Eifersucht unter Kollegen:Alle neidisch, oder was?

Irgendwie sind es immer die Kollegen, die gute Projekte, eine Beförderung und Lob einheimsen. Grund zum Ärgern? Vielleicht. Man kann mit Neid aber auch anders umgehen.

Neidisch? Ich doch nicht! So denken sicher viele im ersten Moment, wenn sie sich darüber ärgern, dass ein Kollege besser dasteht als sie. Wer will dieses Gefühl schon zugeben? Als missgünstig will niemand gelten. Auch wenn mancher schon einmal eifersüchtig darauf geschielt haben dürfte, dass Kollegen befördert, mit einem neuen Projekt betraut oder einer Prämie belohnt wurden.

"In Deutschland spricht man nicht gerne von Neid, weil es einen negativen Touch hat", erklärt die Karriereberaterin Svenja Hofert aus Hamburg. Dabei sei es doch ganz charmant, dem anderen den Erfolg zuzugestehen und gleichzeitig zu sagen, dass man das Gleiche vielleicht auch gerne hätte. "So eine Situation ist ein gute Gelegenheit, zu überlegen, was man eigentlich selbst will." Beschäftigte sollten daher nicht beleidigt reagieren.

Es ist auch keine gute Idee, gleich zum Chef zu stürmen und seinem Unmut Luft zu machen. "Mit Übersprunghandlungen disqualifiziert man sich sofort selbst", warnt die Karriereberaterin Madeleine Leitner aus München. Stattdessen gelte es, sich selbst zu hinterfragen und die eigene Karriere zu überdenken. "Wenn man im Job ein so heftiges Gefühl wie Neid empfindet, hat das möglicherweise noch ganz andere Gründe, die gar nichts mit dem Job zu tun haben", erklärt die Psychologin. Wer dem nachgeht, kann durch so einen Anlass eine ganze Menge über sich erfahren.

Der Coach Theo Bergauer geht die Sache etwas pragmatischer an und kann ihr dabei auch etwas Gutes abgewinnen. "Eine solche Reaktion kann viele Auswirkungen haben", sagt der Berater, der in Ratingen arbeitet. So kann der Neid den eigenen Ehrgeiz wecken. Vielleicht reift in Beschäftigten aber auch die Erkenntnis: "Das will, das brauche ich gar nicht." Oder sie sagen sich mit Blick auf den Erfolg des Kollegen "Das schaffe ich nie" und nehmen so Abstand davon, mit dem anderen gleichziehen zu wollen. "Oder aber man macht es sich einfach und sagt: 'Das ist ungerecht'", führt Bergauer aus. Jeder dieser Gedanken bringe einen zumindest ein Stück weiter.

Svenja Hofert vergleicht die berufliche Laufbahn mit dem Sport: "Da bewundert man die Leistungsträger und sagt: 'Das will ich auch schaffen.' Warum macht man das nicht auch im Beruf?" An erster Stelle stünden da eine Laufstil-Analyse und ein Körper-Check. Ähnliches empfiehlt sie für den Job. "Vielleicht kann der andere besser Englisch, hat mehr Erfahrung oder kann besser präsentieren", erklärt sie. So könne man herausfinden, was einem selbst fehlt.

Auch Leitner rät zur Besonnenheit und empfiehlt, den Chef um einen Termin zu bitten. "Vorher muss man sich allerdings sehr genau vorbereiten, um konstruktive Vorschläge machen zu können", rät sie. Die Psychologin hält es durchaus für legitim, den Aufstieg des Kollegen zum Anlass zu nehmen und zu sagen, dass man an einem ähnlichen Posten oder Projekt auch Interesse habe. "Aber bloß nicht den Chef angreifen oder beleidigt sein", warnt sie. In einem solchen Gespräch sollte der Chef wiederum sagen, was er von seinem Mitarbeiter verlangt. "Man kann dann ja auch mal seinen Vorgesetzten fragen, was er von einem erwartet", rät Bergauer.

Im Fachjargon heißt das, über Zielvereinbarungen und Personalentwicklung zu reden. Dabei sei es völlig legitim, eigene Vorbilder zu nennen, findet Bergauer. Das dürfe auch der Chef sein. "Die kriegen nämlich auch nur in den seltensten Fällen Anerkennung." Allerdings bewegen sich Mitarbeiter auf einem schmalen Grat zwischen Schleimen und Anerkennung, wenn sie ihren Chef zum Vorbild erklären. Wer sich über das Weiterkommen der anderen ärgert, muss sich in jedem Fall zuerst an die eigene Nase fassen. Das ist nicht immer schön, bringt einen aber eher weiter, als sich in die Schmollecke zurückzuziehen. Tun Mitarbeiter das nicht, kann die Beförderung des Kollegen sogar zur Chance für die eigene Karriere werden.

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