Einwanderer in Deutschland:Endlich zurück in den eigentlichen Beruf

Hunderttausende Einwanderer in Deutschland sind arbeitslos oder begnügen sich mit Aushilfsjobs. Dabei haben sie in ihrer Heimat einen ordentlichen Beruf erlernt. Ein neues Gesetz soll nun ihre Chancen hierzulande verbessern. Aber es hat noch einige Schwachstellen.

Tanjev Schultz

Hunderttausende Einwanderer sind arbeitslos oder müssen sich in Deutschland mit Aushilfsjobs begnügen, obwohl sie in ihrer Heimat einen ordentlichen Beruf erlernt haben. Sie sind ausgebildet als Elektriker, Krankenpflegerinnen oder Ingenieure, doch hierzulande spülen sie in der Kantine, putzen in den Ämtern oder fahren Taxi.

Einwanderer in Deutschland: Viele Einwanderer müssen sich in Deutschland mit Aushilfsjobs wie Putzen begnügen, obwohl sie in ihrer Heimat einen ordentlichen Beruf erlernt haben.

Viele Einwanderer müssen sich in Deutschland mit Aushilfsjobs wie Putzen begnügen, obwohl sie in ihrer Heimat einen ordentlichen Beruf erlernt haben.

(Foto: AP)

Diese Missachtung von Talenten und Fähigkeiten in Zeiten eines drohenden Fachkräftemangels ist nicht nur ökonomisch verwerflich. Sie wird auch als demütigend empfunden. Deshalb ist das "Anerkennungsgesetz", das der Bundestag an diesem Donnerstag beschließen will, ein wichtiger Beitrag zur Integration. Wer im Ausland einen Abschluss erworben hat, kann ihn sich in Zukunft schneller und leichter anerkennen lassen.

Bisher war das Prozedere für Bürger, die nicht aus der EU kommen, entweder ganz versperrt oder unübersichtlich, zäh und zeitraubend. Die Folge: Viele gaben entweder entnervt auf oder wagten es gar nicht erst, ihre Qualifikationen überprüfen zu lassen. Eine einheitliche Rechtsgrundlage fehlte. Das soll sich nun endlich ändern. Das Gesetz sichert den Antragstellern zu, dass sie innerhalb dreier Monate einen Bescheid bekommen, ob ihre ausländische Qualifikation den deutschen Standards entspricht.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat eine zentrale "Hotline" versprochen, die Einwanderer zur richtigen Stelle lotst. Das ist auch notwendig, denn weiterhin werden verwirrend viele Behörden und Kammern für die Anträge zuständig sein, je nachdem, um welchen Beruf es geht.

Ob sich Migranten mit ihren Qualifikationen in Deutschland willkommen fühlen, hängt damit auch in Zukunft von ganz unterschiedlichen Akteuren ab, beispielsweise den Handwerks- sowie den Industrie- und Handelskammern. Dort kann ein Mentalitätswandel nötig sein: Zu überwinden ist die arrogante Unterstellung, dass deutsche Zertifikate den ausländischen Abschlüssen grundsätzlich überlegen sind.

Trotz aller Fortschritte drohen Enttäuschungen

Trotz aller Fortschritte, die das neue Gesetz bringt, schützt es nicht vor Enttäuschungen. Es fehlen Regeln für eine individuelle Beratung und Weiterbildung der Betroffenen. Was nützt ein beschleunigtes Verfahren, wenn die Abschlüsse am Ende doch als unzureichend eingestuft werden? Entscheidend ist, den Einwanderern sogleich Angebote zu machen, wie sie ihre Qualifikationen ergänzen, ausbauen und an die Lage des deutschen Arbeitsmarkts anpassen können. Ohne finanzielle Hilfen wird das kaum gehen - das "Anerkennungsgesetz" müsste entsprechend flankiert werden. Ohne diese Ergänzung vergibt das Land wieder die Chance, von den Fähigkeiten seiner Einwanderer zu profitieren.

Das Gesetz hat eine weitere Schwachstelle: Es lässt Ausnahmen von der Drei-Monats-Garantie zu und gibt langsamen Bürokraten damit zu viel Spielraum für faule Ausreden. Diese können sich auf "Besonderheiten der Angelegenheit" herausreden, wie es in schöner Allgemeinheit im Gesetzestext heißt. Welcher Einwanderer, der noch auf einen positiven Bescheid hofft, wird es wagen, sich zu beschweren?

Auch ein gutes Gesetz kann noch besser werden. Deshalb ist es richtig, wenn die SPD im Bundesrat auf Verbesserungen dringt. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat das Gesetz bereits als "handwerklich unzureichend" kritisiert. Die Bundesländer sind allerdings selbst gefordert. Sie sind nicht nur daran beteiligt, das Gesetz umzusetzen; für etliche Berufe sind ohnehin nur sie zuständig. Bisher haben die 16 Länder es jedoch noch nicht einmal geschafft, sich auf gleiche Wege und Standards bei der Ausbildung von Lehrern innerhalb Deutschlands zu verständigen. Wie sollen sie da die Qualifikation eines ausländischen Pädagogen bewerten? Der Bund hat den ersten Schritt getan, jetzt müssen die Länder folgen.

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