Einstellungsuntersuchungen:Ohne Test kein Job

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Viele Unternehmen bestehen auf ärztlichen Einstellungsuntersuchungen bei Bewerbern. Doch was genau darf der Betriebsarzt - und was nicht?

Rolf Winkel

Arbeitgeber dürfen vor der Einstellung eines Bewerbers keinen Gentest verlangen. Das sichert das neue Gen-Diagnostik-Gesetz zu, das derzeit in Berlin ausgehandelt wird. Wie sieht es aber mit anderen weit verbreiteten Einstellungsuntersuchungen aus? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Nicht für alle Berufsgruppen sind Einstellungsuntersuchungen Pflicht. Auch Drogentests dürfen nicht ohne weiteres durchgeführt werden. (Foto: Foto: dpa)

Gibt es Einstellungsuntersuchungen, die gesetzlich vorgeschrieben sind?

Nur für relativ wenige Berufsgruppen - etwa Piloten oder Berufskraftfahrer - sind medizinische Untersuchungen Pflicht. Anders als vielfach angenommen ist noch nicht einmal für diejenigen, die beruflich mit Lebensmitteln zu tun haben, eine Gesundheitsuntersuchung erforderlich.

Seit 2001 muss nach dem Infektionsschutzgesetz stattdessen eine "Belehrung" stattfinden. Diese wird beim ersten Mal durch das Gesundheitsamt durchgeführt, später vom Arbeitgeber. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Untersuchung für jugendliche Berufsanfänger. Paragraph 32 des Jugendarbeitsschutzgesetzes regelt, dass diese nur dann beschäftigt werden dürfen, wenn ein Arzt ihnen bestätigt, dass er sie innerhalb der letzten 14 Monate untersucht hat. Andernfalls nimmt meist der Betriebsarzt die Untersuchung bei der Einstellung vor. Ähnliches regelt die Unfallverhütungsvorschrift "Arbeitsmedizinische Vorsorge" (BGV A4). Diese gilt für Arbeitsplätze, an denen Arbeitnehmer Gefahrstoffen (etwa: Benzol) oder sonstigen Gefährdungen (beispielsweise dauernder Hitze) ausgesetzt sind. An solchen Orten dürfen sie nur dann beschäftigt werden, wenn "fristgerecht eine Vorsorgeuntersuchung durch den ermächtigten Arzt" durchgeführt worden ist.

Gibt es für Beamte Sonderregeln?

Wer Beamter werden will, muss vor der Einstellung höhere Hürden nehmen als sonstige Arbeitnehmer. Das sehen alle Beamtengesetze vor. So findet zum Beispiel nach Paragraf 7 des Hessischen Beamtengesetzes unter anderem eine Auslese statt, wobei "Eignungsprüfungen" abgehalten werden können. Vorgeschaltet ist dabei auch eine amtsärztliche Untersuchung beziehungsweise ein amtsärztliches Gutachten. Wenn darin eine ungünstige Prognose über die Entwicklung von Krankheiten gestellt wird, werden Bewerber vielfach nicht eingestellt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob Ihr Arbeitgeber bei Ihnen einen Drogentest veranlassen darf.

Was gilt bei Tests, die gesetzlich nicht vorgeschrieben sind?

Auch diese sind zulässig - wenn der Betroffene zustimmt. In der Regel nimmt sie der werksärztliche Dienst vor. Der Betrieb muss dabei allerdings enge Grenzen einhalten: Genau wie bei Einstellungsgesprächen dürfen auch bei Einstellungsuntersuchungen nur Dinge eine Rolle spielen, die für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz von Bedeutung sind. "Ob ein Büroangestellter Bluthochdruck hat oder ob sein Cholesterinspiegel hoch ist, geht den Arbeitgeber nichts an", erläutert Rechtsanwalt Michael Felser aus Brühl bei Köln.

Erforderlich und ratsam ist dagegen für viele Bürokräfte die ,,Vorsorgeuntersuchung Augen'' (G37) nach der Bildschirmarbeitsplatzverordnung. Bei dieser geht es um das Sehvermögen und die besondere Belastung der Augen durch die Arbeit. Die Bestimmung gilt für Beschäftigte, die "gewöhnlich bei einem nicht unwesentlichen Teil ihrer normalen Arbeit ein Bildschirmgerät benutzen". Sie zielt darauf ab, gute Sehbedingungen am Gerät herzustellen - zum Beispiel durch richtige Brillen.

Darf ein Drogenscreening auf Verdacht durchgeführt werden?

