Süddeutsche Zeitung

Dozent:Die Praxis der Zahlen

Lesezeit: 2 min

Big Data, Finanzbranche, IT-Firmen - für Mathematiker gibt es viel zu tun. Ein Gespräch mit Christoph Luchsinger über die richtige Ausbildung dafür.

Interview von Franziska Brüning

Der Schweizer Mathematiker Christoph Luchsinger ist Dozent an der Universität Zürich und Gründer von Luchsinger Mathematics. Auf seinem Job- und Informationsportal können Mathematiker und Absolventen anderer Fachrichtungen weltweit auf Stellensuche gehen.

SZ: Wie beurteilen Sie die Jobaussichten von Mathematikern?

Christoph Luchsinger: Mathematiker sind auf dem Arbeitsmarkt in der Schweiz und in Deutschland sehr gefragt. Seit den Achtzigerjahren ist der Markt kontinuierlich gewachsen. Es gibt zwar auch arbeitslose Mathematiker, aber das liegt dann an der speziellen Lebenssituation der Person.

Welche Absolventen -Profile haben besonders gute Chancen ?

Die Schweiz und insbesondere Zürich ist ein Zentrum für Banken und Versicherungen. Darum arbeiten hier extrem viele Deutsche. 1998 gab es einen Boom in der Finanz- und IT-Branche, da brauchte man viele Mathematiker. Dazu kommt der Bereich Marketing sowie Big Data, was aktuell ebenfalls ein großes Thema ist. Auch die medizinisch-biologische Forschung ist heute hochmathematisch. Mathematik mit Biologie im Nebenfach ist beispielsweise eine gute Kombination, da Biologen und Mediziner viele statistische Kenntnisse benötigen. Im Informatik-Bereich sind ebenfalls Mathematiker mit ihren Fachkenntnissen gefragt. In Deutschland gibt es zudem eine große Automobil- und Luftfahrtindustrie. Da braucht man Numeriker, die eine hochrechenintensive, algorithmische Mathematik beherrschen. Natürlich kann man auch an Schulen oder in der akademischen Welt, etwa an Mathematik-Instituten, arbeiten. Und nicht zuletzt in verwandten Bereichen, etwa im Maschinenbau, wo man hochspezialisierte wissenschaftliche Mitarbeiter benötigt.

Worauf sollte man während des Studiums den Schwerpunkt legen?

Am Anfang, das heißt in den ersten zwei Jahren des Bachelors, sollte man sich ein möglichst breites Wissen aneignen, von Logik, Algebra, Geometrie, Topologie, Analysis, Stochastik bis hin zur Numerik, weil das die Basis für alles Weitere ist. Und dann merkt man, was einen interessiert. Wer nach dieser Basisausbildung weiß, dass er in Richtung angewandte Mathematik gehen möchte, kann sich ab diesem Zeitpunkt darauf beschränken. Wer in der reinen Mathematik bleiben will, sollte aber dennoch den einen oder anderen Bereich, etwa Statistik oder eine Programmiersprache belegen, weil sich das gut im Lebenslauf macht.

Reicht ein Bachelorabschluss, um einen Job zu finden?

In der Privatwirtschaft haben wir hier in der Schweiz einen extrem guten Arbeitsmarkt für Mathematiker, sodass auch Leute mit schwierigen Lebensläufen unterkommen, was hingegen in Frankreich undenkbar wäre. In Deutschland klagen wiederum viele Arbeitgeber darüber, dass sie Probleme haben, Stellen zu besetzen. Wie gut Bachelorabsolventen im Arbeitsmarkt aufgenommen werden, wird man erst in ein paar Jahren sehen. Wenn allerdings jemand einen Bachelor in Mathematik macht und dann beispielsweise noch einen Master in Volkswirtschaftslehre anhängt, dann ist das gut.

Was hat mehr Sinn - ein Fachhochschul- oder ein Uniabschluss?

Unter allen akademischen Fächern ist Mathematik wohl dasjenige, bei dem das FH-Studium am umstrittensten ist.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3433225
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.03.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.