Süddeutsche Zeitung

Elterngeld:Ganz oder Teilzeit

Eltern können sich die Babypause aufteilen. Auch Teilzeit-Modelle sind möglich.

Rolf Winkel und Hans Nakielski

Vom kommenden Jahr an gibt es für Mütter und Väter von Neugeborenen Elterngeld statt Erziehungsgeld. Bei der Diskussion um die Neuerung ist meist nur vom Geld die Rede. Es geht aber ebenso um die Zeit, die sich junge berufstätige Eltern nehmen können, um im Job zu pausieren oder kürzer zu treten: die so genannte Elternzeit.

Was ist mit Elternzeit gemeint?

Gemeint ist damit eine Zeit, in der ein Elternteil - oder auch beide - von ihrem Arbeitgeber zur Betreuung und Erziehung ihrer Kinder freigestellt werden müssen. Früher hieß dies Erziehungsurlaub.

Das Arbeitsverhältnis ruht in dieser Erziehungszeit und lebt nachher wieder auf. Die Elternzeit dauert maximal drei Jahre. 24 Monate davon müssen in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes genommen werden. Das dritte Jahr kann, wenn der Arbeitgeber zustimmt, variabel beansprucht werden: etwa im Einschulungsjahr des Kindes, längstens aber, bis das Kind acht Jahre alt ist.

Bei einem Arbeitgeberwechsel ist der neue Betrieb jedoch nicht an die Zustimmung des früheren Chefs gebunden.

Müssen Mütter und Väter in der Elternzeit ganz im Job pausieren?

Nein. Sie können auch alternativ dazu ihre Arbeitszeit reduzieren, und zwar auf mindestens 15 und maximal 30 Stunden pro Woche. Das gilt nicht nur für die Mutter, sondern auch für den Vater. Die Teilzeit-Optionen können auch Mutter und Vater gleichzeitig wahrnehmen oder sich abwechseln.

Anspruch auf die Arbeitszeitverkürzung in der Elternzeit haben die Eltern immer dann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits mindestens sechs Monate besteht und die Firma mehr als 15 Arbeitnehmer hat. Auszubildende werden dabei nicht mitgerechnet.

Wie wird der Antrag auf Teilzeit gestellt?

Ein amtliches Formblatt gibt es dafür nicht. Der Antrag muss nach dem Gesetz schriftlich gestellt werden, und zwar in der Regel sieben Wochen (nach der bis Ende 2006 geltenden Rechtslage: sechs Wochen) vor der beabsichtigten Arbeitszeitverkürzung. Im (formlosen) Antrag an den Arbeitgeber sollten junge Eltern festlegen, wann sie mit der Teilzeitarbeit beginnen und wie viele Stunden sie in der Woche arbeiten möchten - und zu welchen Zeiten.

Darf die Firma "Nein" zur Teilzeitarbeit sagen?

Nur in begründeten Ausnahmefällen. "Betriebliche Gründe" reichen dafür nicht. Diese müssen zudem "dringend" sein, was Gerichte nur selten anerkennen.

Das Argument, "Teilzeit passt nicht in das Arbeitszeitmodell unserer Firma", zieht nicht, befand das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 9. Mai 2006 (Az.: 9 AZR 278/ 05). Arbeitgeber könnten von einer jungen Mutter nicht verlangen, dass sie sich "wie jeder andere Arbeitnehmer in ein vorgegebenes Arbeitszeitmodell einfügen müsste". Außerdem urteilten die obersten Arbeitsrichter: Wenn der Arbeitnehmer "wegen seiner familiären Einbindung auf eine bestimmte Lage seiner Arbeitszeit angewiesen (ist), so gebührt seinen Interessen regelmäßig der Vorrang".

Wichtig ist jedoch: Den Antrag auf Teilzeitarbeit sollten junge Eltern möglichst nicht erst nach einem halben Jahr Erziehungsurlaub stellen. Hat der Arbeitgeber nämlich erst einmal eine Ersatzkraft für die Elternzeit befristet eingestellt, gilt dies als anerkennenswerter Grund zur Ablehnung des Teilzeitwunsches. So entschied das Bundesarbeitsgericht am 19. April 2005 (Az.: 9 AZR 233/04).

Gilt der Anspruch auf Teilzeit auch für Männer?

Selbstverständlich. Alles andere würde auf eine Diskriminierung von Männern hinauslaufen. Zwei Väter-Monate innerhalb der ersten 14 Lebensmonate des Kindes werden durch den Gesetzgeber sogar ausdrücklich gefördert. Denn dem Elternteil, der vorher keine Elternzeit genommen hat, stehen bei einer Arbeitszeitverkürzung oder Jobpause zwei Extra-Monate Elterngeld zu. Diese sollen den Nettolohnverlust abfedern, den der Vater hinnehmen muss.

Ist in der Elternzeit auch eine Teilzeitarbeit in einer anderen Firma möglich?

Grundsätzlich ja. Dazu muss allerdings der Stamm-Arbeitgeber erst "Ja" sagen. Auch in diesem Fall kann die Zustimmung nur aus "dringenden betrieblichen Gründen" verweigert werden.

Dürfen Mütter und Väter in der Elternzeit entlassen werden?

Nein. Nach Paragraf 18 des alten Erziehungsgeld- wie des neuen Elterngeld-Gesetzes darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, an dem die Elternzeit beantragt worden ist, bis zu deren Ende nicht kündigen. Diesen besonderen Kündigungsschutz gibt es auch für diejenigen, die in der Elternzeit Teilzeit arbeiten. Dies bestimmt der Paragraf 18 des neuen Gesetzes ausdrücklich. Danach gilt der Kündigungsschutz auch für Elternteile, die "während der Elternzeit bei demselben Arbeitgeber Teilzeitarbeit leisten".

Gibt es Ausnahmen vom Kündigungsschutz?

Ja. In Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber bei der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörde (dem Amt für Arbeitsschutz oder Gewerbeaufsichtsamt) beantragen, dass er dennoch kündigen darf: "In besonderen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden", heißt es in Paragraf 18 des Bundeselterngeld-Gesetzes. Was hierunter zu verstehen ist, erläutern die Allgemeinen Verfahrensvorschriften zum Kündigungsschutz bei Erziehungsurlaub. Danach gehört die Gefährdung der "Existenz des Betriebes" oder der "wirtschaftliche(n) Existenz des Arbeitgebers" zu den möglichen besonderen Gründen für eine Kündigung.

Nach den Urteilen von Verwaltungsgerichten führt aber selbst eine Insolvenz nicht automatisch zu einer berechtigten Kündigung während der Elternzeit. So entschied beispielsweise das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (AZ: 1 L 209/99).

Ab wann gilt der besondere Kündigungsschutz?

Für schwangere Frauen besteht bereits ein Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz. Sie sind damit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Elternzeit durchweg vor Kündigungen geschützt.

Und was gilt für Väter?

Väter stehen nur unter dem Schutz des Bundeselterngeld-Gesetzes. Danach besteht ein besonderer Kündigungsschutz frühestens acht Wochen vor dem Beginn der Elternzeit. Das bedeutet: Wenn sie - was bei einem guten Verhältnis zum Arbeitgeber eigentlich selbstverständlich sein sollte - noch früher einen Antrag auf Teilzeitarbeit stellen, gehen sie ein Risiko ein.

"Wer seinen Arbeitsplatz ohnehin als gefährdet ansieht, tut deshalb gut daran, den Teilzeitwunsch tatsächlich erst acht Wochen vor Beginn der gewünschten Arbeitszeitverkürzung seinem Chef kundzutun", rät Michael Felser, Rechtsanwalt aus Brühl.

Gilt dieser besondere Kündigungsschutz auch für vollzeitbeschäftigte Eltern?

Nein. Er gilt nur dann, wenn die Arbeitszeit maximal 30 Stunden pro Woche beträgt oder wenn das Arbeitsverhältnis ruht. Wer sich auf den besonderen Kündigungsschutz berufen möchte, sollte deshalb zumindest seine Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche verkürzen. "Wenn's im Betrieb kriselt, kann damit ein Antrag auf Teilzeitarbeit den Arbeitsplatz junger Eltern sogar sicherer machen", erklärt Anwalt Felser.

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Quelle:
SZ vom 27.12.20006
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