Dritter Bildungsbericht:Mehr Anstrengung, weniger Schüler

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Der neue Bildungsbericht zeigt die Bruchstellen des Bildungssystems: Jeder sechste junge Deutsche hat keinen Abschluss, die Schülerzahlen sinken.

Die Schülerzahl an allgemeinbildenden Zahlen sinkt in den nächsten 15 Jahren dramatisch. Wurden 2008 noch neun Millionen Schüler gezählt, werden es 2025 nur noch 7,3 Millionen sein, wie aus dem in Berlin präsentierten dritten Bildungsbericht für Deutschland 2010 hervorgeht. Das entspricht einem Rückgang von 18,9 Prozent.

Schülerstreik in Kassel Anfang Juni 2010: Mehr Anstrengungen von der Politik fordert auch der Bildungsbericht. (Foto: dpa)

Insgesamt jedoch bleibt der Anteil der Bildungsteilnehmer ungefähr gleich hoch; er verlagert sich auf Weiterbildung und berufliche Qualifikation. Dabei werde es große regionale Unterschiede geben: Während die Zahl der Bildungsteilnehmer in Ballungsräumen und Großstädten zunehme, werde sie im ländlichen Raum abnehmen, heißt es weiter.

Forderungen an die Politik

Die Verfasser fordern, die Anstrengungen im deutschen Bildungswesen zu erhöhen. Erforderlich sei etwa ein verstärkter Ausbau der frühkindlichen Bildung und der Betreuung der unter Dreijährigen, heißt es in dem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Bildungsbericht. An den Schulen müssten die Förderangebote verbessert und die Durchlässigkeit zwischen den Schularten erhöht werden. Die Autoren der Studie forderten die Politik auf, die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.

In der vergangenen Woche hatten sich Bund und Länder bei einem Bildungsgipfel nicht über die Finanzierung zusätzlicher Bildungsausgaben einigen können. Bundesregierung und die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder hoben dennoch bei der Vorstellung des Bildungsberichts die Bedeutung der Bildung hervor. Diese müsse weiter Priorität haben, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bildungsministerium, Helge Braun (CDU).

Unrühmliche Belege

Ähnlich äußerte sich der amtierende KMK-Präsident, der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Er verwies aber zugleich darauf, dass Länder und Kommunen den mit Abstand größten Beitrag an den Bildungsausgaben in Deutschland erbrächten.

Als "unrühmlichen Beleg für das Scheitern deutscher Bildungspolitik" bezeichnete der Paritätische Wohlfahrtsverband den heute Bildungsbericht. Nach den Ergebnissen habe jeder sechste junge Deutsche und jeder dritte 20- bis 30-Jährige mit Migrationshintergrund keinen Berufsabschluss hat. Das bestehende Bildungssystem fördere die soziale Ausgrenzung, reproduziere und zementiere soziale Ungleichheiten, kritisiert der Verband. "Wir stehen vor einem bildungspolitischen Scherbenhaufen, der das Ergebnis jahrzehntelanger Untätigkeit ist", kritisiert Verbandsvorsitzender Eberhard Jüttner. Es könne nicht sein, dass die Politik jeden sechsten Jugendlichen abschreibe und ohne Berufsabschluss in Langzeitarbeitslosigkeit und Armut entlasse: "Eine solche Talentverschwendung können wir uns weder volkswirtschaftlich noch moralisch erlauben. Deutschland ist dabei, seine Zukunft zu verspielen", so Jüttner.

Der Bildungsbericht wurde zum dritten Mal von einem unabhängigen Wissenschaftlerteam im Auftrag der KMK und des Bildungsministeriums erstellt. Die Leitung der Untersuchung lag beim Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF).

Konsequenz der Pisa-Studie

Der Bericht ist eine umfassende empirische Bestandsaufnahme, die das deutsche Bildungswesen als Gesamtsystem beschreibt. Im Abstand von zwei Jahren soll er Informationen über die verschiedenen Bildungsbereiche sowie zu übergreifenden Aspekten des Bildungswesens liefern. Grundlage bilden die amtlichen Statistiken. Eine Besonderheit des Bildungsberichts ist, dass er sich im Wesentlichen auf eine Auswahl regelmäßig aktualisierbarer Indikatoren stützt.

Ins Leben gerufen wurde der Bericht als Konsequenz der ersten Pisa-Studie 2001. Nachdem Deutschland ein schlechtes Zeugnis für seine Bildungspolitik erhalten hatte, wollten die Verantwortlichen auf politischer Ebene mit Hilfe von Sachverständigen in regelmäßigen Abständen einen Überblick über das gesamte Bildungssystem in Deutschland bekommen und dabei kontinuierlich Stärken und Schwächen aufzeigen lassen, um Verbesserungen zu ermöglichen.

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