Dresscode:Eine Frage der Rocklänge

Wie viel Sex darf's sein? Drei Businessfrauen über Dresscodes im Büro.

Von Doris Näger

Es gibt Dinge im Leben einer Frau, auf die könnte sie gut und gern verzichten: bei 30 Grad im Schatten Nylonstrümpfe tragen zu müssen, zum Beispiel. Oder bei ähnlichen Temperaturen in einem engen Rock zu stecken. So zumindest stellen wir uns das vor - wir, die wir in einer Branche arbeiten, die uns meist die freie Wahl lässt, in welche Klamotte wir am Morgen hineinsteigen. Im Hochsommer haben wir in unseren luftigen Kleidchen gut lächeln über die zugeknöpften Frauen im Business-Kostüm.

In den so genannten Männerbranchen und in den höheren Etagen müssen sich Frauen verabschieden von den verführerischen Bildern, die Zeitschriften und Werbung produzieren - vom flotten, mal lasziven, mal schnodderigen Modemädel. Regelrecht positionieren müssen sie sich mit ihrem Outfit: den Männern einerseits nicht nacheifern, ihnen andererseits auch nicht zu sehr auffallen. Weiblich sein und dennoch dezent wirken, korrekt auftreten und trotzdem modisch mitziehen. Obendrein soll alles zum Typ passen und auch nach zehn Stunden im Büro noch nicht zwicken. Klingt unlösbar.

"Das Aussehen im Job ist sehr, sehr wichtig, viel wichtiger als bei Männern", sagt Sylvia Rothblum, Geschäftsführerin von Time Warner Television Deutschland. Frauen würde viel kritischer betrachtet, sagt die 45-Jährige. So sei etwa die Frisur von Angela Merkel ein Gesprächs-Thema, während sich keiner darum schert, wenn ein Mann einen Bierbauch vor sich her schiebt.

Gespräche mit Sylvia Rothblum und zwei ihrer Kolleginnen aus der Wirtschaftswelt zeigen: Frauen, die es ziemlich weit nach oben geschafft haben, beherrschen in der Regel die Wahl des richtigen Outfits und finden die äußerliche Anpassung ziemlich selbstverständlich. "Es hat was mit der inneren Haltung zu tun: Wenn mir der Beruf sehr wichtig ist, dann akzeptiere ich selbstverständlich auch die herrschende Kleiderordnung", sagt Christine Bortenlänger, Geschäftsführerin der Börse München.

Dresscodes sind für sie kein Ärgernis, im Gegenteil, sie signalisierten Achtung vor dem Gegenüber: "Ich habe schon in meiner Familie gelernt, dass man sich für die Oper anders anzieht als für die Kneipe." Die 37-Jährige ist in Kleiderdingen allerdings keine Dogmatikerin: "Man muss arbeiten können", lautet ihr Motto - das Sakko darf auch mal ausgezogen werden, wenn's draußen zu heiß wird. Auch Sylvia Rothblum von Time Warner empfindet den Kleider-Code nicht als zu eng. "Inkompetenz ist viel gefährlicher als die falsche Kleidung", sagt sie. Immerhin, vor allem für junge Frauen und Berufseinsteiger sei die Beachtung der geltenden Normen wichtig - "wenn man eben noch nicht den Ruf und die Kompetenz hat". Ebenso müssten Frisur und Auftreten stimmen.

Eine Frage der Rocklänge

Als Frauen begannen, ins Männer-Bussiness vorzudringen, gab es noch keine Vorbilder. "Da wollten sie den männlichen Kollegen noch ähnlich sein und trugen zu den Hosenanzügen zum Beispiel Blusen mit Krawatten-ähnlichen Schleifen", erinnert sich Sylvia Rothblum. Das sei längst anders geworden. Beate Fastrich, Geschäftsführende Direktorin der Kosmetikmarke Clinique in Deutschland, bestätigt: Heute orientieren sich die Frauen an den weiblichen Vorbildern - und die kleiden sich professionell und modern.

Verboten sind "bauchfrei und Ausschnitt bis zum Bauchnabel", sagt Fastrich. Am Casual Friday ohne Kundenkontakt seien aber sogar Jeans denkbar. Kurze Röcke, hohe Absätze - all das ist bei Clinique erlaubt. Bei den Kollegen an der Münchner Börse geht es schon strenger zu: "Überall dort, wo es für Männer einen extremen Dresscode gibt, gilt auch für uns: bloß nicht zu schrill", sagt die Börsenfrau Bortenlänger. Gedeckte Farben also, der Rock reicht selbstverständlich übers Knie. Und kein Schnickschnack - "ich habe zum Beispiel kein Kostüm mit Reißverschluss." Immerhin sei in Bayern auch mal eine Prise Landhaus in Form von Bluse mit Janker oder Cord-Kostüm gestattet.

So unterschiedlich die Branchen ticken, so unterschiedliche Outfits sie vorgeben - eine ungeschriebene Regel kennen alle: Zu viel Sex ist verboten. "Ich würde damit ,Frau mit sexuellen Reizen' signalisieren, und nicht ,professioneller Gesprächspartner'", sagt Beate Fastrich. Man wolle schließlich ernst genommen werden. "Das Thema soll im Vordergrund stehen, nicht der Mensch", findet auch Sylvia Rothblum.

Man kann natürlich all das beachten - nicht zu schräg, nicht zu sexy, die richtige Rocklänge - und trotzdem daneben liegen. Weil Mode eben auch eine Frage des persönlichen Stils ist. Für Christine Bortenlänger ist die Grenze auch dann überschritten, wenn sich eine Kollegin unvorteilhaft kleidet. "Wenn sie die falschen Farben trägt, schrille Töne, die nicht zu ihr passen - dann stößt mich das ab." Ansonsten hat sie die Erfahrung gemacht, dass Männer den einen oder anderen Farbtupfer eher gut finden. Sie selbst ist im Lauf ihrer Karriere immer Frau geblieben: "Ich ziehe zum Beispiel ein gut geschnittenes Kostüm an, einen Rock mit Schlitz, schöne Schuhe, und ich trage auch Schmuck. Man muss ja nicht in Sack und Asche gehen."

Das Nylon-Dilemma

Beibt die Frage nach den Strümpfen. Ist es okay, im Büro nackte Beine zu zeigen? Oder doch zu sexy? "In Bayern tut man sich leichter als in Hamburg, im Sommer die Nylons wegzulassen", hat Christine Bortenlänger beobachtet. "Es gibt da wohl einen Unterschied zwischen Nord- und Süddeutschland." Und zwischen junger und älterer Gesellschaft, denn: "Je älter die Herren, desto kritischer werden nackte Beine gesehen."

Strümpfe müssen nicht immer sein, findet auch Beate Fastrich - allerdings immer zu kürzeren Röcken. Und Sylvia Rothblum hält Nylons gar für einen Vorteil: "Ich trage gerne Strümpfe, die machen schönere Beine." Und wenn's im Sommer zu heiß wird in der Synthetikhaut? Pragmatische Antwort: "Dann zieh' ich eben eine Hose an."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: