer noch als "frühere Polytechnics" belächelt werden. In jüngerer Zeit freilich hat sich das Ranking etwas verändert. Oxford gehört nicht mehr zu den allerbesten Universitäten, jüngere Hochschulen wie Warwick und vor allem die rund hundert jahre alte London School of Economics dagegen gelten auch international als Spitze.

Entscheidend für die Qualität der englischen Eliteunis ist eine rigorose Bewertung der Forschung, von der auch die Finanzierung der Universitäten abhängt. Zum zweiten aber wird größter Wert auf eine sorgfältige Betreuung der Studierenden gelegt. Die Abbrecherquote der Spitzenunis liegt dementsprechend bei drei bis fünf Prozent.

© SZ vom 12.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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