Dramatischer Lehrermangel:Keine Lehrer, keine Schule

Kinder werden nach Hause geschickt, Eltern müssen aushelfen, Lehrer gleich mehrere Klassen betreuen: Wie es an bayerischen Schulen zugeht.

Birgit Taffertshofer

Der Lehrermangel in Bayern nimmt immer drastischere Züge an: Die Hauptschule im mittelfränkischen Höchstadt musste für drei Tage geschlossen werden, da Ersatz für elf kranke Lehrer fehlte. An anderen Schulen werden Klassen zusammengelegt, Eltern springen als Betreuer ein oder Schüler werden wieder heimgeschickt, wie an der Landshuter Hauptschule Schönbrunn.

Dramatischer Lehrermangel

Schüler und Eltern an die Tafel: Mancherorts wissen sich die Schulen nicht anders zu helfen. "Wir sind fertig", sagt ein Schulleiter.

(Foto: Foto: AP)

Fast fünf Wochen lang war die erste Klasse an der Schule in Wendelskirchen bei Dingolfing ohne Lehrer. Drei Mal die Woche paukten Eltern mit den Kindern Mathe und übten Lesen. In der zweiten Jahrgangsstufe sieht es nicht viel besser aus, dort unterrichten zwei Lehrer seit sechs Wochen drei Klassen.

Die Eltern verschicken Protestbriefe an die Politiker in München - ohne Reaktion. Erst als sie öffentlich gegen den Unterrichtsausfall protestierten, folgte eine Antwort vom Kultusministerium: Es sollen nach den Faschingsferien zwei Teilzeitkräfte als Ersatz kommen. Doch so billig wollen sich Elternsprecherin Ute Gashi und ihre Mitstreiter nicht mehr abspeisen lassen: "Damit ist unserer ersten Klasse geholfen, aber das Problem nicht gelöst", schimpft sie und fordert mehr Lehrer: "Die Schulpflicht gilt nicht nur für die Kinder, sondern auch für den Staat."

Zwar will das Ministerium für die zweite Schuljahreshälfte 150 neue Stellen für die sogenannte "Mobile Reserve" schaffen, aber laut Lehrerverband wären etwa 500 Aushilfslehrer nötig. Dass nicht noch mehr Unterricht ausfalle, liege an dem Engagement der Lehrer und Eltern sowie der Improvisationskunst der Rektoren.

Einer von den kreativen Schulleitern ist Werner Busch, Rektor an der Grundschule Loiching, zu der die Außenklassen in Wendelskirchen gehören. Die Schule hat für ihre hervorragende Arbeit bereits 2003 den Innovationspreis des Kultusministeriums erhalten.

"Der Leidensdruck ist zu groß geworden", sagt Busch, "wir fühlen uns im Stich gelassen". 380 Überstunden leisteten die 15 Klassenlehrer seit Mitte November, wochenlang unterrichteten sie zusammengelegte Klassen, pendelten von einem Klassenzimmer zum anderen, denn eine Mobile Reserve war nicht zu bekommen. Der Zorn der Eltern traf sie trotzdem. "Wir sind fertig", seufzt der Rektor. Am Mittwoch erkrankte ein weiterer Lehrer für die zweite Klasse.

Nicht nur im Kreis Dingolfing, sondern auch in Nürnberg und Landshut klagen Schulleiter über fehlende Ersatzlehrer. "Wir können uns doch nicht Bildung auf die Fahnen schreiben, die nötigen Mittel dafür aber nicht zur Verfügung stellen", protestierte sogar die CSU-Landtagsabgeordnete Ingeborg Pongratz in einem Brief an ihren Parteifreund Siegfried Schneider. Zuvor erreichten die Landshuter Politikerin fast täglich Beschwerden von Eltern.

Keine Lehrer, keine Schule

Der Kultusminister vertröstete sie mit den 13 neuen Stellen zum Schulhalbjahr - jenen Stellen, die im Rahmen der routinemäßigen Aufstockung ohnehin längst für Niederbayern reserviert waren. Die zusätzlichen Lehrer verkaufte die CSU-Frau der Heimatzeitung trotzdem als persönlichen politischen Erfolg.

Die Landshuter Mütter und Väter rufen die Elternbeiräte nun auf, sich bayernweit zu vernetzen, um den Druck auf die Politiker zu erhöhen. "Sparen wir unsere Kinder dumm? Eltern fordern regulären Unterricht!" heißt das Motto einer Protestveranstaltung, die sie am 1. März in Landshut planen. Resultat des Treffens soll eine Petition an den Landtag sein. "Die 13 Stellen reichen doch gerade mal dafür aus, um die Pensionierungen zum Schulhalbjahr aufzufangen", betont Henrike Kinader-Dietz, Vorsitzende des gemeinsamen Elternbeirats der Landshuter Schulen. Die Eltern müssten sich endlich wehren gegen diese Sparpolitik, während die Staatsregierung gleichzeitig vollmundig von einer Bildungsoffensive spreche.

In der Tat sind im Schulamt Landshut schon fast alle zusätzlichen Mobilen Reserven wieder verplant, da vier Lehrer in Pension gehen "So eine Situation hat es noch nie gegeben", sagt Schulamtsdirektor Reiner Leicher. In diesem Schuljahr hätte er statt der 45 vorhandenen Stellen für Ersatzlehrer gut 70 brauchen können. Die Schwere der Erkrankungen nehme einfach zu. Das habe mit der Altersstruktur der Lehrer zu tun, aber auch mit der wachsenden Belastung.

"Dass wir mehr Lehrkräfte brauchen könnten, ist kein Geheimnis", sagt Minister Schneider, aber er sei eben an den Staatshaushalt gebunden: "Ich habe einfach nicht mehr Lehrer zur Verfügung." Im Vorjahr seien bis zu neun Prozent des regulären Unterrichts entfallen, derzeit werde erhoben, ob sich diese Zahl erhöht habe. Zumindest für den Engpass im Schulamt Dingolfing scheint eine Lösung gefunden zu sein. Nach Aussagen der Regierung von Niederbayern erhält nicht nur die Schule in Wendelskirchen Ersatz, sondern es kommen noch zwei weitere Stellen dazu. Lehrer allerdings, die nun wohl woanders fehlen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: