Eltern klagen gegen Lehrer:"Das ist wie ein Messer im Herzen"

Mobbende Lehrer, ungerecht Noten, ein Eintrag im Klassenbuch: Die Rechtsanwältin Simone Pietsch erzählt, wann Eltern gegen die Lehrer ihrer Kinder klagen - und warum sie davon gut lebt.

J. Rubner

Eine Sechs in Deutsch gefährdet die Versetzung? Die Lehrerin hat den Sohn zu hart am Arm gepackt? Immer mehr Eltern ziehen vor Gericht, wenn sie glauben, dass ihre Kinder in der Schule schlecht behandelt werden. Die Berliner Rechtsanwältin und Mediatorin Simone Pietsch (45) hat sich auf Schulrecht spezialisiert.

Frontalunterricht in einer Grundschule

Grundschullehrer wollen endlich genauso viel verdienen wie Gymnasiallehrer.

(Foto: AP)

SZ: Frau Pietsch, wie läuft das Geschäft?

Simone Pietsch: Prächtig, ich fahre ein schönes Auto und wohne in einem hübschen Viertel...

SZ: ... auf Kosten der Eltern, die Lehrer verklagen.

Pietsch: Warum nicht? Schule ist ein sehr emotionales Thema. Jede Mutter hat doch ein Schulproblem.

SZ: Aber muss man das gleich vor Gericht austragen?

Nein, als Mediatorin suche ich erst das Gespräch mit der Schule. Für die Kinder ist das besser, denn sie sind ja diejenigen, die in die Schule gehen und das aussitzen müssen. Eltern unterschätzen oft den psychischen Druck, der entsteht.

SZ: Aber wenn Lehrer uneinsichtig sind, raten Sie Eltern zur Klage?

Pietsch: Ja - das halte ich für legitim. Menschen fühlen sich ungerecht behandelt und wollen dagegen vorgehen. Und wenn es um den eigenen Nachwuchs geht, ist das Gefühl oft noch stärker, als wenn man selber betroffen ist. Das ist wie ein Messer im Herzen. Man will dann sein Kind beschützen.

Lehrer unter Druck

SZ: Steckt dahinter nicht auch der Glaube, das eigene Kind sei perfekt? Der ist doch in Akademiker-Kreisen weit verbreitet.

Eltern klagen gegen Lehrer: Rechtsanwältin Simone Pietsch vertritt Eltern, die gegen die Lehrer ihrer Kinder klagen.

Rechtsanwältin Simone Pietsch vertritt Eltern, die gegen die Lehrer ihrer Kinder klagen.

(Foto: privat)

Pietsch: Irrtum! Gerade Akademiker schätzen ihre Kinder realistischer ein als andere. Sie geben auch mal zu, dass ihr Sohn stinkfaul ist. Die anderen dagegen halten ihre Kinder immer für hochbegabt. Mehr als zwei Drittel meiner Klienten sind keine Akademiker. Dahinter steckt oft der Wunsch, den Sprung in eine höhere soziale Klasse über das Kind zu schaffen.

SZ: Was sind Ihre häufigsten Fälle?

Pietsch: Ungefähr ein Drittel der Eltern wollen einen Platz an einer Schule einklagen. Ansonsten geht es um Noten, Abitur, Ordnungswidrigkeiten. Das fängt an beim Eintrag ins Klassenbuch und endet beim Verweis von der Schule.

SZ: Eltern klagen wegen eines Eintrags in ein Klassenbuch?

Pietsch: Ja, das kann durchaus gravierende Folgen haben. Glauben Sie mir, in 90 Prozent der Fälle ist an den Vorwürfen der Eltern etwas dran. Menschen sind eben nicht unvoreingenommen. Es gibt eine Studie, wonach jeder Lehrer in seiner Klasse einen Schüler mobbt.

SZ: Und schuld sind nie die Eltern?

Pietsch: Doch, manche Eltern sind uneinsichtig. Aber ich sehe mich als Dienstleister und versuche, zum Wohle des Kindes das Bestmögliche zu erreichen. Letztlich entscheidet aber der Richter. Generell besteht eine große Unsicherheit darüber, was Lehrer dürfen und was Schulen leisten müssen - und auch das ist häufig ein Grund für ein Verfahren. Ein Beispiel sind Kinder, die stottern - das wird im Gegensatz zur Leserechtschreibschwäche nicht als Defizit anerkannt. Da gibt es eben Eltern, die einen Ausgleich verlangen, in Form von mehr Förderung oder den Wegfall von Noten.

SZ: Setzt die Klagewut nicht die Lehrer sehr unter Druck?

Pietsch: Nein. Die Eltern, die pauschal nur das Böse bei den Lehrern sehen, gehen oft gar nicht zum Anwalt. Aus meiner Erfahrung muss ich sagen, dass viele Lehrer ihr Handeln und die sich daraus ergebenden Folgen nicht überdenken, sie sind sich ihrer Rolle als Leitbilder nicht bewusst. Das sind Menschen, die das Klassenzimmer kaum verlassen haben. Die reagieren meist nur auf juristischen Druck.

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