Eignungstest:Wie hieß doch gleich der Rau-Nachfolger?

Wer an der Hochschule seiner Wahl unterkommen möchte, muss sich möglicherweise auf hochnotpeinliche Befragungen einstellen.

Von Berit Schmiedendorf

Was ärgerte Sie an der Bundespräsidentenkandidatur? Welche ausländischen Tageszeitungen lesen Sie? Worin besteht Ihr soziales Engagement? Solche und ähnliche Fragen müssen sich im August die Studienplatzbewerber für Politikwissenschaften an der TU Darmstadt gefallen lassen. Und sie sollten möglichst gut vorbereitet sein: Denn nur wer vernünftige Antworten rund um die Raunachfolge oder zur Rürup-Kommission geben kann, wird einen der 40 Studienplätze, die das Institut per Auswahlgespräch besetzt, ergattern.

"Am liebsten wäre es mir natürlich, wir könnten alle Studenten aufnehmen, die sich bewerben. Aber das geht einfach nicht in Zeiten der sich nicht ausweitenden Ressourcen", sagt Hubert Heinelt, geschäftsführender Direktor des Instituts für Politikwissenschaften. Seit zwei Jahren wird sein Institut mit bis zu 260 Bewerbungen jährlich überhäuft, vier mal soviel wie in den Vorjahren. Um die Qualität der Lehre zu sichern, hat Heinelt mit seinen Kollegen ein Auswahlverfahren ausgetüftelt, das die geeignetsten Studienanfänger erstmals zum Wintersemester 2004/2005 herausfiltern soll.

30 Minuten pro Bewerber

In Hessen dürfen die Hochschulen derzeit 40 Prozent der Hochschüler selbst auswählen, die ein Studium in einem Fach mit einer örtlichen Zulassungsbeschränkung anstreben. Die Vergabeordnung schreibt darüber hinaus vor, dass mindestens drei mal so viele Kandidaten eingeladen werden müssen, wie es Plätze zu vergeben gibt. Für die 120 Bewerber in Darmstadt werden sich Heinelt und die anderen vier Professoren des Instituts jeweils 30 Minuten Zeit nehmen, was in der Summe zu einem zweiwöchigen Auswahlmarathon führt. "Wir haben einen knallharten Fahrplan für den August", sagt Institutsprofessor Klaus Dieter Wolf.

Natürlich hätten sie es machen können wie die meisten Hochschulen: einfach einen NC für die begehrtesten Fächer zu verhängen. "Wir sind aber der Meinung, dass die Abiturnote alleine noch nichts über die Studierfähigkeit aussagt. Die Note gibt eigentlich nur Auskunft über eine bestimmte Lernbereitschaft", finden Heinelt und Wolf. Tests sind ihnen zu anonym, also haben sie - teils gegen massiven Widerstand der Fachbereichskollegen - ein Protokollformular mit vier Oberpunkten (Interesse/Motivation, Persönlichkeit, Kommunikationsfähigkeit und Reflexionsvermögen) entwickelt. Dass man die wenigsten Punkte im Rahmen eines Gesprächs objektiv bewerten kann, ist auch ihnen klar. "Natürlich ist solch ein Auswahlgespräch suboptimal, aber während eines Gesprächs stellt sich eine persönliche Verbindlichkeit her und das ist uns ganz wichtig", sagt Wolf.

Ein ganz ähnliches Verfahren wendet Gabriele Faust von der Uni Bamberg an. Bereits seit zwei Jahren muss ein Teil der Aspiranten im Fach Grundschulpädagogik/Lehramt an Grundschulen ein Auswahlverfahren durchlaufen, in das jeweils zur Hälfte die Abinote und das Ergebnis aus einem halbstündigen Auswahlgespräch einfließen. "Natürlich kostet das Zeit und man muss ein rechtsfestes Verfahren haben. Aber durch unsere Auswahlgespräche kenne ich bereits die Hälfte meiner neuen Studenten persönlich", sagt Gabriele Faust. In Bayern dürfen die Hochschulen 50 Prozent aller örtlich zulassungsbeschränkter Studienplätze selbst vergeben. Ob die Auslese im teilstrukturierten Gespräch zu Beginn des Studiums Auswirkungen auf den Studienverlauf und die Studienzufriedenheit hat, kann die Professorin noch nicht sagen: Die ersten Kandidaten, die diese Fragen vollständig beantworten können, werden in zwei Jahren ihren Abschluss machen.

Weg vom Papierverfahren

Als Vorreiter in Sachen Studentenauswahl gilt Baden-Württemberg. Die 60 Hochschulen und Berufsakademien des Landes dürfen 90 Prozent ihrer Studenten in Fächern mit örtlichen Zulassungsbeschränkungen selbst auswählen, das ist bundesweit Spitze.

Doch bei einem Treffen im baden-württembergischen Wissenschaftsministerium, an dem Vertreter aller Hochschulen teilnahmen, stellte sich heraus, dass in den meisten Studiengängen nach wie vor die Abinoten als Eintrittskarte in die Alma Mater gelten: Von rund 400 Studiensatzungen in Baden-Württemberg sehen lediglich 21 Studiengänge Auswahlgespräche vor, weitere 45 Studiengänge testen ihre Bewerber mit Sprachtest, Kurzaufsatz oder Studierfähigkeitstest, wie er etwa für die wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge an den Fachhochschulen vorgeschrieben ist. Das Gros der Studenten wird nach wie vor mit Hilfe des so genannten Papierverfahrens ausgesucht: wo Zeugnisnoten in Kern- und Profilfächern zählen sowie schriftliche Nachweise über praktische Erfahrungen.

Im Protokoll des Treffens heißt es, man wolle "weg vom Papierverfahren" und "nach und nach hin zur Studierendenauswahl mittels Auswahltest und -gesprächen". Bloß wie? Schon jetzt klagen viele Hochschulen über einen deutlich erhöhten Verwaltungsaufwand. Kämen die sieben Studienfächer, deren Plätze derzeit zentral von der ZVS in Dortmund vergeben werden, noch hinzu, müssten Millionen Bewerber von den Unis selbst sortiert und ausgewählt werden. So oder so, auch dem Wissenschaftsministerium in Stuttgart ist klar, dass "das mit den Auswahlverfahren befasste Personal zu erhöhen" sein wird. Netterweise hat man in Baden-Württemberg bereits über die Finanzierung so aufwendiger Auswahlverfahren nachgedacht. Warum nicht beim Verursacher nachfassen? Bezahlen könnten die Studenten doch gleich selbst.

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