Eignungstest für Lehrer:"Viele werden Lehrer aus Verlegenheit"

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Die Universität Passau führt ein Auswahlverfahren für Lehramtsstudenten ein. Der Pädagoge Norbert Seibert hat es entwickelt.

C. Burtscheidt

Einst waren Lehrer hoch angesehen, heute stehen sie wie kaum eine Berufsgruppe in der Kritik. Sie seien nicht belastbar, hätten wenig Selbstvertrauen, seien unkommunikativ und obendrein pädagogisch unfähig, lauten die Vorwürfe. Die Passauer Universität reagiert nun darauf und führt erstmals in Bayern Auswahlverfahren für Lehramtsbewerber ein. Eine Woche lang müssen sie sich schriftlichen und mündlichen Tests stellen. Der Schulpädagoge Norbert Seibert hat sie entwickelt. Noch ist es ein Testlauf und die Teilnahme freiwillig. Doch in einem Jahr wird es ernst: Dann können Kandidaten auch abgelehnt werden.

Norbert Seibert: Der Schulpädagoge hat einen Eignungstest für Lehrer entwickelt. (Foto: Foto: oH)

SZ: Sind Sie zufrieden mit den Lehramtsbewerbern?

Norbert Seibert: Wir haben noch eine ganze Woche Auswahlverfahren vor uns. Doch mein erster Eindruck ist, dass jeder Bewerber geeignet ist. Es haben sich sehr gute Leute beworben.

SZ: Welcher Kandidat wird ein guter Lehrer sein?

Seibert: Er soll neugierig sein, Freude am Unterricht haben und die Kinder ernst nehmen. Und er muss mit Unsicherheiten umgehen können. Denn er hat es mit der ganzen Bandbreite an Menschen zu tun: von Lernschwächsten bis zu Hochbegabten.

SZ: Worauf achten Sie besonders?

Seibert: Es müssen bestimmte Kompetenzen vorhanden sein: Selbstdarstellung, Selbstbewusstsein, Team- und Organisationsfähigkeit. Ist ein Bewerber in der Lage, sein Studium effektiv zu organisieren, so ist das ein ganz wichtiger Indikator dafür, ob er später im Beruf erfolgreich sein kann.

SZ: Wie kann es sein, dass Lehrer ein Studium gut absolvieren, dann aber vor der Klasse versagen?

Seibert: In Bayern ist das kein Wunder. Denn hier findet eine pädagogische Ausbildung schlicht nicht statt. Nirgendwo sonst wurde das Fach in der Lehramtsprüfungsordnung so heruntergefahren. Für Pädagogik brauchen Studenten nur sieben Leistungspunkte in acht Semestern. Weil es ihnen an pädagogischer Qualifikation fehlt, sind sie später auch anfällig für ein Burnout. Denn krank machen nicht Korrekturarbeiten, sondern erziehungsschwierige Schüler oder verhaltensoriginelle Eltern.

SZ: Sind die vielen Burnouts bei Lehrern allein auf eine mangelhafte pädagogische Ausbildung zurückzuführen?

Seibert: Viele werden Lehrer aus Verlegenheit, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen. Hinzu kommt dann ein Studium, das nicht ausreichend auf den Beruf vorbereitet. Und wenn man 30 Jahre etwas machen muss, was man nicht gelernt hat, ist man schnell ausgebrannt.

SZ: Politiker klagen, dass nur mehr die schlechten Schüler Lehrer werden. Selbst mit einer 3,5 im Staatsexamen haben heute Anwärter noch eine Chance, in das Lehramt übernommen zu werden. Sind die Besten nicht mehr für den Beruf zu gewinnen?

Seibert: Die Aussage teile ich nicht ganz. Eine Umfrage unter unseren Erstsemestern ergab, dass zehn Prozent Einser-Abiturienten sind. Wir hatten aber auch einen Teil, die über einem Schnitt von 3,0 lagen. Generell zweifle ich daran, dass die Abiturnote einen Aussagewert dafür hat, ob einer ein guter Lehrer wird. Doch auch das wollen wir nun durch das Eignungstestverfahren in einer Längsschnittstudie prüfen.

SZ: Lässt sich durch den Eignungstest das schlechte Lehrerimage aufpolieren?

Seibert: Auf jeden Fall. Das Auswahlverfahren führt automatisch zur größeren gesellschaftlichen Anerkennung. Schon weil es deutlich macht, dass nicht jeder den Beruf ausüben kann.

SZ: Lehrerverbände haben sich jahrelang gegen Auswahlverfahren gesperrt. Wie kommt es nun zu dem Wandel?

Seibert: Der Lehrberuf ist anspruchsvoller geworden. Es geht heute immer weniger um die Frage, Wissen zu vermitteln, sondern viel mehr darum, wie man mit einer wachsenden Zahl von Migrantenkindern oder Schülern zurechtkommt, die vor allem Lebens- und weniger Lernprobleme haben.

SZ: Die Wirtschaft fordert längst Eignungstests. Ihr Auswahlkriterium: Pädagogen müssen Managerqualitäten haben. Ist das nicht etwas übertrieben?

Seibert: Absolut nicht, der Lehrer ist ein Manager. Er hat verschiedene Rollenerwartungen zu erfüllen. Er muss darauf eingehen, was Eltern, Schüler, das Ministerium, Kirche oder Verbände wollen.

© SZ vom 31.3.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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