Elternzeit:Väterfreundlichkeit liegt im Trend

Mehr Anträge, weniger Vorbehalte: Immer mehr Väter legen für den Nachwuchs eine Jobpause ein. Für Firmen entwickelt sich dies zum Wettbewerbsvorteil.

Sebastian Knoppik

Wenn Hagen Bender das Essen für seine einjährige Tochter Luise zubereitet, wird kein Gläschen geöffnet. Er kocht und püriert selbst Gemüse und bereitet daraus einen Brei zu. Der 35-Jährige geht mit Luise auch in die Krabbelgruppe, und sogar die ersten Englisch-Brocken schnappt die Kleine im Kontakt mit Gleichaltrigen in einer Baby-Gruppe auf. Seine Vaterrolle nimmt Bender sehr ernst. Fünfeinhalb Monate hat er Elternzeit genommen, während Luises Mutter als Ärztin arbeiten ging.

Elternzeit; AP

Trend: Immer mehr Väter gehen in Elternteilzeit.

(Foto: Foto: AP)

Doch inzwischen ist aus dem hauptberuflichen Familienmanager wieder der Software-Manager beim Internet-Auktionshaus Ebay geworden. Luise wird von den Großeltern und einer Tagesmutter betreut, wenn die Eltern zur Arbeit sind. Bender hat es nie bereut, für Luise zeitweise den Schreibtisch mit dem Wickeltisch getauscht zu haben: "Das war eine Super-Entscheidung."

Pausieren nicht nur fürs Elterngeld

So wie Bender machen es immer mehr Väter. Die Anträge auf Elterngeld sind nach Einführung des neuen Kindergelds in die Höhe geschnellt. Während früher der Anteil von Vätern, die Elternzeit nehmen, laut Statistischem Bundesamt nur bei drei Prozent lag, so stieg die Zahl im ersten Quartal dieses Jahres auf 18,5 Prozent. Eine starke Zunahme zwar, wenn auch auf niedrigem Niveau: Lediglich 60.000 Väter waren im gesamten Jahr 2007 in Elternzeit. Mehr als 500.000 Mütter verzichteten im gleichen Zeitraum zugunsten ihrer Kinder auf den Job.

Grund für den Anstieg dürfte das neu eingeführte Elterngeld sein. Nämlich nur, wenn auch der Vater mindestens zwei Monate Elternzeit nimmt, haben Eltern Anspruch auf die vollen 14 Monate Elterngeld, das immerhin 67 Prozent des letzten Nettogehalts beträgt. Diese von manchen Unionspolitikern zunächst als "Wickelvolontariat" verspotteten Vätermonate führen jetzt dazu, dass sich viele Männer eine Auszeit für ihre Kinder gönnen. Familienministerin Ursula von der Leyen hat inzwischen angekündigt, die Anzahl der obligatorischen Vätermonate künftig noch zu erhöhen.

Dabei sind viele Väter nach Angaben von Volker Baisch schon jetzt dankbar, dass es ihnen nach dem neuen Gesetz leichter gemacht wird, eine Babypause anzutreten: "Das Bedürfnis bei den Vätern, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, ist wahnsinnig groß. Viele haben aber noch Vorbehalte, dies in der Firma anzusprechen", sagt Baisch, der im Verein Vaeter e.V. immer wieder Männer berät, die sich eine Auszeit für ihr Kind nehmen wollen.

Dass viele Väter bei ihren Vorgesetzten auf wenig Verständnis hoffen, wenn es um die Elternzeit geht, bestätigt auch eine Studie der Kölner IGS Organisationsberatung im Auftrag der Hessenstiftung. Demnach ist etwa jeder dritte Mann unzufrieden mit der Gewichtung von Familie und Beruf, 40 Prozent sehen sich in einem starken Konflikt zwischen beruflichen und familiären Anforderungen. Mehr als 70 Prozent der befragten Männer gaben bei der Studie aber an, dass sie mit negativen Konsequenzen durch den Chef rechnen, wenn sie familienfreundliche Angebote wie die Elternzeit in Anspruch nehmen.

Motivationsschub durch Auszeit

"Das gewandelte Rollenbild des Vaters ist in vielen Firmen noch nicht angekommen", sagt Judith Kohn, Autorin der Studie. Vor allem große Firmen haben die Wichtigkeit des Themas aber inzwischen erkannt. Volker Baisch hat daher die Unternehmensberatung "Dads - Väter in Balance" gegründet und berät Firmen wie Airbus in Sachen Väterfreundlichkeit. Inzwischen gilt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Großunternehmen als Wettbewerbsvorteil im Kampf um Fach- und Führungskräfte.