Gerade bei der Einstellung von Azubis gehören inzwischen in manchen Betrieben flächendeckende Urinuntersuchungen zum Standard. Damit sollen Anhaltspunkte für einen Drogenkonsum von Bewerbern gefunden werden. Solche Tests dürfen nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aber nicht auf Verdacht vorgenommen werden.

Erlaubt sind sie vielmehr nur, "wenn bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung eine ernsthafte Besorgnis begründet ist, dass eine Abhängigkeit des Arbeitnehmers" vorliegt (Az. 2 AZR 55/99 ). Natürlich wolle, so Anwalt Felser, "niemand die Einstellung von Junkies pushen". Deshalb habe der Arbeitgeber schließlich in der Probezeit das Recht, sich "kurz und schmerzlos von Beschäftigten zu trennen".

Welche Information darf der Arbeitgeber nach einer Gesundheitsuntersuchung erhalten?

Detaillierte Ergebnisse darf der Werksarzt dem Arbeitgeber auf keinen Fall zur Verfügung stellen. Denn auch hier gilt - solange der Untersuchte nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt hat - der Grundsatz der ärztlichen Schweigepflicht. Felser: "Mehr als die Information 'geeignet' oder 'nicht geeignet' darf der Arzt der Personalabteilung nicht geben."

Als Maßstäbe für diese Beurteilung dürfen nur die aktuellen Anforderungen am Arbeitsplatz und die aktuelle Gesundheitssituation des Bewerbers dienen. Trägt ein Bewerber wegen hoher Cholesterinwerte ein größeres Risiko, in etlichen Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, darf das keine Rolle spielen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob Sie als Arbeitnehmer solche Untersuchungen ablehnen können.

Was geschieht mit den Testdaten abgelehnter Stellenbewerber?

Grundsätzlich müssen diese den Bewerbern - wenn sie es wünschen - zur Verfügung gestellt und ansonsten vernichtet werden. Dafür bedarf es klarer betrieblicher Datenschutzrichtlinien. Auch wer das Rennen um den Job gewinnt, sollte darauf achten, was mit den sensiblen Daten seiner Einstellungsuntersuchung geschieht. Ein Blick in die Personalakte kann dabei nicht schaden: Denn in dieser haben die Ergebnisse des Medizinchecks nichts verloren.

Können Arbeitnehmer die Einstellungsuntersuchung ablehnen?

Grundsätzlich ja. "Aber dann ist wohl auch der angestrebte Job weg", sagt Felser. Handlungsmöglichkeiten sieht der Experte eher bei den Betriebsräten. Denn diese haben bei Einstellungen ein Mitbestimmungsrecht - auch bei den medizinischen Tests. Dies gilt im Übrigen auch für Drogenchecks. Gegen das Veto des Betriebsrats darf der Arbeitgeber durch den werksärztlichen Dienst bei der Eignungsuntersuchung keine Blut- und Urinproben entnehmen und diese auf Alkohol- oder Drogenkonsum überprüfen lassen, entschied das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im Dezember 2002 (Az.: 16 TaBV 4/02).

Was gilt bislang bei Gentests?

Gentest spielen derzeit bei Einstellungsuntersuchungen noch kaum eine Rolle, für sie gelten bislang die gleichen Regelungen wie für reguläre Untersuchungen. Aufsehen erregt hat im Jahr 2004 der Fall einer 36-jährigen angestellten Lehrerin, die zwar akut nicht erkrankt war, jedoch familiär durch eine Erbkrankheit (Chorea Huntington = "Veitstanz") belastet ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Nervenkrankheit geerbt hat, beträgt 50 Prozent. Klarheit hätte ihr ein Gentest verschafft - diesen lehnte die Lehrerin aber aus "ethischen Gründen" ab. Das staatliche Schulamt für den Landkreis Offenbach und die Stadt Offenbach verweigerten daraufhin ihre Einstellung als Beamtin auf Probe. Begründung: Es fehle an der erforderlichen gesundheitlichen Eignung.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt gab allerdings der Lehrerin recht. Es befand, dass in diesem Fall die "Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung nicht höher sei als die Wahrscheinlichkeit, dass eine Erkrankung nicht vorliege" (Az.: 1 E 470/04(3)). Die Lehrerin sei schließlich noch nicht krank und ihr Risiko zu erkranken, liege nur bei 50 Prozent. Außerdem könne die Krankheit unter Umständen auch erst nach ihrer Pensionierung ausbrechen. Da das Land Hessen gegen das Urteil keine Rechtsmittel einlegte, wurde es rechtskräftig.

© SZ vom 29.04.2008/sam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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