Doppelter Bachelor:Zwei Abschlüsse in zwei Ländern

Doppelter Bachelor: Zum Modell "Bachelor-Duo" gehört auch der Erwerb sehr guter Fremdsprachenkenntnisse, etwa in Englisch, Französisch oder Spanisch.

Zum Modell "Bachelor-Duo" gehört auch der Erwerb sehr guter Fremdsprachenkenntnisse, etwa in Englisch, Französisch oder Spanisch.

(Foto: mauritius images RF)

Manchen ist ein Bachelortitel nicht genug. Sie absolvieren ein Partnerprogramm, bei dem man an einer ausländischen und einer deutschen Hochschule zwei verschiedene Bachelorabschlüsse macht.

Von Jeanette Goddar

Wenn Christian Kleeblatt seinen Bachelor abschließt, hält er nicht ein Zeugnis, sondern zwei Zeugnisse in den Händen: eines, mit dem er sich in Deutschland und eines, mit dem er sich in den USA bewerben kann. Der 27-Jährige absolviert einen Doppelbachelor in Außenwirtschaft/Internationales Management an der HAW Hamburg und an der University of Rhode Island im Nordosten der USA. Das fünfte und sechste Semester verbrachte er an der US-amerikanischen Universität. "Es war die beste Zeit meines Lebens", erinnert sich Kleeblatt, "das Campus-Leben ist großartig, Rhode Island ein herrlicher Ort, ich habe viele amerikanische Kommilitonen kennengelernt." Zudem habe es an der Universität Kurse gegeben, die er so aus Deutschland nicht kannte.

Um den US-amerikanischen Bachelor zu erhalten, musste Kleeblatt an der University of Rhode Island zehn Module absolvieren, von denen sechs mit dem Curriculum der HAW Hamburg kompatibel zu sein hatten. Eine Bachelor-Arbeit musste er nicht schreiben? "Nein", antwortet er, "das US-amerikanische System ist ein anderes. Wer dort seine Module absolviert und bestanden hat, ist fertig." Leicht sei das Studium dennoch nicht gewesen: "Fachlich war es ein bisschen weniger anspruchsvoll als in Hamburg. Aber die Prüfungsdichte war höher; nahezu jede Woche stand irgendein Test an."

Der Studiengang, den Kleeblatt zurzeit im Praxissemester absolviert - er steht kurz vor dem Abschluss -, steht stellvertretend für eine Reihe sogenannter "Double-Degree-Programme", deren Anforderungen ganz verschieden sein können: Es gibt auch Programme, die eine Bachelorarbeit an der ausländischen Universität vorsehen, oder eine Praxisphase im Ausland. "Ein Doppelbachelor ist ein bilaterales Programm zweier Hochschulen, die Teile ihrer jeweiligen Studiengänge in einen Studienplan aufnehmen, den sie gemeinsam erarbeiten", erklärt Natalia Ribberink, die zuständige Professorin für den Doppelbachelor Außenwirtschaft/Internationales Management der HAW Hamburg und der University of Rhode Island.

Ein zusätzliches Semester, dafür zwei Abschlüsse

Als sie sich 2012 mit ihren US-amerikanischen Kollegen, mit denen es bereits zuvor eine Kooperation gab, zusammensetzte, habe jede Seite geschaut, was ihr unerlässlich zu sein scheint, um einen Bachelor zu verleihen. Ohne dass sich die Studiumsdauer verdoppelt. In diesem Fall einigte man sich eben darauf, dass deutsche Studierende in den USA zehn Module absolvieren, während die US-amerikanischen Studierenden, die nach Hamburg kommen, sieben bis acht Veranstaltungen abschließen und ein Unternehmenspraktikum machen müssen. So erhalten die Studierenden einen Abschluss von beiden Hochschulen und studieren dafür ein zusätzliches Semester, selten zwei, erläutert Ribberink.

Der Fächervielfalt sind kaum Grenzen gesetzt: Laut einer - allerdings aus dem Jahr 2011 stammenden - Studie des Institute of International Education (IIE) und der FU Berlin sind die doppelten Abschlüsse in den Wirtschafts-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften am weitesten verbreitet. Seit sich das Modell immer mehr durchsetzt, kommen allerdings auch zunehmend ungewöhnliche Kooperationen hinzu. So bietet die Universität Bayreuth mit der Universidad Pablo de Olavide in Sevilla seit 2014 sogar ein deutsch-spanisches Doppelabschlussprogramm für Rechtswissenschaft. "Das war eine echte Herausforderung", erinnert sich Rosa Miquel. "Nicht nur die Rechtsordnungen, sondern auch die Studien- und Prüfungskultur sind ganz verschieden", sagt die Fachstudienberaterin an der Universität Bayreuth.

