Süddeutsche Zeitung

Druck aus Brüssel:EU-Kommissarin will Frauenquote in Europa

Viviane Reding verliert die Geduld: Nach Meinung der EU-Kommissarin gibt es viel zu wenig Frauen in Führungspositionen europäischer Unternehmen. Künftig will sie auf eine verpflichtende Quote setzen. Und kann sich dabei einen Seitenhieb auf Deutschland nicht verkneifen.

Die EU-Kommission droht großen Unternehmen mit einer verbindlichen Frauenquote, um die immer noch von Männern dominierten Führungsetagen aufzumischen. Grundrechte-Kommissarin Viviane Reding könnte noch in diesem Sommer Gesetzesvorschläge für eine europaweite Vorgabe für das Top-Management von Konzernen machen. Erste Reaktionen aus Deutschland fielen positiv aus. "Ich mag keine Quoten. Aber ich mag sehr, was sie bewirken. Und vielleicht ist es nötig, das zu tun, was Quoten tun", betonte Reding in Brüssel.

Mit freiwilligen Lösungen würden hingegen häufig keine großen Fortschritte erzielt. "Der Glasdecke geht es gut, sie ist solide und zerstört weiterhin die Möglichkeit von Frauen, an die Spitze zu gelangen." Derzeit sei nur eines von sieben Mitgliedern in Aufsichtsräten und Vorständen bei führenden europäischen Unternehmen weiblich. Seit 2010 habe ihr Anteil zwar zugenommen, dennoch würde es bei dieser Geschwindigkeit vier Jahrzehnte dauern, bis ein ungefährer Gleichstand der Geschlechter erreicht wäre. Der Aufruf der Kommissarin an europäische Unternehmen im Frühjahr 2010, den Frauenanteil im Management freiwillig zu erhöhen, blieb weitgehend folgenlos.

Nur 24 Firmen haben die Selbstverpflichtung bisher unterzeichnet. Zwar sei der europaweite Zuwachs in den vergangenen beiden Jahren mit knapp zwei Prozent so hoch wie selten gewesen, teilte die Kommission mit. Allerdings gehe bereits die Hälfte davon auf Frankreich zurück, das 2011 gesetzliche Vorgaben machte. Quoten für private Unternehmen gibt es laut EU-Kommission bisher neben Frankreich nur in Belgien, Italien, den Niederlanden und Spanien.

Nicht in jedem dieser Länder gibt es Sanktionen, wenn die Quote nicht eingehalten wird. Deutsche Unternehmen holen einer Studie zufolge bei der Frauenförderung insgesamt etwas auf. Inzwischen investieren rund 80 Prozent in die Förderung von Frauen sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie aus einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey hervorgeht. Viele Programme seien aber erst seit 2010 eingeführt worden. Daher bleibt Deutschland mit Blick auf den Frauenanteil in den Vorstandsetagen mit drei Prozent internationales Schlusslicht.

Immerhin sei fast jede fünfte Neubesetzung eines Dax-Vorstandsposten im vergangenen Jahr eine Frau gewesen, hat McKinsey errechnet. Derzeit sind nach dpa-Zählung sieben Frauen in den Vorständen der 30 Dax-Konzerne vertreten, zwei weitere übernehmen einen solchen Posten im Mai. In Deutschland hat sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen bisher offen für eine feste Quote für Großunternehmen gezeigt, Kanzlerin Angela Merkel und Familienministerin Kristina Schröder (alle CDU) lehnen dies ebenso wie der Koalitionspartner FDP jedoch ab. "Es gibt handfeste betriebswirtschaftliche Gründe für einen angemessenen Anteil an Frauen in Führungspositionen", sagte von der Leyen dem Tagesspiegel.

Die Linken-Politikerin Yvonne Ploetz betonte mit Blick auf Redings Vorstoß: "Brüssel hat Berlin überholt." SPD-Vize Manuela Schwesig sagte dem Hamburger Abendblatt, ein Gesetzgebungsverfahren sei längst überfällig und biete eine klare Perspektive für Frauen. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock betonte: "Die freiwillige Vereinbarung zwischen Wirtschaft und Politik ist schlicht gescheitert."

Die EU-Kommission will nun bis Ende Mai die Öffentlichkeit befragen. Von den Ergebnissen wird abhängen, ob die Brüsseler Behörde einen Gesetzesvorschlag macht oder nur eine Empfehlung. Dabei will Kommissarin Reding auch Vorschläge sammeln zur Höhe der Quote, betroffenen Unternehmen, Zeitvorgaben und Sanktionen. Außerdem kündigte Reding eine Initiative großer europäischer Management-Hochschulen an. Diese wollten am Dienstag eine Liste mit 2500 hochqualifizierten Frauen veröffentlichen, die "vorstandsfähig" seien. "Ich denke, dann wird jeder wissen, dass Talent verfügbar ist", bekräftigte die Europa-Politikerin.

In der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin sorgt die Forderung nach einer Frauenquote in Unternehmensvorständen erneut für Zündstoff. Die FDP erteilte Plänen von Unionspolitikerinnen zur Einführung einer solchen gesetzlichen Verpflichtung eine klare Absage. Die zuständige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) sieht die deutsche Wirtschaft aber auch ohne festgeschriebene Quote auf einem guten Weg. "Immer mehr Unternehmen begreifen, dass sie mit mehr Frauen in Führungspositionen besser vorankommen und dafür eigene Fahrpläne brauchen", sagte Schröder in Berlin.

Als Vorbild nannte sie die Medienbranche, für die zahlreiche Journalistinnen und der Deutsche Journalisten-Verband eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in Führungspositionen fordern. Solche Bestrebungen werde es schon bald in immer mehr Branchen und Betrieben geben, prophezeite Schröder. Ein Gesetz für eine flexible Quote wäre ihr zwar lieber gewesen, aber auch so sei dieses Prinzip längst Teil der Wirklichkeit geworden.

Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär widersprach dieser Darstellung und erneuerte die Forderung nach einer gesetzlichen Frauenquote. "Ich sehe keine Lösung mehr, die ohne Gesetze auskommt", schrieb sie in einem Gastbeitrag für Bild am Sonntag. Es habe sich gezeigt, dass die freiwilligen Selbstverpflichtungen nichts brächten.

Ähnlich äußerte sich die saarländische (Noch-)Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft hätten keinen Fortschritt gebracht. "Da ist sanfter Druck notwendig", sagte sie dem Tagesspiegel am Sonntag. Es sei interessant, "dass allein infolge der Diskussion über die Quote viele Großunternehmen plötzlich fündig geworden sind, die vorher immer erklärt hatten, sie hätten gar keine qualifizierten Frauen für Führungspositionen", sagte Kramp-Karrenbauer.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring wies die Forderung zurück: "Eine Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten von börsennotierten Gesellschaften ist ein Programm für vielleicht 200 Frauen in ganz Deutschland und löst die Probleme von Kinderbetreuung und Teilzeitjobs in keiner Weise. Das sind die drängenden Aufgaben", sagte er Bild am Sonntag.

Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Birgit Homburger kritisierte sowohl Quotenwünsche als auch das geplante Betreuungsgeld: "Die CSU will Herdprämie und Quote. Das passt nicht zusammen." Homburger sprach sich für unternehmerische Selbstverpflichtungen statt einer gesetzlichen Frauenquoten aus.

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