An der Hochschule Bremen kann man Soziale Arbeit in zwei Varianten studieren. Immer im Oktober beginnen 160 Frauen und Männer mit dem Bachelor-Studium Soziale Arbeit. Die Erstsemester beschäftigen sich mit Themen wie Methoden der Sozialen Arbeit, Geschichte und Theorien zu diesem Thema, wissenschaftliches Arbeiten, Rechtssystem der BRD unter Berücksichtigung des europäischen Rechts, Sozialwissenschaften. Diese Inhalte stehen auch für die 27 Studierenden auf dem Programm, die an der Hochschule Bremen mit dem auf sieben Semester angelegten Studium Soziale Arbeit Dual starten. Doch die Teilnehmer bewerben sich nicht an der Hochschule, sondern schließen einen Vertrag mit einem Arbeitgeber aus dem Bereich Soziale Arbeit ab, bei dem sie in der vorlesungsfreien Zeit arbeiten. Ihre dabei gesammelten praktischen Erfahrungen zum Beispiel im Jugendamt oder in der Schulsozialarbeit werden im Studium thematisiert.
Seit fünf Jahren gibt es in Bremen das Studium Soziale Arbeit Dual. Die Hochschule kooperiert dabei mit Partnern aus dem öffentlichen Dienst sowie den freien Trägern Berufsbildungswerk Bremen und Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen. Sie bestimmen, wen sie von den jährlich mehr als 300 Interessenten einstellen und zum Studium schicken. Dabei sichern sie sich zugleich Nachwuchskräfte in einem Mangelberuf: Wer einen Ausbildungsvertrag unterschreibt, verpflichtet sich, nach dem Bachelor-Abschluss mindestens vier Jahre bei seinem Arbeitgeber zu bleiben, wobei nach dem Bachelor auch ein Master-Studium angeschlossen werden kann.
Für das Studium spricht aus Sicht der Teilnehmer auch, dass sie Geld verdienen
Wer sich für das duale Studium entscheidet, ist im Durchschnitt älter als im klassischen Studium Soziale Arbeit, nicht selten ist dabei der Wechsel des Berufs. "Im Studiengang gibt es Juristen, Soziologen, Opernsänger. Sie haben oft finanzielle Verpflichtungen und können sich das Studium nur leisten, weil sie vom ersten Semester an Geld verdienen, rund 1000 Euro monatlich", sagt Marie Seedorf, wissenschaftliche Mitarbeiterin im dualen Studiengang, und fügt hinzu: "Ihre Motivation ist sehr hoch, es hat bis heute noch keine Abbrecher gegeben." Seedorf hält den Kontakt zu den Praxisanleitern bei den Arbeitgebern, die die Studierenden an ihren Einsatzstellen betreuen. "Wir bilden die Anleiter bei uns an der Hochschule fort. Wichtig ist, dass sie für die Begleitung der Studierenden Zeit haben, das kann man nicht so nebenher machen", sagt sie.
Immer zum September beginnen zwei angehende Sozialarbeiter beim Bodenseekreis in Friedrichshafen ihre Ausbildung - und schließen sie nach drei Jahren mit der Bachelorarbeit ab. Dabei wechseln sie alle drei Monate ihre Station, von der Praxis beim Landratsamt mit dem Schwerpunkt Jugendamt oder Jobcenter in die Theorie an die staatliche Duale Hochschule Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen und wieder zurück. Eine Verpflichtung, nach dem Bachelor-Abschluss eine gewisse Zeit beim Bodenseekreis zu bleiben, gibt es nicht. "Wir versuchen so, uns Fachkräfte zu sichern, und machen jedem ein Übernahmeangebot. Etwa die Hälfte entscheidet sich für uns, aber es gibt ja auch noch andere interessante Stellen", sagt Myriam Zanker vom Ausbildungsteam. Von den Studierenden werden Abitur oder Fachhochschulreife, Verantwortungsbewusstsein und Engagement, rasche Auffassungsgabe sowie Interesse an allen Themen rund um die Jugendarbeit erwartet. Geboten werden ihnen unter anderem mehr als 1000 Euro monatlich, ein Praktikum in einem anderen Praxisfeld als dem Haupteinsatzgebiet, das selbständige Planen und Realisieren verschiedener Projekte sowie Auslandsaufenthalte bei Partnergemeinden in Polen, Schweden und England. "Wir haben genügend Bewerberinnen und Bewerber", berichtet Zanker. "Es ist ein wertvolles Gut, wenn man selber junge Menschen gut auf den Beruf vorbereitet."
