Hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa:Von Deutschland lernen. Aber was?

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Die Bundesrepublik verfügt über ein paar Errungenschaften, von denen andere Länder lernen können - zum Beispiel das duale Ausbildungssystem. Doch die hiesigen Erfahrungen können nur wenig helfen, um Jugendlichen in Europas Süden Jobs zu verschaffen.

Thomas Öchsner

Es geht um Europas "verlorene Generation", wie es in einer neuen Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) heißt. 5,5 Millionen junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren sind in der Europäischen Union arbeitslos. Diejenigen, die resigniert haben und keinen Job mehr suchen, sind dabei nicht einmal eingerechnet. Viele schauen und hoffen deshalb auf "Angelas Wunderland".

So nennen britische Zeitungen bereits die Enklave Deutschland, die sich in der Finanz- und Wirtschaftskrise vom Negativtrend in Europa abgekoppelt und die Arbeitslosigkeit, nicht nur bei Jugendlichen, gesenkt hat. Doch das Jobwunder "made in Germany" taugt nur bedingt als Modell für Europa und seine Wackelkandidaten Griechenland, Spanien oder Portugal.

Gewiss, die Bundesrepublik verfügt über ein paar Errungenschaften, von denen andere Länder lernen können. Es gibt das duale Ausbildungssystem. Es bewirkt, dass die Ausbildung nah an der Praxis in den Unternehmen ist und am Ende im Idealfall ein anerkanntes Zeugnis herausspringt. Deutschland besitzt seit Einführung der Hartz-Reformen im Jahr 2005 eine Arbeitsverwaltung, die viel effizienter arbeitet. Und schließlich hat vor allem die schwarz-rote Bundesregierung gezeigt, wie sich mit der Förderung der Kurzarbeit aktive Arbeitsmarktpolitik in der Krise betreiben lässt und Hunderttausende Arbeitsplätze zu retten sind.

All dies lässt sich nicht eins zu eins in andere Staaten mit ihren jeweils anderen Kulturen übertragen. Diese deutschen Errungenschaften sind aber gut genug, um die Reformer in Spanien, Portugal oder Italien zu inspirieren, was teilweise bereits geschieht.

Die EU muss ebenfalls mehr leisten, um der verlorenen Generation eine neue Hoffnung zu geben. Die Krisenländer, die sich um Reformen bemühen und sich selbst retten wollen, haben Hilfe verdient. Sparen allein, da hat Frankreichs neuer Präsident François Hollande recht, genügt nicht. Es gibt noch Milliarden an nicht abgerufenen Mitteln in der EU, die sich im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit einsetzen lassen. Die EU-Kommission selbst hat gerade erst Vorschläge für ein Beschäftigungspaket vorgelegt. Darin findet sich viel Sinnvolles, wie die europaweite gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen, eine zentrale europaweite Plattform für Stellenangebote oder mehr Lohnkostenzuschüsse für neue Jobs.

Solange die Staatsschuldenkrise in der Eurozone weitergeht, sind Wunderdinge von Arbeitsmarktreformen und Beschäftigungsprogrammen allerdings nicht zu erwarten. Auch konnte die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland nur deshalb so erfolgreich sein, weil es hier einen Mittelstand mit vielen Unternehmen gibt, die ständig neue Produkte erfinden, sie überall verkaufen und dadurch einen Großteil der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Davon kann die verlorene Generation in Spanien, Griechenland oder Portugal nur träumen.

© SZ vom 22.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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