Einkommen:Das Pech der späten Geburt

Beim Lohn klafft zwischen den Generationen eine große Verdienstlücke. Das zeigt eine neue Studie. Viele jüngere Beschäftigte verdienen in ihrem Leben deutlich weniger, als das Älteren möglich war.

Jung sein bedeutet in den meisten Berufen: Man verdient wenig - auf jeden Fall weniger als die älteren Kollegen. Das war auch schon bei den heutigen Rentnern so. Aber: Über das gesamte Erwerbsleben betrachtet, haben die Älteren - zumindest in den unteren Lohnbereichen - vergleichsweise deutlich besser verdient als die jüngeren Generationen. Das geht aus einer repräsentativen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Freien Universität Berlin hervor, für die die Forscher Daten der gesetzlichen Rentenversicherung ausgewertet haben.

Die Wissenschaftler haben dabei die Lebenseinkommen der Jahrgänge 1935 bis 1972 miteinander verglichen, also das Einkommen, das Menschen während eines ganzen Berufslebens inklusive Jobwechsel und Zeiten von Arbeitslosigkeit erzielen. Ergebnis: Insgesamt hat sich die Ungleichheit bei der Höhe der Lebenseinkommen in diesen knapp vier Jahrzehnten im Generationenvergleich verdoppelt - zuungunsten der jüngeren Generationen.

Einerseits erreichten Menschen, die 1970 geboren wurden und schon in jungen Jahren sehr gut verdienten, doppelt so hohe Einkommen wie Menschen, die 1935 geboren wurden. Für die unteren Einkommensgruppen aber werden die realen Einkommen und damit ihre Kaufkraft ab dem Jahrgang 1955 kleiner. "Wir gehen davon aus, dass die Lohnlücke zwischen den Generationen sogar noch größer ist, als es diese Studie zeigt", sagt Holger Lüthen vom DIW. "In unsere Forschung sind nur männliche Beschäftigte mit stabilen Erwerbsbiografien eingeflossen."

In Zahlen: Im Jahr 1950 Geborene hatten bis zum vierzigsten Lebensjahr im unteren Verdienstsegment ein Einkommen von durchschnittlich 550 000 Euro erreicht, 1972 Geborene erreichten nur 455 000 Euro. Die Forscher verwendeten zur Berechnung das sogenannte Markteinkommen: Neben dem Bruttoeinkommen wird hier auch der Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung miteinberechnet. Im Laufe der Jahrzehnte wuchs der Abstand zwischen niedrigen und hohen Löhnen. Eine Ursache für die Lohnspreizung zwischen den Generationen ist nach der Studie die gestiegene Arbeitslosigkeit: Von ihr sind jüngere Erwerbstätige häufiger betroffen.

"Erwerbsunterbrechungen spielen für jüngere Generationen eine viel größere Rolle und wirken sich natürlich negativ auf das Lebenseinkommen aus", sagt Lüthen. "Die unbefristete Stelle, bei der das Einkommen meist mit Betriebszugehörigkeit steigt, ist seltener geworden." Die Möglichkeit, "aus eigener Anstrengung ein nennenswertes Vermögen anzusparen", sei für die Bezieher unterer und mittlerer Lebenseinkommen "zunehmend eingeschränkt", so die Studie. Das verschärfe die Ungleichheit künftiger Generationen durch fehlende Erbschaften und Ressourcen weiter, und sie könne "negative Folgen für die Leistungsbereitschaft haben".

Das hat auch Folgen für die Rente und die Lebensperspektiven im Alter. "Die Jungen gehören ja gleichzeitig auch zu der Generation, die die sinkenden staatlichen Renten mit privaten Rücklagen auffangen sollen", sagt Wolfgang Gründinger. "Wovon auch immer sie das absparen sollen." Der Berliner Demokratieforscher ist Sprecher der Stiftung Generationengerechtigkeit. Einer Gerechtigkeit, von der Deutschland weit entfernt ist, wie der 30-Jährige findet: "Die junge Generation wird an vielen Stellen als Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt: Sie hat weniger gesetzlichen Kündigungsschutz, wird bei Arbeitslosigkeit stärker sanktioniert, und auch Tarifverträge sehen für Jüngere niedrige Einstiegsgehälter vor."

Die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre hätten die Lage für Junge noch verschärft, "für Berufseinsteiger sind anständig bezahlte Vollzeitstellen eher die Ausnahme". Etwa 60 Prozent der Unter-30- Jährigen arbeite erst mal oder auch dauerhaft prekär: befristet, zu Niedriglöhnen, in Minijobs oder mit Werkverträgen. "Für Unter-18-Jährige gilt ja nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn", kritisiert Gründinger, der Mitglied im Thinktank 30 des Club of Rome ist.

Miriam Bunjes/epd

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