Diskriminierung am Arbeitsplatz:Abkassieren im Namen der Gleichheit

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Teure Fallen im Arbeitsalltag: Fühlen sich Angestellte in den USA diskriminiert, kann das für Unternehmen teuer werden. Am Ende verdienen vor allem die Anwälte.

M. Koch

Mit der Bewerbung fängt es an. Ein Portraitfoto, so wie es in Deutschland erwartet wird, ist in einem amerikanischen Lebenslauf unerwünscht, genau wie Angaben über Alter, Herkunft, Religion und Familienstand. Das Bild, das sich das Personalbüro von einem Bewerber machen kann, bleibt lückenhaft. Und das absichtlich: Die Leerstellen sind Verteidigungslinien, ein Schutzschirm gegen Diskriminierungsklagen.

Diskriminierung USA

Hautfarbe, Geschlecht, Religion - Gründe für Diskriminierung gibt es viele. Entsprechend hoch ist die Zahl der Klagen.

(Foto: Foto: AFP)

Fallstricke im Aufzug

In kaum einem anderen Land müssen Unternehmen im Arbeitsalltag so vorsichtig sein wie in den USA. Fallstricke lauern überall. Bei der Einstellung, der Beförderung, der Kündigung, beim Tratsch im Aufzug oder in der Kaffeepause. Wenn Angestellte oder Bewerber behaupten, aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts oder einer Behinderung benachteiligt zu werden, geraten selbst Weltkonzerne in die Defensive und müssen mit drakonischen Strafen rechnen.

In dieser Woche traf es den Pharmakonzern Novartis. Ein New Yorker Gericht verurteilte das Schweizer Unternehmen am Donnerstag wegen der Benachteiligung von Frauen zu einer Strafzahlung von 250 Millionen Dollar. Außerdem erhalten die zwölf Klägerinnen Schadenersatz in Millionenhöhe. Weitere Urteile könnten folgen. Obwohl der Konzern die Diskriminierungs-Vorwürfe vehement bestreitet, ist es möglich, dass der Fall Novartis am Ende eine Milliarde Dollar kosten wird. Und er ist nur ein Beispiel von Zehntausenden.

Politisch gewollte Anklageflut

93 277 Klagen wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz gab es in den USA vergangenes Jahr, nur 2008 wurden noch mehr Prozesse geführt. Die Flut der Gerichtsverfahren ist politisch gewollt. Die US-Gleichstellungsbehörde ermutigt Angestellte ausdrücklich, Klagen vorzubringen, wenn sie sich benachteiligt, belästigt, ausgegrenzt oder gemobbt fühlen.

Die harte Linie gegen Diskriminierung ist eine wichtige Lehre, die die Amerikaner aus der Geschichte der Rassentrennung gezogen haben. Bis heute sind Schwarze in den USA benachteiligt. Sie verdienen im Schnitt deutlich weniger als Weiße und haben es sehr viel schwerer, einen Job zu finden. Daran konnten bisher auch die Anti-Diskriminierungsvorschriften nichts ändern. Dafür aber schrumpft die Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen rapide. In Großstädten wie New York verdienen junge Frauen sogar schon mehr als ihre männlichen Altersgenossen.

Standortrisiko Klage

Ein Erfolg, der auch dem Einsatz der Justiz zugeschrieben werden kann. Dennoch stellt sich die Frage, ob es die Gerichte mit ihren Versuchen, Gleichbehandlung zu erzwingen, nicht zu weit treiben. Aus Unternehmersicht sind Klagen längst ein Standortrisiko für die USA geworden. "Ein Rechtsstreit kann sehr schnell ruinös sein", warnt Caroll Neubauer, Präsident der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York und Amerikachef des deutschen Pharmakonzerns B. Braun.

Viele deutsche Unternehmen, gerade aus dem Mittelstand, schreckten daher vor Investitionen in den USA zurück. Auch einheimische Großkonzerne finden sich häufig auf der Anklagebank wieder. Das spektakulärste Verfahren läuft derzeit gegen den Einzelhandelsgiganten Wal-Mart.

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