Dissertation für Praktiker:Krönung der Karriere

Auf dem Weg zum Abschluss nehmen manche Studierende die Arbeit von Ghostwritern in Anspruch.

Viele Berufstätige würden gerne einen Doktortitel tragen: Der DBA kann eine Möglichkeit sein, zu kaufen gibt es den Titel jedoch nicht.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Der "Doctor of Business Administration" bringt Berufstätige in Rekordzeit zur Promotion. Doch ist der Abschluss wirklich so viel wert wie ein deutscher Doktortitel?

Von Christine Demmer

Es passiert nicht oft, dass eine Doktorarbeit im Bundeskanzleramt Beachtung findet. Thomas Wolf-Hegerbekermeier ist das mit seiner Arbeit gelungen. Der Rechts- und Verwaltungswissenschaftler aus Lemgo hat sich in seiner praxisnahen Dissertation mit den kommunalen Finanzen in der Gesetzgebung des Bundes beschäftigt. "Das Thema kam in der letzten Koalitionsvereinbarung auf die Agenda, daraufhin hat mich der Normenkontrollrat schon mal zu Sitzungen eingeladen", sagt er. "So etwas kann sich ein Doktorand doch nur wünschen."

Dabei strebt Wolf-Hegerbekermeier gar keine Hochschulkarriere an. Beruflich hat er schon einiges erreicht, er leitet die Rechtsabteilung der Kreisverwaltung Lippe. Doch ein Doktortitel - der fehlte ihm noch. Im Sommer hat er sein Ziel erreicht: Nach vier Jahren des berufsbegleitenden Studiums wurde er zum "Doctor of Business Administration" promoviert, abgekürzt DBA. In seinen Pass hat er sich zwei Buchstaben und einen Punkt vor den Namen setzen lassen: In Lemgo, wo Thomas Wolf-Hegerbekermeier zu Hause ist, war der Eintrag "Dr." kein Problem.

Damit aus einem DBA ein Dr. wird, müssen vier Bedingungen erfüllt sein

In mancher anderen Stadt wäre das möglicherweise nicht so reibungslos gelaufen. Denn der akademische Grad stammt aus dem Ausland, da reagiert man in der Meldestelle schon mal misstrauisch. Im Lemgo aber hat man sorgfältig geprüft, die Datenbank der Kultusministerkonferenz (www.anabin.de) zurate gezogen, und dort steht schwarz auf weiß, dass der DBA des deutschen Behördenleiters dem deutschen Doktorgrad entspricht.

Damit ein DBA in einen deutschen Doktortitel umgeschrieben werden kann, müssen vier Bedingungen erfüllt sein: Erstens muss er in einem EU-Land erworben worden sein, in diesem Fall in Großbritannien, und zweitens dort als Promotion anerkannt sein. Drittens muss er von einer im jeweiligen Land anerkannten Hochschule verliehen worden sein. Und viertens muss dem Abschluss ein anerkanntes Doktoratsstudium vorausgegangen sein. Sicherheitshalber sollte noch der Nachweis erbracht werden können, dass der größte Teil des Studiums im Ausland absolviert wurde.

Vier deutsche Hochschulen bieten DBA-Programme an

Anders als in den USA und in Großbritannien ist der DBA in Deutschland weitgehend unbekannt. Das macht Hochschulen und Akademien, die DBA-Programme angelsächsischer Provenienz auch hier vermarkten wollen, zu schaffen. Sie müssen erst mal Aufklärungsarbeit leisten und beteuern: Ja, das ist ein reguläres Doktorstudium. Nein, um die Doktorarbeit kommt man nicht herum. Ja, der Titel lässt sich auch in Deutschland führen. Nein, mit den 30 000 bis 50 000 Euro Studiengebühren kauft man sich keinen Titel, sondern muss ernsthaft und über Jahre dafür arbeiten und außerdem als Voraussetzung einen Masterabschluss nachweisen.

Vier Hochschulen in Deutschland bieten bisher DBA-Programme eines ausländischen Franchisegebers an: die Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld, die Hochschule Deggendorf, das International Institute for Strategic Leadership/Knowledge Foundation an der Hochschule Reutlingen und die Munich Business School. Im Wintersemester 2016/17 will die RWTH International Academy, der Weiterbildungsanbieter der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen, ein fünftes Programm starten.

Die Kultursministerkonferenz bleibt kritisch

Das Geschäftsmodell ist immer dasselbe: Die Studenten schließen einen Vertrag mit dem deutschen Franchisenehmer, reisen für einige Workshops an die Hochschule ins Ausland, suchen ein mit ihrem Beruf zusammenhängendes Forschungsthema, werden dabei engmaschig von deutschen und ausländischen Professoren betreut und arbeiten schließlich selbständig und neben dem Job an ihrer Arbeit.

Bislang plant nur die RWTH Academy die Kooperation mit einer Business School in den Niederlanden. Alle anderen arbeiten mit britischen Hochschulen zusammen. Falls der DBA in Deutschland ähnlich Furore macht wie der noch vor 15 Jahren ziemlich unbekannte Master of Business Administration (MBA), dürften bald auch Hochschulen aus anderen Ländern hierzulande nach Vermarktern suchen.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) beobachtet das Bildungsprodukt DBA mit Argusaugen. Dabei hat die Behörde selbst den Wissenschaftsministerien der Länder grünes Licht für die Anerkennung des Grades als Promotion gegeben. Den Absolventen und den bei der Eintragung federführenden Kultus- und Wissenschaftsministerien der Bundesländer empfiehlt die KMK die Führung des Titels "Doctor of Business Administration" nur in der abgekürzten Form DBA hinter dem Namen. Aber die scheinen das bislang - solange die vier genannten Kriterien erfüllt sind - gepflegt zu ignorieren.

Mindestens zehn Wochenstunden sollten freigeschaufelt werden

Eva Niemann aus Rheinbach hat bis vor Kurzem das DBA-Programm der britischen Hochschule Bradford geleitet. Heute berät sie Privatpersonen, die mit einem berufsbegleitenden MBA oder DBA liebäugeln und auf Nummer sicher gehen wollen, dass sie die richtige Wahl treffen und am Ende auch den Titel in Deutschland führen dürfen.

Bei Kooperationen mit britischen Hochschulen gebe es in dieser Hinsicht nicht oft Probleme, versichert Niemann. Wohl aber bei der Selbsteinschätzung der Studierenden: "Wenn jemand nur den Titel haben will, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit auf halber Strecke aufgeben." Dafür sei der Arbeitsaufwand entschieden zu hoch. In Internetforen sprechen Doktoranden von mindestens zehn Wochenstunden, die neben dem Job erst mal freigeschaufelt werden müssen.

Die Nachfrage wächst

Die Nachfrage nach DBA-Programmen wachse, freuen sich die deutschen Franchisenehmer. Volker Wittberg von der Fachhochschule des Mittelstandes in Bielefeld bietet das Promotionsstudium seit 2009 an und spricht von einer Teilnehmerzahl "hoch in den Zwanzigern", einschließlich zweier DBA-Absolventen, die es mittlerweile sogar zum Professor gebracht hätten. Manche seiner britischen Doktoren müssten zwar bei der Eintragung im Pass lange argumentieren, aber bisher sei es allen gelungen. "Das ist der Status quo, und das wird auch so bleiben", sagt Wittberg. "Alles andere wäre eine Benachteiligung ausländischer Hochschulen, und das ist europarechtlich nicht möglich."

Thomas Graf, der Betreiber der Internet-Plattform DBA-Compass, findet die Idee eines Wirtschafts-Doktortitel für Praktiker an sich gut. "Solange die Qualitätskriterien wasserfest sind", schränkt er ein, "das heißt, wenn die Forschungsleistung wirklich eingefordert wird." Er weiß aber auch, dass viel Schindluder mit dem Titel getrieben wird, und rät jedem Interessenten, sich vor Einschreibung in ein DBA-Programm gründlich über die Anerkennungsbedingungen der jeweiligen Hochschule zu informieren.

Man könne auch vor Studienbeginn beim zuständigen Wissenschaftsministerium anfragen, ob die DBA-Urkunde später einen deutschen "Dr." begründe. "Eine hundertprozentige Garantie liefert das zwar auch nicht. Aber dann hat man das Risiko wenigstens eingegrenzt."

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