Es lohne sich für die Betriebe, sich mit den Bedürfnissen der Väter zu befassen, sagt Beraterin Kohn. Wenn Väter die Anforderungen von Familien und Beruf besser vereinbaren können, steige deren Motivation. "Und die Motivation der Mitarbeiter ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor." Zudem könne es passieren, dass hochqualifizierte Mitarbeiter den Arbeitgeber wechseln, wenn er sich nicht familienfreundlich verhält. "Dann muss die Stelle neu besetzt werden, was hohe Kosten nach sich zieht", sagt Kohn.

Familienvater Hagen Bender hatte keine Probleme, die Elternzeit beim Arbeitgeber zu beantragen. "Ich habe eine E-Mail geschrieben und kurz danach die Bestätigung bekommen, dass die Elternzeit genehmigt ist", sagt der Software-Spezialist. Allerdings hat auch er zu spüren bekommen, dass Väter in Elternzeit noch immer alles andere als die Norm sind. Das Verständnis seiner Kollegen für diesen Schritt sei nur gering gewesen: "In der Firma ist es schon unüblich. Meistens ist es eben die Frau, die die Elternzeit nimmt. Ich werde auch der erste Mann bei Ebay Deutschland sein, der für die Familie in Teilzeit geht."

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Väterfreundlichkeit liegt im Trend

Auch beim Autobauer Ford in Köln haben die neuen gesetzlichen Regelungen zu einem Anstieg von Vätern in Elternzeit geführt. 13 männliche Mitarbeiter befanden sich zum Jahresanfang in der Babypause, das sind 8,8 Prozent aller Mitarbeiter in Elternzeit. "Der Trend hält auf jeden Fall weiter an", sagt Unternehmenssprecherin Ute Mundolf. Nach ihren Angaben müssen Väter bei Ford keine negativen Konsequenzen fürchten, wenn sie eine Babypause machen wollen. Im Rahmen des vom amerikanischen Mutterhaus übernommenen Diversity Managements werden auch Väter besonders gefördert.

Dazu veranstaltet der Autokonzern Workshops, die sich speziell an Väter richten. Führungskräfte werden eigens geschult, um auch auf die Bedürfnisse von Vätern einzugehen. Mitarbeiter, die sich teilweise um ihre Kinder kümmern wollen, können zudem unter insgesamt sieben Arbeitszeitmodellen zwischen 15 und 30 Wochenarbeitsstunden wählen.

Förderung von Soft Skills

Solche Modelle empfehlen Experten auch, wenn die vollständige Elternzeit sich nicht durchsetzen lässt. Zwar hat der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Elternzeit. Größere Betriebe könnten es sich auch meist leisten, für eine bestimmte Zeit auf einen Mitarbeiter zu verzichten, meint Volker Baisch: "Wenn allerdings in einem kleinen Betrieb ein wichtiger Mitarbeiter wegfällt, ist das schon ein großer Verlust, der bis zur Existenzgefährdung führen kann." Hier sei es dann sinnvoll, gemeinsam mit dem Chef eine individuelle Lösung zu finden, rät Baisch. "So können Mitarbeiter etwa mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren, dass sie auch während der Elternzeit an bestimmten Tagen noch für die Firma zu erreichen sind. Ein anderes Modell ist, dass der Vater zumindest teilweise von zu Hause arbeitet."

Egal ob in Teilzeit oder vollständig zu Hause: Die Babypause lohnt sich für alle Beteiligten. Nach Erkenntnissen von Judith Kohn wächst nicht nur die Motivation des Mitarbeiters, sondern er sammelt in der Auszeit auch wichtige Erfahrungen - neudeutsch Soft Skills gennant -, die er an den Arbeitsplatz mitbringt. "Gestärkt werden vor allem die zwischenmenschlichen Fähigkeiten und das Organisationstalent."

Auch Hagen Bender hat etwas mitgenommen an den Schreibtisch bei Ebay. Er sei gelassener geworden, nehme sich selbst nicht mehr so wichtig, meint der Software-Experte: "Der Wiedereinstieg hat super geklappt. Die Arbeit macht sogar noch mehr Spaß als vorher." Die Erfahrung der Elternzeit möchte er auf keinen Fall missen: "Es war eine der besten Zeiten meines Lebens. Das sollte jeder Vater machen." Und so schmiedet der 35-Jährige schon Pläne für die Zukunft: "Beim nächsten Kind kann ich mir gut vorstellen, für ein ganzes Jahr in Elternzeit zu gehen.

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