Inhaltlich verknüpfe das Programm eine Ausbildung in zwei Rechtskulturen mit der jeweiligen juristischen Fachsprache. "Das Modell macht die Studierenden in beiden Ländern arbeitsfähig", sagt sie, "und es ist sehr anspruchsvoll." Wegen der sprachlichen Hürden sind die meisten Studierenden zweisprachig aufgewachsen. Das macht deutlich: Häufig ist ein Doppelbachelor vor allem für Studierende aus binationalen Familien ein idealer Weg, in ihrem späteren Arbeitsleben zwei Sprachen und Länder zu verknüpfen, in und mit denen sie aufgewachsen sind.

Für die bilateralen Programme gibt es deutlich mehr Bewerber als Studienplätze

Denn grundsätzlich gilt: "Ein Doppelbachelor führt zu zwei offiziellen Hochschulabschlüssen aus zwei Ländern. Damit können Absolventen sich auch in zwei Ländern ganz offiziell bewerben - für ein Masterstudium ebenso wie um einen Arbeitsplatz," erklärt Ribberink. Das macht die USA - als traditionellen Sehnsuchtsort angehender Akademiker wie Wissenschaftler - besonders attraktiv; zudem ist ein Studium im Englischen auch für Studierende ohne zweisprachigen Hintergrund meist leistbar. "Wir haben sehr viel mehr Bewerberinnen und Bewerber als Plätze", so die Hamburger Professorin, "wie viele Plätze es gibt, hängt auch davon ab, wie viele Studierende von Rhode Island zu uns kommen."

Deswegen wird in Hamburg, aber auch anderswo, stark gesiebt. Bewerben kann sich nur, wer in den ersten vier Semestern 120 ECTS-Punkte erworben hat, gute Englischkenntnisse nachweisen kann und ein überzeugendes Motivationsschreiben abliefert. "Dann gab es noch ein Auswahlgespräch, in dem ich erklären musste, warum ausgerechnet ich die HAW Hamburg in den USA vertreten sollte", erzählt Christian Kleeblatt. Als er danach erfuhr, dass er als Einziger in seinem Jahrgang ausgewählt wurde, war der Jubel groß: "Ich hätte mich fast nicht beworben - bis zum letzten Tag habe ich damit gewartet." Wäre er nicht genommen worden, hätte er an der HAW weiterstudiert, ohne Doppelbachelor.

Insgesamt gibt es zwei Modelle: Das Hamburger, bei dem sich Studierende erst während des Studiums um einen Doppelbachelor bewerben sowie eines, das vom ersten Semester an als Doppelbachelor konzipiert ist - dann erfolgt die Auswahl bereits zuvor. So verhält es sich zum Beispiel bei dem Studiengang "Politikwissenschaft - Sciences Sociales", den die Freie Universität Berlin mit der Pariser Universität für Politikwissenschaften Sciences Po an deren Standort in Nancy anbietet.

Karen Sudschajew ist von Beginn an ins volle Risiko gegangen: "Ich wusste schon von vornherein, dass ich in das Double-Degree-Programm wollte; mir war es wichtig, einen Abschluss zu machen, mit dem ich mich von der breiten Masse abhebe." Als es ihm dann zu seiner großen Freude gelang, nach Rhode Island zu kommen, nutzte der 31-Jährige die Gelegenheit, nach dem Studienjahr in den USA zu bleiben und bei Audi of America, betreut von Natalia Ribberink aus der Ferne, seine Bachelorarbeit zu schreiben. "Das war ein wirklicher Türöffner" erzählt er, "noch von dort aus habe ich mich in Ingolstadt bei Audi beworben". Seit drei Jahren arbeitet Sudschajew inzwischen dort. Den Traum von den USA hat er noch nicht ausgeträumt: Eines Tages, sagt er, könne er sich gut vorstellen, auch einmal auf der anderen Seite des Atlantiks seinen Hut in den Ring zu werfen: "Den passenden Abschluss habe ich ja."

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