Abbrecherquoten:Viel zu viele Jugendliche fallen aus dem System

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Vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe ist die Situation aufgrund geringer Ausbildungslöhne problematisch. (Foto: dpa)

Die duale Ausbildung gehört zu den Errungenschaften Deutschlands. Doch es ist ein System mit Schattenseiten, das zeigt nicht nur die hohe Abbrecherquote.

Kommentar von Thomas Öchsner

Sie heißen Mehmet oder Maximilian, Jan oder Chantal, und jeder von ihnen hat irgendein Talent, kann etwas, mit dem sich wie bei einem ungeschliffenen Diamanten arbeiten lässt. Doch allzu oft wird daraus nichts. Hunderttausende Jugendliche beginnen Jahr für Jahr in Deutschland eine berufliche Ausbildung, aber viel zu viele schaffen diesen entscheidenden Schritt in ihrem Leben nicht. Sie bleiben unentdeckte Talente, schlagen sich oft ein Leben lang mit Hartz IV, mit Helfer- und Gelegenheitsjobs durch, statt später als Facharbeiter ihren eigenen und Deutschlands Wohlstand zu mehren. Der verpasste Einstieg ins Berufsleben wird für sie zur Narbe fürs Leben.

Die duale Ausbildung, die Praxis und Theorie im Betrieb und in der Berufsschule miteinander verzahnt, gehört zu den Errungenschaften Deutschlands. Ohne sie wären auch hierzulande - wie anderswo in Europa - viel mehr Jugendliche arbeitslos und ohne Perspektive. Dass der Slogan "Made in Germany" so gut ankommt, beruht auch auf gut ausgebildeten Facharbeitern. Das Erfolgsmodell hat aber Schattenseiten - und zwar nicht nur, weil jede vierte Ausbildung hierzulande abgebrochen wird.

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Friseure, Köche, Kellner - die Abbrecherquote ist so hoch wie seit etwa 25 Jahren nicht mehr. Die Zahlen liefern Befürwortern eines Mindestlohns für Auszubildende Argumente.

Von Thomas Öchsner

Die Bundesregierung argumentiert in ihrem neuen Berufsbildungsbericht, die Situation am Ausbildungsmarkt habe sich verbessert. Es gebe mehr Angebote für weniger Bewerber. Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz seien "selten so groß" gewesen. Das ist richtig, ändert allerdings an einem paradoxen Phänomen nichts: 2017 sind mehr Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben, aber auch mehr Bewerber leer ausgegangen.

Oft kommen Angebot und Nachfrage nicht zusammen, weil in bestimmten Regionen entweder die Ausbildungsbetriebe oder die Bewerber fehlen. Nicht selten bekommen Jugendliche auch keine Stelle, weil sie sich an einen Wunschberuf klammern, für den etliche andere Interessenten mit besseren Noten zur Verfügung stehen. Auch gibt es trotz vieler guter Vorbilder und Initiativen noch zu wenig Arbeitgeber, die bereit sind, es einmal mit einem Schulabgänger mit nicht so guten Zeugnissen zu versuchen und bei Lernschwächeren deren verborgene Talente zu entdecken.

Immer noch verlassen Zehntausende die Schulen ohne irgendeinen Abschluss

Aber die Gründe für das aktuelle Problem sind noch vielfältiger: Die Zahl der Schulabgänger sinkt. Außerdem wollen viele junge Menschen lieber studieren, als sich von einem Meister rumkommandieren lassen und sich die Hände schmutzig machen zu müssen. Viele Kleinbetriebe bilden in der Folge nicht mehr aus, weil die besser qualifizierten Jugendlichen lieber in die für sie attraktiveren Großbetriebe gehen. Mit der Zahl der Schulabgänger sinkt also zugleich das Angebot an Ausbildungsplätzen, ein Teufelskreis. Die Schieflage verdeutlicht ein historischer Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden bis zum Stichtag 30. September 520 000 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen, zehn Jahre zuvor waren es noch gut 100 000 mehr. Verschärft wird dies durch eine weitere Entwicklung: Bei vielen jungen Unternehmen aus der Digitalwirtschaft gibt es keine Ausbildungstradition und damit auch keine Lehrstellen.

Und die Misere beginnt sogar noch früher, denn immer noch verlassen Zehntausende Jahr für Jahr die Schulen ohne irgendeinen Abschluss. Die Zahl der Schulabbrecher ist zwar zuletzt erfreulicherweise gesunken, doch jeder ist einer zu viel. Nötig sind deshalb mehr Schulsozialarbeiter, mehr gut ausgestattete Ganztagesschulen. Das könnte dazu beitragen, dass der Schulabschluss nicht mehr für so viele zu einer unüberwindlichen Hürde wird.

Viel zu häufig bleiben Jugendliche aus Migrantenfamilien draußen vor der Tür. Auch das legt der Berufsbildungsbericht offen. So verlassen junge Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit mehr als doppelt so häufig die Schulen ohne Abschluss als junge Deutsche. Das hat dramatische Folgen. Kinder aus Zuwandererfamilien beginnen viel seltener eine Ausbildung als deutsche Jugendliche. Vorurteile gibt es auf beiden Seiten: Wer Mehmet heißt, hat immer noch schlechtere Chancen auf eine Lehrstelle als ein Maximilian. Gleichzeitig müssen Eltern und Kinder aus Migrantenfamilien die Erfahrung machen, dass sich eine Ausbildung langfristig auch finanziell mehr lohnt als zu jobben.

Deutschland hat einen unentdeckten Schatz, ein unerschlossenes Reservoir an möglichen Fachkräften, die von den Unternehmen auch in Zukunft gebraucht werden: Mehr als zwei Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren sind ohne abgeschlossene Ausbildung. Es wird Zeit, diesen Schatz zu heben.

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