Zum Lehrplan gehören auch die Themen Psychologie und öffentliches Recht
Leonie Krause hat sich im vergangenen Jahr für ein duales Studium der Sozialen Arbeit an einer privaten Hochschule entschieden. Zwei Tage in der Woche stehen an der IU Internationalen Hochschule in Peine Seminare zu Themen wie Psychologie, öffentliches Recht und Pädagogik auf dem Programm. Drei Tage arbeitet sie beim Projekt Brückenbau, eine Anlaufstelle für Straffällige, Haftentlassene und deren Angehörige in Celle. In der vorlesungsfreien Zeit ist sie jeden Tag bei der christlichen Straffälligenhilfe tätig, abgesehen von 30 Tagen Urlaub im Jahr. Die 21-Jährige verdient kein Geld, dafür übernimmt ihr Arbeitgeber die Gebühren für das dreieinhalb Jahre dauernde Studium.
"Mich reizt die Mischung aus Theorie und Praxis. Außerdem finde ich die Inhalte bei meiner praktischen Arbeit sehr interessant", sagt Krause. Sie berät zum Beispiel Menschen, die Probleme haben, eine Geldstrafe zu bezahlen, wie sie trotz geringer finanzieller Mittel eine drohende Ersatzfreiheitsstrafe vermeiden können. Dafür nimmt sie auch Kontakt mit Justizbehörden auf, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen und zum Beispiel eine Ratenzahlung zu vereinbaren. "Es ist ein gutes Gefühl, dass mir vertraut wird und dass ich diese komplizierte Materie übernehmen durfte. Und es ist gut zu wissen, dass ich mich bei Fragen jederzeit an Hauptamtliche des Projekts Brückenbau wenden kann", meint sie.
Soziale Arbeit:Denn sie wissen nicht, was sie tun
In den Jugendämtern herrscht Personalnot, viele Einsteiger verabschieden sich schon bald, weil der Job sie überfordert. Immer mehr Behörden kooperieren daher mit Hochschulen und arbeiten ihre künftigen Mitarbeiter bereits während des dualen Studiums ein.
Nach dem Studium kann man unmittelbar in den Job einsteigen
Krause sieht weitere Vorteile ihres dualen Studiums: "Für einen Studienplatz für Soziale Arbeit bewirbt man sich bei der Hochschule und braucht ein gutes oder sehr gutes Abiturzeugnis, das habe ich nicht. Beim dualen Studium entscheidet der Arbeitgeber nach einem Bewerbungsgespräch, da sind nicht unbedingt die Noten ausschlaggebend." Zudem könne sie wegen der großen Praxisanteile im dualen Studium nach dem Bachelor-Abschluss direkt als Sozialarbeiterin beginnen, während Absolventen eines nicht-dualen Studiums erst noch ein Anerkennungsjahr absolvieren müssten.
Normalerweise würde Krause einmal die Woche einen Abend für Haftentlassene und ehrenamtliche Helfer gestalten sowie regelmäßig zu Gesprächen mit Inhaftierten ins Gefängnis gehen, aber das ist derzeit wegen der Pandemie aus Sicherheitsgründen nicht möglich. "Nach Corona wird das wieder anders werden, darauf freue ich mich schon", sagt Krause, die sich selber als organisiert, offen für Neues und immer gut gelaunt beschreibt. Die Hoffnung auf mehr zwischenmenschliche Kontakte hat sie auch fürs Studium, das derzeit komplett online läuft - die junge Frau hat bisher ihre Kommilitonen erst einmal bei einer Klausur in Sozialwirtschaft und Sozialökonomie persönlich getroffen.
Marie Seedorf ist auch Vorsitzende des Landesverbandes Bremen des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit. Sie empfiehlt Interessenten generalistische Studiengänge, die für die Arbeit in allen Bereichen der Sozialarbeit und -pädagogik befähigen. Seedorf spricht von einem derzeit großen Angebot an freien Stellen, die sich allerdings hinsichtlich der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen stark unterscheiden würden. Gefragt seien Bewerber, die eigenständig, flexibel und unter hohem Druck arbeiten können. "Man sollte tolerant und offen für Menschen mit anderen Lebenswegen sein", rät Seedorf und ergänzt: "Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe. Menschen mit einem Helfersyndrom sind in diesem Beruf falsch."